Jugendbuchmesse Bologna

"Perspektivwechsel wagen"

9. April 2024
Redaktion Börsenblatt

Deutschsprachige Buchhändlerinnen haben in Bologna eher Seltenheitswert. Jana Schützendübel und Miriam Tretter von der Münchner Buchhandlung Kuckuck haben sich auf der Jugendbuchmesse umgeschaut und interessante Entdeckungen gemacht.

Jana Schützendübel (links) und Miriam Tretter von der Münchner Buchhandlung Kuckuck sind auf der Internationalen Jugendbuchmesse in Bologna

"Heute haben wir uns ein paar Bereiche angeschaut, die wir sehr gerne mögen: Schweden mit so interessanten Verlagsständen wie Alfabeta Publishers und Koja Agancy und Verlage des afrikanischen Kontinents. Man entdeckt hier Besonderes: Vergangenes Jahr sind wir so zum Beispiel auf das Projekt Book Dash gestoßen, das auch für den diesjährigen Astrid-Lindgren-Memorial-Award nominiert war", sagt Miriam Tretter. Book Dash ist ein gemeinnütziger, südafrikanischer Social-Impact-Publisher, der Bilderbücher für sehr kleine Kinder produziert und das Ziel verfolgt, dass jedes Kind im Alter von fünf Jahren 100 Bücher besitzen sollte, bevor es in die Schule geht. Seit Sonntagabend ist Tretter mit ihrer Kollegin Jana Schützendübel in Bologna und verfolgt auf der Fiera del Libro per Ragazzi neue Entwicklungen und entdeckt Bücher. "Ganz besonders schätzen wir Bücher, denen man den Werkprozess ansieht, die Machart, die Materialität, wo viel Herz drinsteckt statt eines gewöhnlichen digital-maschinellen Druckprozesses", erläutert Schützendübel. "Wir haben auch gerade ein neues Buch von Andrea Antinori entdeckt, den wir wegen seines Zeichenstils sehr schätzen", ergänzt Tretter. Immer wieder stellen sie herausragende Bücher wie Antinoris "Ein Oktopus hat null Knochen" ins Münchner Schaufenster: "Die werden dann von unseren Kund:innen total oft angeschaut und verkaufen sich auch gut."

Solche besondere Titel zu entdecken, dafür eignet sich Bologna: "Ich bin begeistert, wenn ich auf Verlagsstände stoße, die etwas wagen, die unkonventionell unterwegs sind", meint Schützendübel. Sie treffen in Bologna auf Illustrator:innen, die sie über Kanäle wie Instagram kennen oder lassen sich von zufälligen Begegnungen mit ihnen überraschen. Angetan sind sie von der Fülle der Comics in den Messehallen und von einzelnen Größen wie Emmanuel Guibert und Marc Boutavant mit ihren Comics von "Ariol", dem kleinen blauen Esel mit der Brille: "Die haben eine so ansteckende Herzlichkeit, und sie haben noch das innere Kind in sich." 2023 haben sie in Bologna den Zeichner Ferdinand Lutz in Bologna getroffen, später kam er zu einer Lesung zu ihnen nach München. "Wir verkaufen viele Comics".

Novitäten zuhauf: der große Comic-Schwerpunkt in Halle 30

Nutzt ihnen das im Sortimenteralltag in der Münchner Kanalstraße? "Kund:innen schätzen das schon, wenn man die Autoren und Illustratorinnen kennt, manchmal eben auch persönlich, oder wenn was über sie zu erzählen weiß", resümmiert Tretter. Und wie bereitwillig lässt sich ihr Klientel von den besonderen Titeln überzeugen? "Sicher, es gibt noch viele Eltern, die Vorbehalte gegen Comics als Lesestoffe haben und nicht wissen, wie komplex Comics sein können" - jüngere Käufer:innen seien da viel offener. Im Kuckuck biten sie Comics auch als Alternative zu Erstlesebüchern an: "Die Bild-Text-Kombination motiviert.""Man muss vermitteln können, warum sich ein Buch hervorhebt. Man kann sein Bewusstsein als Käufer:in ja auch verändern. Deshalb gibt es eigentlich keine schwer verkäuflichen Titel", gibt sich Schützendübel optimistisch. "Ich finde es toll, wenn ich als Buchhändlerin die Kunden ermutigen kann, einen Perspektivwechsel zu wagen oder sich auf einen Titel unvoreingenommen einzulassen."

Für Bologna haben Schützendübel und Tretter das Veranstaltungsprogramm durchgeschaut und schauen bei interessanten Podiumsdiskussionen vorbei oder entdecken internationale Künstler:innen. "Wir haben im Kuckuck  teilweise auch eine mehrsprachige Kundschaft – denn dass Kinder heute dreisprachig aufwachsen, ist keine Seltenheit." Beim Empfang der Frankfurter Buchmesse am deutschen Gemeinschaftsstand gibt es weitere Möglichkeiten,Lektoren und Künstlerinnen kennenzulernen. "Und für morgen haben wir uns auch noch einiges vorgenommen."