Russland

Kreml-Kritiker Alexej Nawalny ist tot

16. Februar 2024
Redaktion Börsenblatt

Vor vier Tagen hatte ihn seine Mutter noch als "sehr gesund" erlebt: Wie die russische Gefängnisverwaltung am 16. Februar mitteilte, ist der Kreml-Kritiker Alexej Nawalny überraschend plötzlich in Lagerhaft gestorben. Die IG Meinungsfreiheit des Börsenvereins und die Verlagsgruppe Droemer Knaur würdigten Nawalnys Eintreten für Gerechtigkeit und das freie Wort.

Nawalny war vor einiger Zeit in eine andere Strafkolonie in der Polarregion verlegt worden, dessen Ort zunächst unbekannt war. Nach Angaben der Verwaltung habe sich Nawalny nach einem Spaziergang "unwohl gefühlt" und "fast sofort das Bewusstsein verloren". Medizinische Mitarbeiter hätten Nawalny nicht wiederbeleben können. Nawalnys Mutter Ljudmila Nawalnaja erklärte in der kremlkritischen Zeitung "Nowaja Gaseta", als sie ihren Sohn zuletzt am 12. Februar gesehen habe, sei er "lebendig, gesund und lebensfroh" gewesen.

Alexej Nawalny, geboren am 4. Juni 1976, war seit Jahren einer der schärfsten Kritiker Wladimir Putins und entging im Jahr 2020 nur knapp einem Giftmordanschlag des russischen Geheimdienstes. Auf Veranlassung seiner Familie wurde er zur Behandlung in die  Berliner Charité verlegt. Im September 2020 wurde er aus dem künstlichen Koma geholt und konnte noch im selben Monat das Krankenhaus verlassen. Zur Erholung blieb Nawalny in Deutschland. Im Januar 2021 flog er dann nach Moskau, wurde am Flughafen festgenommen. 

Er hat eine jahrelange Haft in einer Strafkolonie verbüßt. Verurteilt wurde Nawalny unter anderem wegen Extremismus, er hat den Vorwurf stets bestritten. Seine politische Bewegung wurde verboten, enge Mitarbeiter wurden inhaftiert oder flohen ins Ausland.

"Sein Einsatz für Rechtsstaatlichkeit, freie Wahlen und politische Reformen war nicht sinnlos, und sein kämpferischer Optimismus ist vorbildhaft für alle, die in Russland und an anderen Orten Tag für Tag für diese Werte einstehen", sagte Margit Ketterle, Co-Sprecherin der IG Meinungsfreiheit im Börsenverein. "Mit ihm verliert die Welt einen Kämpfer für Gerechtigkeit, das freie Wort und ein anderes Russland", bekannte Doris Janhsen, verlegerische Geschäftsführerin der Verlagsgruppe Droemer Knaur. "Wir  trauern mit Julija Nawalnaja, seinen Kindern und den Mitarbeitern der Antikorruptionsstiftung."

Bei Droemer Knaur ist im August 2021 "Alexei Nawalny – Schweigt nicht!" erschienen (noch lieferbar), das erstmals vier der wichtigsten Reden Nawalnys vor Gericht ausführlich kommentiert und erläutert. Seine Reden aus dem Frühjahr 2021 vor der Verurteilung zu mehrjähriger Lagerhaft legen Zeugnis ab von seinem unerschütterlichen Glauben an eine freie und gerechtere Welt. Sie würden eindrücklich zeigen, so der Verlag, wie staatliche Repression in Russland funktioniert und demaskieren das System Putin. Das Vorwort steuerte Gerhart Baum bei. Darin schreibt Baum: "Es sind Plädoyers für die Freiheit. Plädoyers dafür, nicht zu schweigen, wenn so eklatantes Unrecht geschieht. Die Gerichtsreden Nawalnys sind eindrucksvolle Freiheitsdokumente – auch für nachgeborene Generationen." Ebenfalls bei Droemer Knaur liegt "Putinland" (2022, aktualisiert 2024) von Nawalnys Freund und Berater Leonid Wolkow vor.

Die bislang einzige Biografie "Nawalny" wurde 2021 bei Hoffmann und Campe veröffentlicht. Das Autorentrio Dollbaum, Lallouet und Noble schrieb mit Zugang zu Nawalnys engsten Vertrauten über seine Ziele, seine Gegner und seine politischen Aktionen.