Fokus Aktivreisen und Wandern

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15. September 2021
Redaktion Börsenblatt

Die Parkplätze sind voll, die vielgerühmte Einsamkeit der Berge suchen Wanderer häufig vergeblich. Seit dem ersten Corona-Sommer 2020 suchen immer mehr Menschen die nah gelegenen Ziele auf. Andreas Kaiser, stellvertretender Leiter Kultur des Deutschen Alpenvereins und Leiter der in München angesiedelten Bibliothek des Alpenvereins, über die Literatur zum Trend.

Was ist die Alpinbibliothek? 
1902 wurde die Bibliothek als ‚Zentralbibliothek des Deutschen und Österreichischen Alpenvereins‘ gegründet. Inzwischen halten wir mehr als 70.000 Medieneinheiten vor – in allen Ausgabeformen – und sind damit die größte Alpinbibliothek der Welt.

Welche Sammelgebiete pflegen Sie mit ihrem Team?  
Wir sammeln Publikationen zu Alpinismus und Bergsteigen im engeren und weiteren Sinn: Berg-, Wander- und Kletterführer, Spezialführer, literarische Werke zum Bergsteigen und den Bergen, Touristik und Reiseliteratur. Zu unserem Sammelauftrag gehört auch das Beschaffen von wissenschaftlicher Literatur aus den Fachgebieten Geologie und Geographie, Meteorologie und Glaziologie. Der Schwerpunkt liegt auf den Alpen, Literatur zu anderen Hochgebirgen nur in Auswahl, Mittelgebirge kommen nur am Rande vor.

Wir nehmen fast alle deutschsprachigen Titel dieser Themengebiete auf, dazu viele englischsprachige. Dabei gehen wir auch in die Historie zurück – beispielsweise arbeiten wir mit dem Rother Bergverlag zusammen, um einige der frühen, vergriffenen Publikationen aus den mehr als 100 Verlagsjahren zu digitalisieren.

Welche Trends zeichnen sich bei den aktuellen Publikationen ab?
Zum einen gibt es immer mehr Angebote für immer speziellere Zielgruppen (Wandern mit Kindern, mit Kinderwagen, usw.); zum anderen finden sich allgemeine Trends wie Nachhaltigkeit, Achtsamkeit, Langsamkeit auch in der Bergwanderführer-Literatur wieder. Viele Titel greifen dabei klassische Routen auf, die unter solchen Stichwörtern neu aufbereitet werden. Die Konzentration auf die Familie seit Beginn der Corona-Pandemie ist auch deutlich zu erkennen, mehr Titel werden auf Kinder zugeschnitten. Und es gibt mehr Titel, die einfach zu einem „Frischluft-Kick“ führen, weniger zu großen Touren anleiten.

Wer sind die Nutzer*innen der Bibliothek?  
Als nur vom DAV getragene Einrichtung sind wir im engeren Sinn Spezialbibliothek für alle DAV-Mitglieder, Sektionen und Gremien. Zusammen mit dem DAV Archiv sind wir Archivbibliothek und Gedächtnis des Vereins. Als wissenschaftliche Bibliothek steht die Sammlung Forschenden, Studierenden, Schüler*innen - aus Deutschland und weltweit - für die Recherche zu alpinen Themen zur Verfügung.

Die Bibliothek ist auch kulturell aktiv: Wir veranstalten Lesungen, Diskussionsforen und Vorträge zu Ausstellungen des Hauses oder Projekten des DAV. Literarische Lesungen und Buchvorstellungen alpiner Titel führen wir teilweise in Kooperation mit Partnern wie dem Literaturhaus München oder mit Buchhandlungen durch. Highlights der letzten zehn Jahre waren Lesungen von Christoph Ransmayr und von Ilija Trojanow, auch die Aufführung einer szenischen Lesung eines Stücks von Elfriede Jelinek durch die Münchner Kammerspiele.

Es gibt mehr Titel, die einfach zu einem „Frischluft-Kick“ führen, weniger zu großen Touren anleiten.

Andreas Kaiser

Die Bibliothek wird bis Mitte 2023 umgebaut. Was soll entstehen?
Es wird auch zukünftig einen wissenschaftlichen Lesesaal geben, aber vor allem soll es ein niedrigschwelliges Angebot für die Nutzung vor Ort geben. Wir ziehen ins Erdgeschoss des Alpinen Museums, es gibt dann eine Verbindung zum Café. Die Leselounge ist für alle Menschen offen, der Freihandbestand ist für alle zugänglich. Die Bibliothek soll sich damit als Dritter Ort etablieren.

An welchen Neuerwerbungen des Jahres 2021 haben Sie Freude und werden sie Ihren Nutzern ans Herz legen?
Wir sammeln während des Umbaus weiter. In diesem Jahr kamen neben vielen weiteren Titeln hinzu:

  • „Durch den wilden Kaukasus“ (Galiani) von Kat Menschik: Das ist einfach wunderschön illustriert!
  • In dem ebenfalls ganz beeindruckenden Buch „Die gleißenden Gipfel. Malerei zwischen Mythos und Moderne“ (Wienand) von Barbara Alms geht es um die Berge als Motiv in der Malerei, als Sehnsuchtsort und Motiv von Malern, Schriftstellern, Philosophen. 
  • Tyrolia hat das opulent bebilderte Tourenbuch „Austria alpin. Große Gipfel in Österreich“ von 2012 aktualisiert und in einer komplett überarbeiteten Neuausgabe wieder aufgelegt.
  • Zwei farbenfroh und fantasievoll illustrierte Berg-Bilderbücher zum gemeinsamen Entdecken für Kinder (und ihre Eltern):
    • „Berg. Ein Tag mit Papa“ von Pete Oswald in der deutschen Erstausgabe (Hacht Verlag).
    • „Der Berg“ von Rebecca Gugger und Simon Röthlisberger (NordSüd).
  • Und für den Lesespaß: Bergkrimis, z.B. aus dem Rother Verlag.

 

Träger der Bibliothek ist der 1869 gegründete Deutsche Alpenverein (DAV), in dem mehr als 1,3 Millionen Mitglieder organisiert sind (Stand Ende 2020). Dessen 357 regionale Vereine, sogenannten „Sektionen“, verteilen sich über das gesamte Bundesgebiet. Im Jahr 2020 hatte der DAV einen Mitgliederzuwachs von 2,53 Prozent – viel im Vergleich zu vielen Sportvereinen, die unter Mitgliederschwund litten.

Mehr über Outdoor-Bücher erfahren Sie im Börsenblatt 37, das am 16. September erscheint. Im Fokus Aktivurlaub und Wandern geht es ums Draußensein in vielen Formen: mit Buchtipps für einen aktiven Herbst.