KI, Entwaldungsverordnung, Meldenummer: Außer dem Jugendwort des Jahres ("Aura") und dem Unwort des Jahres ("Ampel-Aus“" haben weitere Begriffe die Buchbranche im Jahr 2024 geprägt. Welches Wort war für Sie am wichtigsten?
Bei sämtlichen Branchentreffen des Jahres stand die Künstliche Intelligenz im Mittelpunkt – als Chance ebenso wie als Gefahr. Urheber und Kreative schlugen Alarm, Strategen und Planer erläuterten sinnvolle Anwendungsbereiche. Ohne Frage: Das Thema ist gekommen, um zu bleiben.
Die Initiative Urheberrecht befürchtet: „Menschliche Kreativität wird verdrängt werden“ . Agenturen geben sich selbstbewusst: KI kann menschliche Kreativität nicht ersetzen. Marktforscher polieren die Glaskugel: KI bietet Unterstützung bei Verkaufsprognosen. Ein Verlag ändert nach Protesten von Illustrator:innen ein Cover, auch Übersetzer:innen sind wütend über Übersetzungen für lau. Und was macht der Buchhandel? Einfach ausprobieren!
Ein Symposium in Darmstadt schaute in den Maschinenraum der Künstlichen Intelligenz und sammelte die besten Notwehr-Strategien für Urheber:innen - übrigens einer der meistgelesenen Artikel.
Was ist für den Handel schlimmer: Baustellen, Leerstände oder Corona? Was Buchhandlungen für lebendige Innenstädte und das kulturelle Klima in einer großen oder kleinen Stadt leisten, ist nicht zu unterschätzen. Eine beeindruckende Zwischenbilanz davon darf jährlich die Jury des Deutschen Buchhandlungspreises ziehen. Und das geschieht alles trotz der schwierigen Rahmenbedingungen. Das sagen Buchhändler:innen über ihr Umfeld: "Den Hauch des Ladensterbens im Nacken" und so versuchen sie es zu ändern: Adieu, Tristesse! - tolle Ideen.
Erst Papierbeschaffungskrise und dann Entwaldungsverordnung: Da drohte auch ein kultureller Kahlschlag. Die geforderten Nachweise in der Lieferkette zu erbringen, stellte Druckereien und Verlage vor unlösbare Aufgaben. Nun gibt es mehr Zeit für die Umsetzung: Anwendungsstart der EU-Entwaldungsverordnung um ein Jahr verschoben
Wurde 2024 eigentlich etwas billiger? Wenn alles teurer wird, muss irgendwo gespart werden. Aber warum ausgerechnet an der Kultur? Die Branche zeigt am Beispiel Berlin die Konsequenzen auf: "Ein kulturell verarmtes Berlin ist ein unattraktives Berlin" und zeigt anhand der Kürzungspläne für die Mittel für den Deutschen Literatur- und den Deutschen Übersetzerfonds auf: "Was ist unser Kapital?"
Um die Frage, wie Frieden zu erreichen sei, gibt es jede Menge Diskussionen. „Frieden ist nicht Abwesenheit vom Krieg; Friede ist eine Tugend, eine Geisteshaltung, eine Neigung zu Güte, Vertrauen, Gerechtigkeit.“ Das Zitat von Baruch de Spinoza (17. Jahrhundert), erlaubt es, Distanz zu aktuellen politischen Strategien zu nehmen. Seit 1949 zeichnet der Friedenspreis des Deutschen Buchhandels Menschen aus, die ganz unterschiedliche Wege gefunden haben, die Welt friedlicher zu machen, ihre Wege sind in den Biografien unter Friedenspreis des Deutschen Buchhandels nachzulesen.
Nun wird es seit einiger Zeit schwieriger. Der Friedenspreisträger von 2022, Serhij Zhadan, ist in der ukrainischen Nationalgarde tätig, er kümmert sich um militärisch-zivile Kommunikation. Das Schreiben falle ihm schwer, sagte er im Interview mit der „Zeit“ – was das für die ukrainische Gesellschaft bedeuten mag, die den Schriftsteller so sehr verehrt, kann man sich nicht wirklich vorstellen. Und die Historikerin Anne Applebaum, Friedenspreisträgerin 2024, schüttelte den Begriff Pazifismus durch: „Seit fast einem Jahrhundert wissen wir, dass der Ruf nach Pazifismus angesichts einer aggressiven Diktatur oft nichts anderes ist als Appeasement und Hinnahme dieser Diktatur.“ Was sie damit meint, lesen Sie in Applebaums Dankesrede nach.
