Wir müssen reden!« – Das riefen wir, die zwischen 1960 und 1970 Geborenen unseren durch NS- und Nachkriegserfahrungen verstummten Eltern zu. Wir forderten das Gespräch, wir forderten die Aufarbeitung, wir forderten eine andere Weltordnung. In diese Zeit fällt nicht zufällig die Gründung progressiver Verlage und Buchhandlungen, das Erscheinen revolutionärer Titel und die Entstehung von Lehrstühlen sozialkritischer Studiengänge. Vielleicht hat 1968
keine neue Weltordnung hervorgebracht; die Welt verändert haben diese Jahre schon, zumindest unsere westliche weiße Welt. Wir begannen, von den Grenzen des Wachstums zu sprechen, von Ökologie und Gleichberechtigung.
Heute möchte ich meiner Generation empfehlen: Wir sollten zuhören.
Es gibt neben unserer Sicht, unserer Geschichte, unseren Geschichten andere Wahrnehmungen, andere Wahrheiten. Andere Geschichten – und ja, es gibt auch eine andere Geschichte. Die kennen wir nicht, weil sie nicht in unseren
Geschichtsbüchern steht. Wir kennen diese Geschichte nicht, obwohl andere sie erlebt und geschrieben haben, die genauso deutsch sind wie wir. Die hier leben und hier geboren sind, die hier arbeiten und sich hier hingehörig fühlen, beim Small Talk aber als Erstes gefragt werden, wo sie herkommen. Und wenn sie antworten, »aus Frankfurt«, dann insistiert das Gegenüber, »nein, ursprünglich«.
Ich spreche von Schwarzen und People of Color, BPoC, oder, ergänzt um Indigene, BIPoC.
Seit einem knappen Jahr versuche ich zu verstehen, wie die Welt, in der ich lebe, von BPoC erlebt wird, und je mehr ich lese, desto unsicherer werde ich. Ich spreche oft von Vielfalt und meinte damit den Reichtum dieser Branche an großen und kleinen, eher am Mainstream orientierten und sehr spitz positionierten Buchhandlungen und Verlagen.
Seit ich versuche zu verstehen, wie Schwarze und PoC Deutschland erleben, das Land, das sie bunter und reicher machen, glaube ich, zu Vielfalt gehört explizit auch die nicht-weiße Sicht. Zur Geschichte dieses Landes gehören auch die Geschichten schwarzer Menschen und PoC. Je mehr ich lese, desto größer scheinen mir nicht nur meine diesbezüglichen Bildungslücken.