Interview mit Alexander Skipis vom Börsenverein

50 Millionen Euro für Verlage und Buchhandlungen

23. Februar 2021
Torsten Casimir

Kulturstaatsministerin Monika Grütters hat der Buchbranche weitere finanzielle Hilfen zugesagt. Auch die Frankfurter Buchmesse kann in diesem Jahr mit zusätzlicher Unterstützung vom Bund rechnen. – Alexander Skipis erklärt im Interview die Hintergründe. 

Politische Maßnahmen zu Corona stehen mehr und mehr in der Kritik. Wie verhält sich da der Börsenverein?
Unsere politische Arbeit gestalten wir ganz bewusst im persönlichen Kontakt mit der Bundesregierung. Ich hatte am vergangenen Donnerstag ein langes Gespräch mit unserer Kulturstaatsministerin Monika Grütters, um mit ihr über die Lage der deutschen Buchbranche generell und insbesondere über weitere finanzielle und strukturelle Hilfen zu sprechen. Dabei habe ich auf die sich abzeichnende dramatische Situation bei Buchhandlungen und Verlagen aufgrund des zweiten Lockdowns hingewiesen. Denn nach zahlreichen Gesprächen mit der Branche sowie Informationen aus unseren Landesverbänden stellt sich die Situation so dar, als sei es im Moment die Ruhe vor dem Sturm, der uns noch erwartet. 

Befürchten Sie eine Insolvenzwelle?
Bei vielen Branchenteilnehmer*innen sind, wenn überhaupt vorhanden, alle finanziellen Polster aufgebraucht und es wird kaum noch ein Ausweg gesehen. Die finanziellen Hilfen – jetzt die Überbrückungshilfe 3 – scheinen auch nicht ausreichend auf die Buchbranche zu passen. Es herrscht vor allen Dingen beim Buchhandel die Einstellung, dass „man sich das nicht unbedingt weiter antun“ wolle. Das anfänglich große Verständnis auch für einschneidende Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie ist gerade dabei zu kippen. Das Verständnis sinkt generell, vor allem im Hinblick auf die in Aussicht gestellte frühzeitige Öffnung von Friseursalons, die teilweise offenen Buchhandlungen (nämlich in Berlin, Brandenburg und Sachsen-Anhalt) und die überall geöffneten Drogeriemärkte, die im Nu zu Vollsortimenten einschließlich eines großen Buchangebots mutiert sind.

Was fordern Sie von Frau Grütters und von der Politik insgesamt?
Eine sehr zeitnahe Öffnung der Buchhandlungen! Und dies nicht nur aus ökonomischen Gründen, sondern auch aus kulturpolitischen Gründen. In einer Zeit, in der die Gesellschaft durch die Lockdown-Maßnahmen und die Bedrohungen der Pandemie auch mental sehr schwer belastet wird, ist der fast völlige Verzicht auf ein Kulturangebot – stöbern und beraten werden in einer Buchhandlung zum Beispiel, aber natürlich auch der Besuch von Museen und Theatern – vor allen Dingen vor dem Hintergrund, dass dort nachweislich die Infektionsgefahr bei Einhaltung der Hygieneregel außerordentlich gering ist, nicht hinnehmbar. Frau Grütters stimmt mit dieser Einschätzung übrigens voll überein. Sie kämpft tatsächlich wie eine Löwin für den ihr anvertrauten Kulturbereich und wird alles dafür tun, dass der Buchhandel so schnell wie möglich wieder geöffnet wird.

Ich fordere eine sehr zeitnahe Öffnung der Buchhandlungen - nicht nur aus ökonomischen, sondern auch aus kulturpolitischen Gründen.

Ohne weitere Finanzhilfe wird es dennoch für viele Marktteilnehmer jetzt eng. Ist hier konkrete Unterstützung in Sicht?
Ja. Ich habe vor dem Hintergrund des oben Geschilderten auf die unabdingbare Notwendigkeit einer weiteren finanziellen Unterstützung hingewiesen. Es gärt in der Branche, und jetzt steht die Existenz von Buchhandlungsunternehmen auf dem Spiel. Wir haben über Möglichkeiten gesprochen. Ich wies darauf hin, dass wir jetzt noch mindestens 50 Millionen Euro brauchen, um das Schlimmste zu verhindern. Dabei wird es jetzt notwendig sein, sehr einfache Verteilungsmechanismen ohne aufwendige Antragstellung zu definieren.

