Übergabe

"Ein Recht auf Rente"

10. April 2025
Jona Piatkowski

Martina Bollinger verabschiedet sich nach 20 Jahren von ihren gleichnamigen Buchhandlungen in Oberursel – in Bad Homburg aber bleibt sie der 122 Jahre alten Buchhandlung F. Supp erhalten.

Antonia Stock und Martina Bollinger bei der Feier zur Übergabe der Buchhandlung Bollinger in Oberursel

Antonia Stock (l.) und Martina Bollinger bei der Feier zur Übergabe der Buchhandlung Bollinger in Oberursel

In der frühlingshaften Fußgängerzone spielt jemand Geige. Die Sonne scheint, es ist Markttag. Und noch immer ziert der schwungvolle, aus den 60er Jahren stammende Schriftzug "Supp" die Fassade des Hauses Louisenstraße 83a in Bad Homburg. Noch immer handelt man dort mit Büchern – so, wie es der Wunsch des letzten Namensträgers in seinem Testament war.

Die Türglocke klingelt, freundlich hält man sich beim regen Ein- und Ausgehen die Tür auf. Die Inhaberin, Martina Bollinger, sei gleich da, sie habe eben noch im Keller zu tun.

Am 1. April hat Bollinger ihre zwei Buchläden im Nachbarort Oberursel – "Bollinger Bücherwelt im Camp King" und "Bollinger Bücherwelt mit Herz" in der Klinik Hohe Mark – an Antonia Stock übergeben. 20 Jahre zuvor hatte Bollinger die Eröffnung mit vielen der Menschen, die nun zur Feier der Übergabe ebenfalls anwesend waren, und mit Literaturpapst Reich-Ranicki persönlich zelebriert.

Martina Bollinger vor der historischen Bilderwand in der Buchhandlung Supp in Bad Homburg

Lange Geschichte: Martina Bollinger vor der Fotowand, die die Geschichte der Buchhandlung Supp zeigt - von 1903 bis heute

Letzter Wille

Heute trägt Martina Bollinger grün, wie die Farbe des Bildbandes mit dem vertrauten Supp-Schriftzug darauf, der die Renovierung von 2017 dokumentiert, als sie den Laden von Franz Ferdinand Supp, Jahrgang 1926, kaufte. Alte Fotos zeigen ihn noch als kleinen Jungen, spätere Aufnahmen die Räumlichkeiten unter Günter und Liselotte Lang, die 1995 übernommen hatten.

"Drei Buchhandlungen machen sehr viel Arbeit. Ich bin jetzt 66", sagt Bollinger und hebt die Augenbrauen. "Irgendwann hat man das Recht, in Rente zu gehen." Noch möchte sie dieses Recht jedoch nicht voll und ganz wahrnehmen. Es gebe derzeit keinerlei konkrete Gedanken daran, auch "F. Supp’s Buchhandlung – Lesen mit Bollinger" zu übergeben.

Fast könnte die Geschichte aus einem der Romane im Regal hinter ihr stammen: "Die Supp-Dynastie bestand aus Generationen an Bibliothekaren und Buchhändlern, die auch hier gewohnt haben. Und der letzte von ihnen, Franz Ferdinand, hat in seinem Testament festgehalten, dass es in diesem Haus immer eine Buchhandlung mit dem Namen Supp geben soll." Bollinger lächelt, ihr Blick ist durchdringend. Sie habe das Glück gehabt, Herrn Supp, damals im stolzen Alter von 91 Jahren, noch persönlich kennengelernt zu haben. Heute wohnt sie selbst in der Wohnung über dem Laden – sie nickt in Richtung eines Bücherregals zwischen dessen Brettern eine Türklinke hervorlugt. "Wenn, dann würde ich das Geschäft nur jemandem überlassen, der genauso denkt."

Eine Torte zum 20. Jubiläum in Form eines aufgeschlagenen Buches - darauf zu sehen Bild und Name der Buchhandlung Bollinger in Oberursel.

Zum 20. Jubiläum eine Torte: unter den Gästen der Feier waren Lothar Wekel, Vorsitzender des Landesverband Hessen, Rheinland-Pfalz und Saarland des Börsenvereins und der ehemalige Oberurseler Bürgermeister Hans-Georg Brum.

Eine liebevolle Chefin

Vielleicht an jemanden wie Antonia Stock – mit ihr habe für die "Buchhandlung Bollinger" in Oberursel einfach alles gepasst. Stock ist bereits Inhaberin der "Buchhandlung Libra", ebenfalls in Oberursel. Als Bollinger Stock spontan darauf angesprochen hatte, gefiel die Idee beiden. "In erster Linie wollte ich meine Buchhandlung an einen Menschen übergeben, der Bücher so sehr liebt wie ich." Der Verkauf an eine große Kette sei abseits von entfernten Gedankenspielen keine Option gewesen.

Das Geschäft in Oberursel behält den Namen "Buchhandlung Bollinger", auch die Mitarbeiterinnen sind dieselben: "Die Kolleginnen haben oft zwischen den Läden hin und her getauscht – es ist ein sehr kooperatives Klima. Das Team ist so liebevoll bei der Sache und hat immer in meinem Sinne, im Sinne der Kund:innen – für mich sind es Gäste – und im Sinne des Ladens gearbeitet. Deshalb war mir wichtig, eine genauso liebevolle Chefin für alle zu finden." Bollinger ist jetzt geschäftlich nicht mehr in Oberursel involviert, aber in der Übergangsphase wird sie selbstverständlich unterstützend zur Verfügung stehen.