Nicht, dass ich nicht beeindruckt gewesen wäre, als Michael Lemling 2006 die traditionsreiche Buchhandlung Lehmkuhl auf Münchens Boulevard, der Leopoldstraße, übernahm. Die Brüder Beck, die Eigentümer des noch traditionsreicheren Verlags gleichen Namens, hatten sie im Jahr davor erworben: die "Kuhle" – so die Stammkunden liebevoll wohl über das eigene Versinken beim Stöbern in den Ecken und Nischen der guten "Bücherstube".
Kennengelernt habe ich den heute zu Feiernden freilich dann erst wenige Jahre später im Landesverband Bayern des Börsenvereins, als man uns beide angeworben hatte, uns doch für die Vorstandswahlen aufstellen zu lassen. Und da beeindruckte mich zuerst seine unerhörte Lässigkeit, mit der er seine kurze Bewerberrede schloss: "Und außerdem war ich schon immer ein Vereinsmeier!" Der leichte Beigeschmack, der sich bei mir bei dem Wort einstellte, verflüchtigte sich sofort nach der Wahl, und seither saßen wir beide ziemlich ununterbrochen in Gremien des Verbandes zusammen - besonders eindrücklich und folgenreich - siehe "Woche der Meinungsfreiheit" - in der IG Meinungsfreiheit des Börsenvereins: Ich mutierte an Michael Lemlings Seite quasi zur "Vereinsmeier*in".
Womit wir endlich beim meinungsstarken und streitbaren politischen Kopf des Buchhändlers angelangt wären: Das Thema Diversität in der Gesellschaft und damit natürlich auch in der Literatur ist eines der Lieblingsthemen Michael Lemlings, ebenso wie sein energisches Eintreten gegen die Rechten, und sein Beharren auch auf der Freiheit des Sortimenters, nämlich wirklich auszuwählen aus den Verlagsangeboten, der Meinungsvielfalt Regalplatz zu bieten, auch auf die Gefahr hin, dafür von denen, die sich immer auf der richtigen Seite wissen, ausgeschimpft zu werden.
"Wenn Menschen das Gefühl haben, in Deutschland nicht mehr alles sagen zu dürfen, dann sollten wir das als gesellschaftliches Phänomen aber durchaus ernst nehmen. Aus meiner Sicht hat sich eine extrem moralisierende Streitkultur herausgebildet, die Widersprüche nicht mehr so richtig aushalten mag." So Michael Lemling im März 2022 im Börsenblatt.
Dass er Sensitivity Reading, Triggerwarnungen und nachholende Klassiker-"Wokisierung" als Bevormundung des Publikums, ja gar als "betreutes Lesen" empfindet, haben nicht alle in den Verlagen goutiert. Aber eben genau darin liegt Michael Lemlings große Stärke und sein bewunderungswürdiges Engagement für die Freiheit der Kunst und der Meinung. Mehr noch: Mutig gibt er immer wieder den "geschärften Befehl zum Selbstdenken" aus.
Auf dass er damit nie aufhöre, die allerherzlichsten Glückwünsche zum Großgeburtstag!
Oder: Welcome to the Club - es ist wesentlich besser, 60 zu werden als nicht!