Das klingt so, als wäre Selbstfürsorge schon in wenigen Minuten und für das ganze Team zu haben. Muss man also gar nicht so viel Zeit investieren?
Zeit ist immer relativ. Wenn ich krank werde, dann nimmt sich mein Körper die Zeit - ohne dass ich die Dauer steuern kann. Aber es stimmt schon: Selbstfürsorge muss nicht zeitaufwendig sein. Und was sind schon fünf Minuten – dafür, dass ich dann 60 Minuten lang fokussiert arbeiten kann?
Atmen, Spazierengehen, kleine Auszeiten im Team – was kann man sich noch Gutes tun, ohne großen Aufwand?
Ganz wichtig, gerade für Buchhändler:innen, die den ganzen Tag stehen: zwischendurch mal kurz die Füße hochlegen. Wenn eine Buchhandlung ein Hinterzimmer hat, dann lässt sich hier zum Beispiel ein bequemer Sessel oder eine Liege für Ruhepausen aufstellen – im besten Fall nicht zwischen Kisten und Lieferwannen, sondern mit einer aufgeräumten Wohlfühlatmosphäre, die der Entspannung dient. Nicht nur Google und Co. können Büroräume ganz neu denken.
Außerdem empfehle ich gern das so genannte Priming: Der Parasympathikus kann durch Bilder, Musik oder Gegenstände aktiviert werden, die uns an schöne, entspannte Augenblicke erinnern. Ein Bild an der Wand, ein Urlaubsfoto auf dem Handy-Screen, ein Kieselstein vom Strand in der Hosentasche: Es geht um Erinnerungsstücke, die uns Kraft geben und signalisieren: Es gibt auch noch etwas anderes als Stress in unserem Leben.
Sie haben vorhin schon kurz die Organisationsebene angesprochen. Kann man hier auch für Entlastung sorgen?
Wenn das ganze Team im Dauerstress ist, dann muss man genau analysieren, woran das liegt. Muss man vielleicht das Personal aufstocken? Lassen sich Abläufe vereinfachen oder digitalisieren? Vielleicht lässt sich für ständig wiederkehrende Anfragen ja ein Chatbot einrichten? An Problemen, die im System liegen, kann auch die beste Atemtechnik wenig ändern.
Kann auch ein optimiertes Zeitmanagement für Entlastung sorgen?
Unbedingt. Das so genannte Time-Boxing, das feste Zeiten für bestimmte Tätigkeiten festlegt, schafft ein Bewusstsein dafür, wie viel Zeit wir zum Beispiel mit dem Bearbeiten von E-Mails oder Bestellungen verbringen. Wenn ich mir dafür nur ein Zeitfenster von 20 Minuten reserviere, dann ist das Postfach danach in der Regel auch abgearbeitet. Und was ich in dieser Zeit nicht geschafft habe, hat vielleicht auch gar keine Daseinsberechtigung!
Ganz gleich, was Sie tun und wie lange Sie es tun: Verabschieden Sie sich vom Perfektionismus. Daran erinnere ich mich selbst täglich in meiner E-Mail-Signatur mit dem Satz: „Just barely good enough!“. Anders formuliert: Es passt schon!