Mit Leseförderung zur Demokratiebildung

Susanne Lux: "Lesen ist die Grundlage von allem"

18. Oktober 2024
Matthias Glatthor

Die immens wichtige Rolle, die Lesen bei der gesellschaftlichen Teilhabe und zur Entwicklung von Empathie für andere spielt, diskutierte ein Podium im Forum Bildung auf der Frankfurter Buchmesse. Leseförderung als ein Mittel gegen anti-demokratische Ideen. Buchhändlerin Susanne Lux erzählte dabei aus ihrer Praxis.

Auf dem Podium (v.l.n.r.): Ein Sicherheitsmann, Susanne Lux, Jakob Springfeld, Maike Finnern und Bob Blume

"Ich fand es richtig toll", war am Ende aus einer Gruppe junger Frauen zu hören. 45 Minuten hatte das Podium mit Maike Finnern, Bundesvorsitzende der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW), Susanne Lux, Inhaberin der Buchhandlung Nimmerland in Mainz und Vorsitzende der IG Leseförderung, und Jakob Springfield, Autor von "Unter Nazis: Jung, ostdeutsch, gegen Rechts", am Freitagmittag im Forum Bildung auf der Frankfurter Buchmesse über das Thema "Mit Leseförderung zur Demokratiebildung" diskutiert. Die Moderation hatte Bob Blume (@netzlehrer) übernommen. Eine sehr gut besuchte Veranstaltung, vor allem mit jungen Leuten, von denen viele hinter den Sitzplätzen stehen mussten. 

Der Moderator, der auch Deutschlehrer ist, sagte es nicht durch die Blume, sondern direkt: "Warum zum Teufel, tun wir da so wenig." Gemeint war die frühkindliche Bildung. Dabei sei durch diese der "Return on Investment" am größten, was allseits bekannt sei. Maike Finnern stimmte zu, dass die politisch Verantwortlichen zu wenig täten, wies aber auch auf den "Wirrwarr an Zuständigkeiten der Finanzierung" hin. Es gebe viele strukturelle Defizite. In manchen Kommunen funktioniere es weniger gut, in anderen besser. "Nur, wenn wir laut werden, die Eltern jeden Samstag auf die Straße gehen, wird sich etwas ändern."

Dabei sei Leseförderung gerade in unseren stürmischen Zeiten, mit Rechtsruck im Osten, Kriegen und Klimakrise, um so wichtiger, sagte Bob Blume in der Anmoderation. Gegenüber ständen sich Kommunikation oder Gewalt. Dort, wo das eine ende, beginne das andere. Hier komme das Lesen ins Spiel. Und der demokratische Kompetenzausbau durch Lesen müsse sehr früh starten. 

Lesen schafft Empathie

Aus der Praxis ihrer Leseförderung erzählte die Buchhändlerin Susanne Lux. Da in ihre Buchhandlung Nimmerland sowieso meist bildungsaffine Eltern kommen, ist es ihr wichtig, in Kitas zu gehen. Dort könne man auf alle Eltern und Kinder einwirken. "In der Schule ist es fast schon zu spät." Die Kinder kämen dort bereits mit unterschiedlichen Voraussetzungen hin. "Daher sind Kitas und Erzieher so wichtig". In der Ausbildung zum Erzieher würden Bücher kaum auf dem Programm stehen. Dabei gebe es Bücher für jedes Thema (das Kinder beschäftigt). 

Die Buchhandlung lädt etwa Erzieherinnen und Erzieher ein, bietet Zoom-Abende für sie an. Lesen sei nicht einfach nur eine Kulturtechnik, so Lux, sondern: "Lesen ist die Grundlage von allem." Am wichtigsten sei die Entwicklung von Empathie, die man beim Lesen lerne. Man leide mit den Figuren mit, man freue sich mit ihnen. Lux, die auch Vorsitzende der IG Leseförderung ist, nannte Aktionen des Börsenvereins wie die Lesetüte oder das Gütessiegel Kita

Wäre eine strukturpolitische Maßnahme, wie feste Lesezeiten an Schulen, eine gute Idee, wollte Blume wissen. Maike Finnern bejahte, dass Lesen wieder eine andere Bedeutung an (Grund)schulen bekommen müsse. Bei der Lektüre, fügte Susanne Lux jedoch an, sollten sich Lehrer beraten lassen: "Es ist so wichtig, moderne Literatur zu lesen." Der Aktualitätsbezug müsse Leitlinie sein, stimmte auch Blume zu. Leselust zu wecken sei ein grundlegender Auftrag von Schule, betonte Lux: "einfach schöne Texte müssen mit Kindern gelesen werden." Dafür erntete sie viel Beifall.

"Den Kids kann man viel zutrauen"

Als weiteren Aspekt der Runde brachte Jakob Springfeld seine Erfahrungen mit Lesungen seines Buchs "Unter Nazis: Jung ostdeutsch, gegen Rechts" in Schulen ein. Es sei ein Irrglaube, damit strukturelle Defizite lösen zu können. Aber es entstünden interessante Kontakte, die sich weiterentwickeln ließen. Im Buch schreibe er auch über seine Angst, so Blume, warum? Das sei wichtig und unterscheide uns von undemokratischen, rückwärtsgewandten Kräften. Wie sieht es aber mit dem Neutralitätsgebot an Schulen aus? Die Schule sei nicht neutral, meinte hier Maike Finnern, sondern sei ein Ort der Demokratie. Pro und Contra müsse man allerdings beim Unterreicht beachten. 

Springfeld sagte, er sei immer wieder überrascht, "wie viel man den Kids zutrauen kann". So entstünden auch in 'schwierigen' Regionen ernsthafte Gespräche. Zum Thema steuerte Blume eine weitere Buchempfehlung ein: "Machtübernahme" von Arne Semsrott. Er gehe darin auf jeden gesellschaftlichen Bereich ein, skizziere, was jeder gegen antidemokratische Positionen tu könne.