Meron Mendel: Es wird immer gesagt, Rassismus ist keine Meinung, Antisemitismus ist keine Meinung. Das ist leicht gesagt, aber wir sehen, dass diese abstrakten Begriffe in ihrer Umsetzung sehr schwierig sind. Seit einiger Zeit läuft eine Debatte über die Definition von Antisemitismus – in der Wissenschaft, in der Politik und in der Öffentlichkeit. Wir müssen immer unterscheiden, ob es sich um eine Meinung oder eine Tatsachenbehauptung handelt. In der Corona-Zeit haben wir gesehen, dass Meinungs-Influencer im großen Stil Falschinformationen verbreiten und die Realität verzerrt darstellen. Das ist eine große Gefahr, und der „Master“ in dieser Disziplin ist der ehemalige US-Präsident Donald Trump. Wir müssen uns darüber im Klaren sein, dass Meinungsfreiheit nicht bedeutet, unkontrolliert falsche Aussagen zu verbreiten. – Ein zweiter Aspekt sind subjektive Empfindungen: Juden fühlen sich von Äußerungen, die sie als antisemitisch wahrnehmen, verletzt, Schwarze von rassistischen Äußerungen und so weiter. Hier müssen wir zwischen gesellschaftlicher Diskussion und einer staatlichen, institutionellen Aktion unterscheiden. Die Empörung von Menschen und die Widerrede sind Teil der Meinungsfreiheit. Problematisch wird es, wenn die Politik ein verkürztes Verständnis in der Frage übernimmt, wann Antisemitismus oder Rassismus beginnen. Wir brauchen die Debatte in der Gesellschaft, in der Wissenschaft und in der Kulturwelt, um einen breiteren Konsens für die Bekämpfung von Rassismus und Antisemitismus zu finden.