Gastland-Serie: Auf einen Cider mit … Maja Lunde

"In Leipzig hat für mich alles begonnen"

27. März 2025
Nicola Bardola

Nicola Bardola trifft auf der Leipziger Buchmesse Autorinnen und Autoren sowie Branchenprofis des Gastlands Norwegen für Kurzinterviews. Den Auftakt der Börsenblatt-Serie macht Maja Lunde. Es geht um ihren neuen Roman, mutig sein und ihre Verbindung zu Leipzig.

Maja Lunde im Gewandhaus, nach der Eröffnungsfeier der Leipziger Buchmesse 2025

"Das war ein wundervoller Abend mit sehr kraftvollen Statements. Diese Eröffnung und die Preisverleihung waren auch sehr politisch, und ich glaube, dass wir in diesen schwierigen Zeiten solche offenen und starken Meinungsäußerungen brauchen", sagt Maja Lunde im Gewandhaus unmittelbar nach dem Festakt. Die Themen der verschiedenen Reden wirken noch nach: Burkhard Jungs (Oberbürgermeister der Stadt Leipzig) Hinweis auf die sedierende Wirkung von Büchern auf Donald Trump, Claudia Roths (Staatsministerin für Kultur und Medien) Aufruf zur Fortsetzung der KulturPass-Initiative oder Alhierd Bacharevičs (Preisträger des Buchpreises zur Europäischen Verständigung) prosaische Definition der deutschen Sprache – sie sei "ein bitterer Rettich, der sich einmal als Genie und Übermensch verstanden hat und sich jetzt krampfhaft abstrampelt, wieder normal zu erscheinen".

Mit den Mitteln der Literatur

In ihrer Eröffnungsrede im Gewandhaus empfahl die norwegische Ministerin für Kultur und Gleichstellung Lubna Jaffery einen Besuch von Jon Fosses Stück "Traum im Herbst" im Nationaltheater in Oslo und kam so auf existentielle Themen zu sprechen: "Da wir gerade von Zeit reden: Die norwegische Autorin Maja Lunde erkundet, was passieren könnte, wenn wir endlos viel Zeit zur Verfügung hätten. Was geschieht, wenn die Zeit auf einmal stillsteht?  Was, wenn niemand mehr stirbt, niemand mehr geboren wird? Werden wir uns verzweifelt danach sehnen, dass unsere Zeit abläuft?"

Maja Lundes Roman "Für immer" (btb) ist omnipräsent in Leipzig. Nach ihrem Klimaquartett ist ihr erneut ein Bestseller gelungen, den sie viel spielerischer und unbefangener schreiben konnte als "Die Geschichte der Bienen" und den drei Nachfolgebänden: "Ich musste längst nicht so viel recherchieren, konnte mich stattdessen stärker auf das Fiktionale konzentrieren." Aber wie kann ihr Gedankenexperiment zur Vergänglichkeit zu mehr Umweltschutz beitragen? Reicht denn noch das Mittel der Literatur?

"Wir müssen unsere Mentalität ändern!"

"Wenn ich Prosa schreibe, denke ich nicht so sehr an die Leser:innen. Ich konzentriere mich auf meine Geschichte, auf meine Figuren. Und ich versuche aufrichtig zu sein und den Charakteren gerecht zu werden. Prosa stellt Fragen, während politische Reden Antworten geben. Ich glaube, dass fiktionales Erzählen keine Grenzen kennt. Es kommt von woanders her. Das ist auch der Grund, warum ich nie an eine Botschaft denke, wenn ich schreibe. Meine Bücher können auf viele verschiedene Arten gelesen werden", erklärt Lunde. Die Bücher müssten durch eine besondere Achtsamkeit in der Gesellschaft ergänzt werden.

"Wir brauchen mutigere Politiker. Sie müssen mit derselben Dringlichkeit über die bedrohte Natur sprechen, wie sie beispielsweise über Covid-19 oder über den Krieg sprechen. Aber nicht nur die Politik muss sich ändern. Wir alle müssen mutiger werden. Denn wir alle sind verantwortlich und wir alle können etwas unternehmen. Jede und jeder muss sich fragen: 'Was kann ich in meiner Lage tun, damit ich Teil der Lösung bin und nicht Teil des Problems.' Wir müssen unsere Mentalität ändern!", so Lunde zur Einstellung der Menschen zur Natur. Denn "Für immer" lässt sich auch als Reaktion der Umwelt auf das Fehlverhalten der Menschen lesen.

"In Leipzig hat für mich alles begonnen."

Deutschland sei historisch gesehen ein sehr wichtiges Land für Norwegen, wenn es um Kultur gehe, aber Deutschland sei auch für sie ganz persönlich und für ihr literarisches Wirken wichtig. "Für mich ist Leipzig ein ganz besonderer Ort. Mein allererster Besuch in Deutschland war Leipzig. Das war 2017 hier auf der Messe, und zwar noch bevor die Bienen auf der Bestsellerliste waren. Irgendwie hat in Leipzig für mich alles begonnen. Das war der Beginn, der Kickstart für mein Abenteuer mit meinen Romanen."