Buchhändlerin Katrin Schmidt und ihre Kolleginnen hatten sich zunächst über einen "komischen Typen" gewundert, der bei einer Buchbestellung nur seinen Namen angeben wollte (keine Adresse oder Kontaktdaten), um danach wieder zwischen den Bücherregalen zu verschwinden und das Buchhandelsteam genau zu beobachten. "Auf einmal kam er auf mich zu, um mir zu versichern, dass er bei meiner Kollegin ein Buch bestellt habe und starrte mich intensiv an", beschreibt Schmidt. Vielleicht habe der mutmaßliche Betrüger einmal gelesen, dass Lügner Augenkontakt vermeiden und überkompensiert, mutmaßt Schmidt. Solche Blicke sei sie von ihren Kund*innen jedenfalls sonst nicht gewohnt. Das Auftreten des Mannes sei regelrecht "unheimlich" gewesen.
Ihr sei daraufhin eingefallen, dass im vergangenen Oktober ein Betrüger bereits Bücher für mehr als 100 Euro im Lesezeichen erbeutet habe – obwohl der Mann damals Wintermantel und eine Maske getragen habe, meinte sie ihn nun wiederzuerkennen. Die Buchhandlung verfügt über Videokameras: Im Herbst hatte Schmidt bereits Anzeige gegen unbekannt gestellt und die Aufnahmen an die Polizei übergeben. Sie war sich plötzlich sicher: Der Betrüger ist zurück! Das Team beschloss, die Polizei zu verständigen. Es folgte eine spielfilmreife Szene:
Während ein Streifenwagen sich auf den Weg in den Buchladen machte, gab Katrin Schmidt eine Personenbeschreibung durch. "Bei der ganzen Aufregung hatte ich mir das natürlich nicht im Detail gemerkt", erklärt Schmidt. Sie musste zurück auf die Verkaufsfläche, wo der mutmaßliche Betrüger noch immer durch die Regale schlich und dabei das Personal im Auge behielt. Mit dem Telefonhörer in der Hand lieferte Schmidt dem Polizeibeamten am anderen Ende der Notrufleitung (110) die gewünschte Beschreibung, um nicht die Aufmerksamkeit des Mannes auf sich zu ziehen, unter Code. "Nein Mama, es ist das karierte Hemd", usw.
Beim Eintreffen der Polizeistreife war der mutmaßliche Betrüger dann von den Beamten noch anzutreffen. "Sonst hätten wir versucht ihn im Laden einzusperren", versichert Schmidt, alle seien "wie ferngesteuert" und "auf Adrenalin" gewesen.
So endete der bis dato ruhige Arbeitstag, der auf die bayerischen Pfingstferien fällt, mit einem mehrstündigen Besuch auf der Polizeiwache, wo Schmidt Anzeige erstattete, frisches Videomaterial des Tages übergab und gleich die Aussagen zweier weitere Buchhandelskolleginnen mitbrachte, bei denen der Mann vermutlich ebenfalls Betrugsfälle begangen haben soll. Eine junge Kollegin habe bis zum Abend alleine den Buchladen geführt.