Bücher werden bunter. Zur Gebrauchsgrafik auf dem Cover kommt nun die attraktive Gestaltung des Buchblocks – was vor allem bei jungen Leser:innen gut ankommt. Farbschnitt-Vorreiter Peter Haag (Kein & Aber) meint dagegen: "Viele Bücher wirken wie überdekorierte Christbäume". Wie Verlage und Druckereien mit dem Hype umgehen, lesen Sie in Der Farbschnitt greift um sich, Die Erstauflage zählt und "Für 2024 sehen wir eine Verdoppelung der Menge"
Neue Leser:innen! Neue Käufer:innen! Mit leichter Befremdung haben altgediente Branchenmenschen beobachtet, wie erfolgreich Bücher der Genres Romance / Romantasy in diesem Jahr geworden sind. Warum? "Hier wissen die Leser:innen, was sie kriegen und wollen auch genau das". Was bedeutet das für die Literaturszene, für die Literaturvermittlung, für den Handel? Volker Weidermann wagte den Selbsttest: Er machte mit in der Jury der #BooktTok-Awards und meint "Keine Angst sich zu blamieren". Die Frankfurter Buchmesse spendierte dem Trend eine eigene New-Adult-Halle. Das sagten die Aussteller über die Premiere: New Adult auf der Messe: Die Erfahrungen der Aussteller.
Eine „wunderbare, kreative Branche“ sei die Buchbranche (langjährige Buchmenschen können das nur bestätigen – nicht wahr 😉?), deswegen entscheiden sich junge Menschen für eine Tätigkeit in der Buchbranche. Young Professionals sehen für ihr Berufsleben allerdings neue Schwerpunkte: Arbeitseffizienz, KI und Work-Life-Balance. Das Zukunftsparlament, Ideenschmiede junger Branchenmenschen, sondierte Themen, die angegangen werden müssen. Und wie motiviert ein Verlag, der mit dem Gütesiegel Ausbildung ausgezeichnet wurde, die Auszubildenden? So: "Traut Euch, Eure Komfortzone zu verlassen"
Meldenummer 015 und Meldenummer 180: Sichtbarkeit und rasche Verfügbarkeit im Handel waren Top-Themen in diesem Jahr. Libri erläuterte die Besonderen Herausforderungen, die Kurt-Wolff-Stiftung erinnerte an die Möglichkeit der Direktbestellung beim Verlag. Sortimente kämpfen mit den Kosten ungewollter Kleinbeischlüsse: "Wir fühlen uns ausgeliefert, komplett ausgeliefert!" Welche Faktoren weitere Kosten produzieren, deckte die Logistikumfrage des Börsenvereins auf: Erschreckende Bestellstruktur
Hochgelobt und unterfinanziert: Unabhängige Verlage teilen ähnliche Sorgen und Glücksmomente. Das heitere Independent-Alphabet, entstanden nach einem Gespräch mit Verleger Dietrich zu Klampen, erläutert außer „Mischkalkulation, die“ auch „Gretchenfrage, die“.
Auch wenn der Deutsche Verlagspreis mit einer neuen Vergabestruktur mehr Preisgelder ausreichte, werden die Rufe nach einer strukturellen Verlagsförderung immer lauter und verzweifelter: "Verhindert das Sterben der unabhängigen Verlage". Bei der Feier zum Deutschen Verlagspreis (Feier des Unperfekten) kündigte Kulturstaatsministerin Claudia Roth an: Es soll eine Länder-AG geben, die die konkreten Möglichkeiten einer strukturellen Verlagsförderung konkret prüfen wird.“ Was wird 2025 für Indies bringen?
Paukenschlag zum Weihnachtsgeschäft: In der ersten Woche nach Erscheinen haben sich die Memoiren der Altbundeskanzlerin verkauft wie Bolle: über 200.000 Mal, bis kurz vor Weihnachten waren 600.000 Exemplare ausgeliefert. Unterstützt wurde durch Marketingmaßnahmen wie ein langes Gespräch mit Hazel Brugger, einen Auftritt bei Maybrit Illner, eine Lesung bei der Lit.cologne … Die Consumer-Insights geben Aufschluss über die Käufer:innen: Wer greift bei den Merkel-Memoiren zu?
