Buchbranche

Rolf Nüthen ist tot

30. Dezember 2024
Stefan Hauck

Er war ein Mann der leisen Töne, der lieber im Hintergrund arbeitete, dabei aber mit großer Energie Projekte und Entscheidungen vorantrieb: Der Geschäftsführer des Sozialwerks des Deutschen Buchhandels, Erfinder des Kalenderpreises und frühere Geschäftsführer des Verleger-Ausschusses Rolf Nüthen (73) ist am 29. Dezember nach schwerer Krankheit gestorben.

Rolf Nüthen

Rolf Nüthen

Rolf Nüthen, so hatte man stets das Gefühl, kannte jeden. Und wusste seine Kontakte zu nutzen, holte Meinungen ein, hörte zu, nahm selbst seismosgrafisch kleinste Befindlichkeiten seiner Gesprächspartner wahr und zog daraus Schlüsse. Er hatte ein unglaubliches Talent, Menschen zusammenzubringen, bei schwierigen Entscheidungen erst zu sondieren, um dann alle an einen Tisch zu holen. Fast immer fand er dabei einen Konsens; falls einmal nicht, ärgerte ihn das und spornte ihn an, weiterzumachen. Immer das Ziel vor Augen, bewies er Geduld und einen langen Atem – aufgeben war seine Sache nicht. Rolf Nüthen war eine graue Eminenz im besten Sinne, der sehr genau wusste, wo er ziehen, wo er schieben, wo er stoppen musste. Lieber schob er andere ins Rampenlicht, als dass er selbst gern auf der Bühne stand; wurde er gelobt, tat er das meist mit einem "Ach komm ... da haben ganz viele ihren Anteil daran, ich allein hätte das ja nicht so hingekriegt" ab. Aber es freute ihn doch, nur eben still.

"In ruhiges Fahrwasser gesteuert"

Er war ein Macher, ein Gestalter, der sich nach dem plötzlichen Tod von Regine Lemke in seinem Ruhestand in die Pflicht nehmen ließ und seit April 2018 ehrenamtlich die Geschäfte des Sozialwerks des Deutschen Buchhandels führte. Dort stellte er umgehend die Mitgliederverwaltung von händisch beschriebenen Karteikarten auf ein EDV-Programm um und nahm die Buchhaltung ins eigene Haus; "beides machte die Bearbeitung schneller und billiger", erinnert sich Michael Menard vom Vorstand des Sozialwerks. "Mit seiner ruhigen und besonnenen Art hat Rolf Nüthen die Geschäftsführung gestemmt und den unverschuldet in Not geratenen Kollegen und Kolleginnen finanzielle Unterstützungen zukommen lassen", würdigt die Vorsitzende des Sozialwerks, Ursula v. Bestenbostel. "Bei der Flutkatastrophe im Ahrtal hat er sich umsichtig darum gekümmert, dass 14 Buchhandelsunternehmen und privat vom Hochwasser betroffenen Personen der Buchbranche schnellstmöglich eine Summe von 115.000 Euro ausgezahlt werden konnte." Er habe das Schiff Sozialwerk in ruhiges Fahrwasser gesteuert: "Die meisten seiner guten Taten für unsere Schützlinge hat er unauffällig und leise, dafür aber sehr effektiv vollbracht."

Rolf Nüthen engagierte sich auch weiterhin in der IG Kalender für den Kalenderpreis des Deutschen Buchhandels, den er 2017 ins Leben gerufen hatte und den er auch als Vermächtnis betrachtete: "Wir brauchen diesen Preis, um Kalender sichtbarer zu machen!", sagte er noch bei der jüngsten Preisverleihung auf der Frankfurter Buchmesse in diesem Jahr.

"Rolf Nüthen war das, was den Börsenverein ausmacht"

Rolf Nüthen war der erste Börsenvereins-Mensch, den ich kennenlernte, erinnert sich Börsenvereins-Vorsteherin Karin Schmidt-Friderichs. "Ich war wenige Jahre Verlegerin, er souverän und Networking-Spezialist. Hätte er sich damals, Anfang/Mitte der Neunzigerjahre, vorstellen können, dass ich einmal für diese Branche sprechen dürfte?
Noch weniger allerdings kann ich mir die Branche ohne ihn vorstellen!

Ich bin dankbar und traurig - und trotz aller Trauer bin ich glücklich, ihm begegnet zu sein. Rolf Nüthen war, was den Börsenverein ausmacht: er verkörperte Verbindung und Verbindlichkeit. Ich werde ihn vermissen!”

"Diese Arbeit war nie laut"

Zum Börsenverein kam der Diplom-Volkswirt und Buchhändler Nüthen im Januar 1981 als Assistent des damaligen Geschäftsführers des Verleger-Ausschusses. 2009 übernahm er selbst die Position des Geschäftsführers. Nüthen organisierte die Jahrestagung des Börsenvereins, die Buchhändlertage/Buchtage und 2004 den Kongress des Internationalen Verlegerverbandes IPA in Berlin. Seit 1981 betreute er den Arbeitskreis kleiner, unabhängiger Verlage, den Arbeitskreis Kalenderverlage einschließlich der jährlichen Kalenderausstellung auf der Frankfurter Buchmesse sowie die Arbeitsgemeinschaft Taschenbuch. Seit 1985 war er zudem für die Arbeitsgemeinschaft Literarische und Sachbuchverlage (später AG Publikumsverlage, heute IG Belletristik und Sachbuch) zuständig.

"Rolf Nüthens große Leistung war es, die Arbeitskreise so zu entwickeln und zu betreuen, dass sie zur eigentlichen Verbandsheimat der meisten Mitglieder wurde", sagte zur Verabschiedung von Rolf Nüthen am 30. November 2016 Matthias Ulmer, der damalige Vorsitzende des Verleger-Ausschusses. "Diese Arbeit war nie laut, sie war im besten Sinne immer bei den Menschen und ihren Problemen."