Ich dachte das, als ich den Aufruf der Auszubildenden las - denen geht es nach einem Jahr Corona wie allen anderen: Die sind durch. Gut, dass sie sich melden. Schlecht, dass sie es anonym tun oder meinen tun zu müssen. Es gibt Ausbilder in den Betrieben, Berufsschullehrer:innen, es gibt Personen in den Kammern. Azubis in Nöten haben viele andere Anlaufstellen als Brandbriefe - unabhängig von der Berechtigung des Anliegens.
Vielleicht geht es ihnen wie manchen Besuchern bei mir. Sie verwechseln die Adresse. Ich bin inhaltlich für Anliegen mit Büchern zuständig, außerdem für Postkarten, Servietten und manchmal Briefpapier. Ob das wichtig ist? Für mich schon, denn ich bin ja gern Buchhändlerin. Die Kund:innen brauchen den Buchladen aber weitaus dringender als Anlaufstelle. Sie müssen da vorbei, sich ein bisschen unterhalten, auch meinetwegen über Corona meckern. Solange es sich im Rahmen hält, soll mir das Recht sein.
Die Kompensation für all das andere bin ich trotzdem nicht. Weder eine Freundin für die, die sonst keine haben, noch Ersatz des Vereinsabends und auch nicht der Ort, um sich politisch aufzustellen. Ich bin nicht die Verlängerung einer Talkshow auf den Bürgersteig, und für die kommunalen Anliegen von Hundewiese bis Neubaugebiet gibt es ein Rathaus. Ich vermute, die Abwesenheit von viel Vertrautem verwirrt manchmal; dahinter ist kein böser Wille. Das kann man exakt so freundlich sagen, und normalerweise wird es akzeptiert.
ja, selbstverständlich sind wir alle nervlich etwas angeknabbert und an einigen Stellen zwickt es mehr als sonst. Die Rheinländerin und der Rheinländer nutzen das „Kölsche Grundgesetz“ (nachzulesen beim Kommentar Carola Brockmanns), um dennoch bei Stimmung zu bleiben – das gelingt damit sogar recht trefflich.
Ein kompletter und besonders ärgerlicher Schuss in den Ofen ist allerdings Ihre wenig durchdachte Parallele zu dem Notruf der Azubis. Selbstverständlich gibt es andere Möglichkeiten der Suche nach Hilfe, aber welche möglichen Konsequenzen entstehen daraus? Und Sie schreiben: „…denen geht es nach einem Jahr Corona wie allen anderen: Die sind durch“. Hmmmmm - kann es eventuell sein, dass es einigen Auszubildenden eventuell eben nicht so geht wie allen anderen, weil ein Großteil der restlichen Belegschaft schlicht in Kurzarbeit geschickt wurde, also gar nicht vor Ort ist? Und kann es im Zuge dessen sein, dass einige Auszubildende eben deshalb als verbliebener Rest die tägliche Arbeit für alle miterledigen müssen und dadurch erst so wirklich richtig durch sind? Ganz so einfach ist diese Geschichte mit Sicherheit nicht!
Jens Bartsch – Buchhandlung Goltsteinstraße in Köln