Deutschlandstudie Innenstadt

"Der Osten kennt den Westen besser als umgekehrt"

7. April 2025
Redaktion Börsenblatt

Eine Sonderauswertung der Deutschlandstudie Innenstadt des Handelsverband Deutschland zeigt markante Unterschiede zwischen Ost und West auf. Auffällig ist, dass ostdeutsche Städte für Westdeutsche nach wie vor ein blinder Fleck zu sein scheinen. Gemeinsam ist beiden Landesteilen, dass Einkaufen Besuchsgrund Nummer eins für Innenstädte ist.

"Eine lebendige Innenstadt ohne attraktiven Einzelhandel gibt es nicht. Der Handel kann es aber auch nicht alleine retten, die richtige Mischung ist gefragt. Die Menschen suchen heutzutage immer mehr das Erlebnis und nicht mehr den reinen Versorgungseinkauf“, so der Hauptgeschäftsführer des Handelsverbandes Deutschland, Stefan Genth, in einer Mitteilung. In der aktuellen Sonderauswertung der Deutschlandstudie wird sichtbar,

  • dass knapp 70 Prozent der Westdeutschen ihre Innenstädte zum Einkaufen aufsuchen,
  • in Ostdeutschland liegt dieser Wert bei 62 Prozent.

In beiden Landesteilen ist der Einkauf damit der Besuchsgrund Nummer eins.

Aber: Im Osten besuchen mehr als 18 Prozent täglich die City, im Westen nur zehn Prozent. Woran das liegt, erklärt Susann Liepe, Vizepräsidentin des City-Management-Verband Ost (CMVO): "Wir haben in den Stadtzentren der ostdeutschen Bundesländer eine ausgewogenere Mischung als im Westen, das bringt mehr Menschen in die Innenstädte. Im Osten sind mehr öffentliche Einrichtungen, Arbeitsplätze, Bildungsinstitutionen und Dienstleistungen in den Zentren angesiedelt."

Höherer Handlungsbedarf in Westdeutschland

Markante Unterschiede zwischen Ost und West gibt es auch bei den Einschätzungen der Bevölkerung zum Handlungsbedarf vor Ort. So sehen Westdeutsche in ihren Stadtzentren einen höheren Investitionsbedarf als die Menschen in den ostdeutschen Bundesländern. Für die hohe Wahrnehmung von Defiziten in der Stadtgestaltung im Westen bieten sich hier als Erklärung die nach der Wende vielfach aufwändigen Sanierungen im Osten an. Ein ähnliches Programm hat es im Westen nie gegeben.

"Wir brauchen vielerorts dringend Sanierungsprogramme für mehr Aufenthaltsqualität und attraktiven Städtebau. Deshalb sollten die jährlichen Bundesmittel für die Städtebauförderung verdoppelt werden. Jeder Euro davon ist gut investiertes Geld, da jeder geförderte Euro private Investitionen von durchschnittlich acht Euro auslöst. Zudem braucht es Sonderabschreibungen für Investitionen in die Innenstädte. Das hat bei der damaligen Vitalisierung der ostdeutschen Stadtzentren zu erheblichen privaten Investitionen geführt. Je eher desto besser – denn Erhaltung ist fast immer einfacher und sinnvoller als Neubau", so Genth. Mehr als 41 Prozent der Westdeutschen sehen einen wichtigen Handlungsbedarf bei Stadtbild und Aufenthaltsqualität, im Osten liegt dieser Wert bei 36 Prozent.

"Viele Westdeutsche haben den Osten noch nicht für sich entdeckt"

Große Differenzen zwischen Ost und West zeigen sich laut Studie bei der Bewertung der einzelnen Innenstädte in Deutschland. Während die Westdeutschen unter den zehn attraktivsten Stadtzentren des Landes nur westdeutsche Destinationen nennen, fällt die Rangliste bei den Ostdeutschen deutlich gemischter aus. Für Westdeutsche liegen München, Hamburg und Köln ganz vorne, für die Ostdeutschen Berlin, Dresden und Leipzig. Hier folgen aber auf den Plätzen dann Hamburg, München und auf den Rängen acht und zehn dann Köln sowie Frankfurt am Main. "Es scheint so, als ob viele Westdeutsche auch fast 35 Jahre nach der Wende den Osten noch nicht für sich entdeckt haben. Der Osten kennt den Westen besser als umgekehrt. Es wäre schön, wenn West und Ost ein gleich hohes Interesse füreinander hätten", so Liepe.

Für die Deutschlandstudie Innenstadt wurden repräsentativ über 5000 Bundesbürger im Juni und Juli 2024 befragt. Die aktuelle Ost-West-Sonderauswertung wurde im Auftrag des City-Management-Verband Ost und in Kooperation mit dem Handelsverband Deutschland von der CIMA Beratung+Management GmbH erstellt.

Grafiken und weitere Infos der Studie zum Download: hier