Im auch schon wieder drei Monate alten 2024 hatte Lisa Mensing bislang, so gesteht sie, "drei freie Tage". Mensing, 1989 geboren, studierte Interdisziplinäre Niederlandistik und Literarisches Übersetzen in Münster und Utrecht. Heute übersetzt sie Prosa, Theaterstücke und Poesie aus dem Niederländischen. Darüber hinaus arbeitet sie als Literaturwissenschaftlerin an der Universität Münster, wo sie sich vor allem übersetzungsrelevanten Themen widmet und Kurse für den Niederlandistik-Nachwuchs gibt. Ein Berufsprofil, mit dem man Im Jahr des Gastlandauftritts der Niederlande und Flanderns einiges reißen kann – wenn man Steher-Qualitäten mitbringt. Die letzten anderthalb Jahre hat Lisa Mensing enorm viel gearbeitet – und auch der tägliche Workshop zu Fragen der Übersetzung, den sie während der Leipziger Buchmesse anbietet, stößt auf großes Interesse. Dennoch denkt sie häufig darüber nach, welche Möglichkeiten es gäbe, ihre Arbeit und die ihrer Kolleginnen sichtbarer zu machen. Dabei ist sie zu einem Schluss gekommen, den sie in einem klaren Satz zusammenfasst: "Es gibt viel Luft nach oben!"
Gute Karten hat man als Übersetzerin, wenn man sich mit 'seiner' Autorin die Bälle quasi zuspielen kann. Mit Gaea Schoeters, deren Roman "Trofee", 2020 bei Querido erschienen und eben unter dem Titel "Trophäe" bei Zsolnay auf Deutsch herausgekommen ist, hat Lisa Mensing unheimliches Glück: Nicht nur gehört das Buch, in dem Spannung und Gesellschaftskritik einmal Hand in Hand funktionieren, zu den bisher meistwahrgenommenen Titeln des Gastland-Jahrs. "Gaea sorgt dafür, dass mein Name immer mitgenannt wird. Wir treten oft als Duo auf!" Merke: Übersetzerinnen sind nicht nur Experten des Buchs, sondern, ja: "Kulturvermittler". Viele Texte werden durch sie an Verlage vermittelt. Sie lediglich als "Produktionsmittel" zu verstehen, springt zu kurz. Eine Grundforderung, die auch Mensing energisch vertritt: Der Name der Übersetzerin, des Übersetzers gehört eigentlich aufs Cover! Die Realität sieht nur allzu oft anders aus: Von den vier Büchern, die Lisa Mensing zum Gaszlandjahr übersetzt hat, trägt nur eines ihren Namen auf der U 1 – kein Zufall, dass es sich um den Indie-Verlag Maro handelt.
Wenn sich Kritikerinnen und Kritiker zur Qualität der Übersetzung äußern, bleibt es häufig beim guten Willen, der sich in der phrasenschweinbewehrten Floskel "kongenial" Raum bricht. Lisa Mensing ist überzeugt, dass sich Know-how an die Kritikerzunft vermitteln lässt. Als Redakteurin von TraLaLit, dem Magazin für übersetzte Literatur betreibt sie regelmäßig "Übersetzungs-Kritik"; in Workshops vermittelt sie, wie man die Qualität einer Übersetzung einordnen kann, ohne notwendig den Original-Text zu kennen. Stimmt der Rhythmus? Das Register? "Es geht häufig um Sachen auf der Stil- und Struktur-Ebene", sagt Mensing. "Wenn es sich gut liest, ist wahrscheinlich auch die Übersetzung gut." Bleibt die Forderung nach fairen Honoraren. Mensing erhält bei Prosa oft zwischen 18 und 22 Euro pro Normseite, Kinder- und Jugendbuch-Übersetzerinnen würden deutlich schlechter entlohnt. Auch hier gilt: "Indie-Verlage setzen häufig die fairsten Verträge auf."
In der Übersetzung von Lisa Mensing liegen derzeit etwa Gaea Schoeters gefeierter Roman "Trophäe" (Zsolnay) oder Caro Van Thuynes Roman "Birkenschwester" (Maro) vor.
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