Stevan Paul über den Kochbuchmarkt

"Die Frage nach Followerzahlen ist mittlerweile die Einstiegsfrage in neue Projekte."

26. August 2021
Sabine Cronau

Von Yotam Ottolenghi bis Johann Lafer: Der Kochbuchmarkt wird heute von Autorenmarken geprägt - was sich an den Bestsellerlisten ablesen lässt. Haben Kochbücher, die eher auf Themen und Konzepte setzen, deshalb ausgedient? Fragen an Stevan Paul, Blogger und selber Kochbuchautor.

Was ist heute auf dem Kochbuchmarkt wichtiger: Ein gutes Konzept oder ein zugkräftiger Name?
Bestenfalls beides. Überzeugen müssen aber immer auch Inhalt, Qualität, Aufmachung. Nur so werden aus Gelegenheitskäufer*innen auch treue Leser*innen.

 Weniger Promikult, mehr gute Rezepte: Würde das dem Kochbuchmarkt gut tun – oder sind Sie mit den Kolleg*innen ganz zufrieden?
Ob die Welt ein Kochbuch von Daniela Katzenberger oder Matze Knopp braucht, sei dahingestellt. Und ich bin immer wieder auch verblüfft, wie schlampig, fehlerhaft und lieblos bisweilen die Kochbücher unserer Fernsehköch*innen daherkommen. Verkauft wird das trotzdem. Auch das ist der Markt.

Sie selber sind mit originellen Ansätzen wie dem Kochbuch „Blaue Stunde“ oder dem „Open-Air-Kochbuch“ bekannt geworden. Würden Sie sagen, Stevan Paul ist eine Autorenmarke?
Dazu müsste ich noch einen Hauch bekannter werden! (lacht) Aber es war mir von Anfang an wichtig, das Kochbuch aus der Küche auch auf die Couch zu holen, mit jedem Buch eine Welt aufzumachen, launiges Lesefutter und fundierte Wissensvermittlung zu bieten. Das Kochbuch als reine Rezeptansammlung finde ich uninteressant und es ist ein großes Glück, dass ich mit Verlagen arbeiten kann, die diese Philosophie teilen und für gute Bücher auch Geld in die Hand nehmen.

 Corona hat der Gastronomie geschadet, aber dem Kochbuchmarkt zu ungeahnter Blüte verholfen. Haben Sie das an Ihren eigenen Verkaufszahlen gemerkt?
Ja, da gab es Schwung. Vor allem aber habe ich während der Pandemie in den sozialen Netzwerken online genau hingesehen, was jene Menschen bewegt, die sonst nicht oder nur wenig kochen und plötzlich ihre Küche neu entdecken. Was sind da die dringlichen Themen, Fragen und Wünsche? Daraus ist mein neues Kochbuch „Simple & Clever Cooking - Weniger ist mehr“ entstanden.

In Ihrem Autorenshop bieten Sie auch signierte Exemplare an – was ja nahelegt, dass die Persönlichkeit hinter den Rezepten für Ihre Fangemeinde wichtig ist. Wird das Signierangebot genutzt?
Das ist tatsächlich ein Angebot, dass überwiegend von Freunden, Fans und Followern genutzt wird, die eine individuelle Signatur schätzen. Das mache ich gerne möglich.

Immer mehr Blogger*innen, Influencer*innen finden den Weg in den Kochbuchmarkt – eine Szene, die Sie als Blogger ja ebenfalls gut kennen. Sorgen auch die Sozialen Medien dafür, dass die Gesichter hinter den Rezepten im Kochbuch wichtiger werden?
Dafür sorgen auch die Verlage selbst, die Frage nach Follower-Zahlen ist ja mittlerweile die Einstiegsfrage in neue Projekte. Ich sehe das kritisch, viele dieser Kochbücher zeigen, dass der/die Autor*in zwar alles selbst gemacht hat, aber nichts richtig gut. Für die Verlage ist das erstmal günstig, die Fans minimieren zudem das verlegerische Risiko, dann allerdings muss sich das Buch ganz klassisch auch auf dem Markt behaupten und da sind Erfolgsgeschichten rar. Gerade im Health-Bereich gibt es aber auch wirklich gute und überraschende Bücher zu entdecken, von Autor*innen, die für ihre Themen brennen und eine neue und junge Generation von Kochbuchkäuferinnen auf Augenhöhe ansprechen.

Der „Spiegel“ hat neulich in einem Artikel mehr Diversität bei den Kochbuchautor*innen gefordert – zu Recht? Muss sich die Branche diesen Schuh anziehen?
Diversität ist wichtig und der Wunsch nach Abbildung gesellschaftlicher Vielfalt ist heute häufig identitätspolitisch geprägt: eben erst wurde auch in Schauspiel und Übersetzung kontrovers über das Spannungsfeld zwischen Authentizität und Aneignung diskutiert. Ich verstehe Kochen als Kulturtechnik der Völkerverständigung, Essen als universelle Sprache. Gute Kochbücher sind Kulturvermittlung. Als klassisch ausgebildeter Koch und weltreisender Foodjournalist traue ich mir da einiges zu, biographisch geprägt haben mich aber die französische, die deutsche und die japanische Küche. Viele meiner Bücher sind darüber hinaus bunt und multikultureller Prägung, ich würde jedoch kein komplettes Kochbuch über z.B. die portugiesische Küche machen - die liebe ich, da bin ich aber zu weit weg. Grundsätzlich denke ich: wer sich als Kochbuch-Autor*inn „fremden“ Länderküchen zuwendet, sollte das mit Sorgfalt und Respekt tun, eigene Abwandlungen und Ideen als solche kennzeichnen. Ansonsten helfen Empathie und gesunder Menschenverstand.

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