Wie zeigt sich Antisemitismus in Frankfurt? Wie geht die Politik dagegen vor? Welche Rolle spielt Bildung dabei? Im Gespräch mit den Berufsschüler:innen beantwortete Becker ihre Fragen. Leider sei der Antisemitismus "genauso bunt und vielfältig geworden", wie er es sich eigentlich von der Gesellschaft wünschen würde: Es gebe rechts- und linksextremistischen sowie Israel-bezogenen Antisemitismus. Dieser fange auch schon da an, wo von "Israelkritik" gesprochen würde — ein Wort, das auf andere Länder bezogen nicht verwendet werde. Israelbezogener Antisemitismus sei "salonfähig geworden" und es sei wichtig, Sprache zu hinterfragen, da in ihr oft auch unbewusst bereits Ausgrenzung stecke. So sollte man von Menschen, die schon ihr Leben lang — und teilweise seit mehreren Generationen — in Deutschland leben, nicht mehr von Menschen mit Migrationshintergrund sprechen.
Bemerkbar mache sich Antisemitismus auch daran, dass viele jüdische Menschen sich an ihrem Arbeitsplatz, in der Schule oder Universität nicht trauten, sich sichtbar zu ihrem Glauben zu bekennen oder zu äußern. Becker habe selbst beim Besuch einer Schule erlebt, dass jemand aus dem Kollegium sagte: "Wir haben auch eine jüdische Lehrerin, aber sie traut sich nicht, das zu sagen." Schlimm sei, wenn Gleichgültigkeit und Gewöhnung dazu führten, dass sich niemand mehr für diese Probleme interessiere. "Wir verstehen nicht, wie weit das Wasser schon am Kochen ist", meinte Becker. Es sei wichtig, über diese Themen miteinander ins Gespräch zu kommen, solange man sich bewusst sei: "Man verkündet nicht die absolute Wahrheit, sondern die eigene Meinung."
"Nur Aufklärung kann helfen", regte Greta Möller, Sprecherin der Taskforce Politische Aufklärung, ein weiterführendes Gespräch über die Möglichkeiten von Bildung an. Sie wollte wissen, welche Bedeutung Becker von Schulen organisierten Fahrten in Konzentrationslager zuspreche. Diese Fahrten würden eine große Rolle spielen, so Becker, doch sie allein reichten nicht aus, auch die Vor- und Nachbereitung sei wichtig: Die Schüler:innen aussprechen zu lassen, welche Eindrücke sie danach beschäftigten. Das Schlimmste wäre seiner Ansicht nach, wenn der Holocaust irgendwann nur noch ein Kapitel im Geschichtsbuch zwischen anderen Themen werden würde: „Man muss Prioritäten setzen“, so Becker, aber diese Thematik habe — vor allem in Deutschland — eine sehr hohe Priorität. Erneut betonte er außerdem, wie zentral es sei, nicht nur den Holocaust zu thematisieren und somit die Juden und Jüdinnen in einer Opferrolle zu sehen, sondern sich auch damit zu beschäftigen, was jüdisches Leben ausmache und Einblicke in die jüdische Kultur zu gewinnen. In Hinblick auf Politik meinte er: "Wir müssen es hinbekommen, in der demokratischen Mitte weiterhin miteinander zu reden."