Wie hat die Kulturstaatsministerin auf Ihre Forderung reagiert?  
Frau Grütters hat mir diese 50 Millionen Euro für die Buchhandlungen und Verlage zugesagt. Wir werden das weitere Vorgehen jetzt mit Hochdruck auf der Arbeitsebene mit dem BKM besprechen.

Besonders schlimm leiden Reise- und Kalenderverlage unter den Folgen der Pandemie. Gibt es Hoffnung, dass diese beiden Verlagsarten nicht länger durch das Raster der Überbrückungshilfen fallen?
Ich habe Frau Grütters das spezifische Problem der Reise- und Kalenderverlage erläutert. Deren Problem liegt ja darin, dass diese Saisonware wegen des Remissionsrechts in unserer Branche an die Verlage wieder zurückgegeben werden kann, die Ü3-Hilfen aber für solche Fälle nur einen Ersatz des Schadens beim Händler vorsehen. In unserer Branche liegt aber wegen des Remissionsrechts kein Schaden beim Händler vor, und der Produzent, also der Verlag hat keinen Anspruch. Frau Grütters ist die Problematik völlig klar, und sie wird sich dafür einsetzen, dass die „Lücke“ für diese Verlage bei Ü3 geschlossen wird.

Beim BKM-Programm „Neustart Kultur“ sind weiterhin Mittel verfügbar. Wie können Buchhandlungen und Verlage diese Förderung noch nutzen?
Buchhandlungen und Verlage sollten sich diese einfache Fördermöglichkeit nicht entgehen lassen. Vor kurzem haben wir zusammen mit dem BKM die Antragsfrist noch einmal bis 30. April verlängert, das Geld kann für Maßnahmen bis 31. Oktober 2021 verwendet werden. Frau Grütters und ich haben besprochen, dass wir alles dafür tun werden, um Verlagen und Buchhandlungen die Antragsstellung auf den letzten Metern so einfach wie möglich zu machen. Dazu werden wir etwa unser Beratungsangebot intensivieren. Etliche Interessierte sind z.B. unsicher, ob sie die Voraussetzung erfüllen, dass die zu fördernde Maßnahme mangels finanzieller Mittel sonst unterbleiben würde. Dabei kann das formlos erklärt werden. Daneben bearbeiten wir mit Hochdruck die bereits vorliegenden Anträge. 

Die Frankfurter Buchmesse steht nach dem Totalausfall 2020 erneut vor einem sehr unsicheren Jahr. War das ebenfalls ein Thema Ihres Gesprächs?
Hier konnte ich Frau Grütters noch einmal die dramatische Situation für ein Unternehmen schildern, das als einzige Einnahmequelle eine Buchmesse im Oktober hat, und wenn diese ausfällt, eben die komplette Einnahmeseite wegbricht. Im letzten Jahr konnte auf der „letzten Rille“ so gerade noch das Schlimmste vermieden werden. Das Jahr 2021 droht wegen der weiter unklaren Pandemiesituation erneut zu einem unkalkulierbaren Risiko für die Frankfurter Buchmesse zu werden. Frau Grütters versteht sehr genau, dass hier eine finanzielle Absicherung notwendig ist, um in diesem Jahr so investieren zu können, dass eine Messe möglich bleibt. 

Gibt es auch hier bereits konkrete Zusagen?
Die Staatsministerin sagte mir zu, die zwei Millionen aus dem letzten Jahr zur Reduzierung der Standmieten auf dieses Jahr zu übertragen. Diese zwei Millionen müssen auch tatsächlich zur Reduzierung genutzt werden. Sie sind bereits in den Planungen für die Standmieten bei der Frankfurter Buchmesse eingepreist. Darüber hinaus sagte Frau Grütters weitere fünf Millionen Euro zur Unterstützung der Frankfurter Buchmesse in diesem Jahr zu.