Im Wortlaut heißt es:
Peter Bichsel ist tot. Er starb am vergangenen Samstag, wenige Tage vor seinem 90. Geburtstag, in Zuchwil. Seine literarischen Verdienste sind groß und werden dieser Tage allerorts gewürdigt. Bergen-Enkheim, wo Peter Bichsel 1981/82 als achter Stadtschreiber "ein Jahr lang unter Leuten" lebte, wie er in seiner Abschiedsrede sagte, verneigt sich vor ihm.
Bergen-Enkheim verdankt Peter Bichsel viel. Man könnte ihn als "Stadtschreiber per se" bezeichnen. Er wird noch lange im Gedächtnis der "Leute" vor Ort bleiben, denn er war präsent – nicht nur im Jahr seiner Amtszeit, wo man ihn bei Veranstaltungen erleben, ihm aber auch in den Kneipen, auf der Straße begegnen konnte: Ein Dichter, der sich mit den "Leuten" anfreundete. Dichtung, die für "Leute" erfahrbar wurde. In den Jahrzehnten danach tauchte Peter Bichsel regelmäßig in Bergen-Enkheim auf. Er reiste bis weit in die 2010-er Jahre zu den Stadtschreiberfesten an, oft gemeinsam mit seinem Schweizer Stadtschreiberkollegen Jörg Steiner, und wurde dort vom Festzeltpublikum als erkennbar besonders geliebter Stadtschreiber und langjähriger Juror (2003–2009) immer mit großem Applaus begrüßt. Er hielt hier viele Lesungen – zuletzt 2017, 82-jährig, in der überfüllten Buchhandlung "Bergen erlesen". Sein besonderer Bichsel-Ton, der genaue Blick, der seine Literatur auszeichnet, die scheinbare Lakonie, der Schweizer Schalk, das große Herz für den Alltag der "Leute" und dessen Absurditäten, der Spaß am Switchen zwischen real und surreal, die Bekenntnisse zur Demokratie in seinen Kolumnen – all das hat sich den Bergen-Enkheimer*innen bei diesen Lesungen eingeprägt.
Bichsel war der erste Schweizer, ja gar der erste "Ausländer", dem das Amt des Stadtschreibers von den Bergen-Enkheimern anvertraut wurde. Franz-Josef Schneider, der Mitbegründer des Preises, kannte Bichsel von seinen Treffen mit der Gruppe 47 her – und als Bichsel dann ins Stadtschreiberhäuschen einzog, intensivierte sich die Freundschaft zur Bergener Familie Schneider. Tochter Adrienne Schneider, die lange Jahre bei Suhrkamp Bichsels Lesereisen organisierte, hat mehrere Sammlungen von Bichsel-Geschichten im Insel-Verlag herausgegeben.
"Verwöhnt euren Gast nicht allzusehr! Wir wollen Peter wieder zurück. Nämlich wir brauchen ihn", rief kein Geringerer als Max Frisch dem Zeltpublikum bei der Amtseinführung von Peter Bichsel 1981 zu. Im Jahr drauf verabschiedete sich Bichsel mit den Worten "ich habe sentimentalere Gefühle für Bergen-Enkheim als für Paris" und "ich habe mich bei euch frei gefühlt". Komplimente, für die man in Bergen-Enkheim noch lange dankbar sein wird.