Mitunter hat man das dem Fotografen auch vorgeworfen: Durch die ästhetisch beeindruckenden Schwarzfotografien rücke das Leid des abgebildeten Menschen in den Hintergrund. Darf man dem Hunger oder dem Tod auf diese Weise ein Gesicht geben? Ist das nicht Verrat an denjenigen, die abgebildet sind? Steht der Fotograf mit seinen künstlerischen Fertigkeiten zu sehr im Vordergrund? Ja, verdient der Fotograf nur deswegen sein Geld, weil er das Leid anderer fotografiert?
Sebastião Salgado hat – bis auf die Aufnahmen von Menschenmassen – jeden einzelnen gefragt, ob er sie oder ihn porträtieren dürfe. Zahlreiche seiner Bilder hat er für soziale und wohltätige Zwecke zur Verfügung gestellt, er bringt die Menschen, die seine Fotografien über die Hungersnöte in Zeitschriften und Magazinen sehen, zum Spenden, und mit seinen hochwertig gestalteten und nicht gerade günstigen Büchern erreicht er auch jene, denen es besser geht, die mit ihrem Wohlstand, ihrem Einfluss etc. etwas gegen das Elend tun können. Ja, es ist eine Gratwanderung, aber ohne seine Fotografien hätten wir von vielen Katastrophen auf dieser Welt keine Vorstellung …
»Nur einer, der so mit anderen gelitten hat, der zu den Machtlosen, den Unterdrückten, Hungernden und Fliehenden gegangen ist, sie begleitet hat, ihnen Zeit geschenkt hat, ihnen zugehört und ihnen so eine Stimme gegeben hat«, greift dies Wim Wenders in seiner Laudatio auf, »nur so einer kann uns auch die Augen aufmachen und sagen: Schaut, was es noch alles gibt, was noch so ist wie am Anfang. Schaut, was ihr noch erhalten könnt oder müsst, und was noch nicht für immer vergangen ist.«
In seinen Fotografien können wir den Menschen in all seinen Facetten erkennen, aber auch hinter ihn blicken und sehen, was er getan hat oder was vor ihm geschützt werden muss. Den Friedenspreis teilt er symbolisch mit all jenen Menschen, deren Leid er über die Jahrzehnte fotografiert hat. Doch an dieser Arbeit ist der Fotograf auch erkrankt und hat lange gebraucht, um etwas zu finden, das ihn aus dem Tief herausholen konnte.
Zum einen ist es das Buch »Genesis«. »Ich hatte ein starkes Bedürfnis, mit Menschen zusammen zu sein, die ein Leben in Reinheit genossen«, sagt er in der Paulskirche, »der Reinheit jener, die vom Zugriff der sogenannten Zivilisation verschont geblieben sind, aber auch der Reinheit der Umwelt, der Flora und Fauna, der Bäume und der urwüchsigen Natur.« Zum anderen ist es das, was er gemeinsam mit seiner Frau in Brasilien aufbaut. »Lélia hat mir durch ihre Liebe das Leben gerettet, als ich aus Ruanda kam, ein gebrochener Mann, heimgesucht vom Blut und vom Tod, dem ich begegnet war.«