Hat sie die erzählerische Qualität beeindruckt?
Wir haben es hier mit brillanten Autor:innen zu tun. Die Bücher sind leicht erzählt, nehmen die Leser:innen mit und gewähren eine neue Sicht auf die Dinge. In Deutschland ist das erzählende Sachbuch nicht so verbreitet, wie man dies für den angelsächsischen Raum annimmt, aber die unterschiedlichen Zugänge der nominierten Bücher - von Reportage über Essay bis zur wissenschaftlichen Untersuchung - sind alle gut gewählt und jedes Buch überzeugt durch einen hervorragenden Stil.
Die Hälfte der nominierten Titel beschäftigt sich explizit mit historischen Themen. Spricht dies für ein steigendes Bedürfnis nach geschichtlicher Selbstvergewisserung?
Von der Vielzahl zeitgeschichtlicher Titel war ich überrascht, das war in den letzten Jahren etwas anders. Vor dem Hintergrund der Weltlage verschiebt sich da vielleicht gerade etwas – auch wenn die nominierten Bücher natürlich vor dem Ukrainekrieg entstanden sind. Aber dass Russland und Belarus in zwei Büchern thematisiert werden, hat mit den Entwicklungen der jüngsten Zeit zu tun. Die Ereignisse in Belarus könnte man sogar als Vorboten der aktuellen Katastrophe deuten. Und freilich findet eine solche Auswahl – wie die Buchproduktion selbst ja auch - nicht im luftleeren Raum statt, also nicht unabhängig von gesellschaftlichen Debatten, Ereignissen und Entwicklungen. Dass es Bücher gibt, die sehr aktuelle oder wenigstens gegenwärtige Problemstellungen aufgreifen ist nur gut. Auch die großen Verlage sind in dieser Hinsicht schneller und flexibler geworden.
Wie war die Zusammenarbeit in der Jury?
Die Zusammenarbeit war sehr gut. Die Gespräche waren von Offenheit, Redlichkeit, Diskursbegeisterung und analytischer Tiefe geprägt. Das war sehr beeindruckend.
Wird die Relevanz des Sachbuchs weiter steigen?
Das wäre wünschenswert. Die Sachbuchproduktion in Deutschland ist äußerst vielfältig und sie wird es bleiben, wenn es keine weitere Konzentration im Markt gibt. Umsatzzahlen allein sagen nicht viel aus, die Frage ist doch viel mehr, welche Öffentlichkeit wir wollen und vor allem, welche Formen von Öffentlichkeit die Demokratie braucht, um autoritäre Zumutungen abzuwehren. Der Deutsche Sachbuchpreis trägt hoffentlich dazu bei, die Aufmerksamkeit für Sachbücher im Allgemeinen zu vergrößern.
Tania Martini ist Redakteurin für das Politische Buch und Kultur bei der "taz".