„Family Business“
Alles auf Anfang: Der vor Jahresfrist gegründete Kanon Verlag feierte die ersten Bücher und sich selbst mit einem rauschenden Gartenfest.
Alles auf Anfang: Der vor Jahresfrist gegründete Kanon Verlag feierte die ersten Bücher und sich selbst mit einem rauschenden Gartenfest.
Kanon, der Verlag mit dem turnenden Affen als Signet, hat, ein Jahr nach der Gründung, zum Sommerfest eingeladen: In der ruhigen Nebenstraße in Steglitz, die nach Otto Nicolai, dem Komponisten der „Lustigen Weiber von Windsor“, benannt ist, steht unter alten Bäumen das von zwei Familien bewohnte Backsteinhaus, das während der Pandemie „Architekturbüro, Universität, Schule, Wahlkampfzentrale, Wohnhaus“ und eben Verlagssitz wurde. „In einer Zeit, wo sowieso alle zuhause sind, fühlt sich das richtig an“, so Verleger Gunnar Cynybulk. Dennoch soll es nicht so bleiben – Kanon sucht Büroräume („Schöneberg, Mitte, Kreuzberg, nicht mehr als neun Euro kalt“), wie der Verleger von der zur Bühne umfunktionierten Gartenterrasse arg hoffnungsvoll streute. Doch nachdem an diesem Wochenende die Berliner Buchhandlung „Kisch & Co.“ wundersam Rettung meldete, wird vielleicht auch Kanon fündig?
„Ich hatte ein tolles Leben – bis mein Vater seinen eigenen Laden aufmachte“, soll einer der Verlegersöhne gestöhnt haben. Ist dem zu trauen? Am Abend schmissen die beiden Jungs die Bar, und selbst Familienhund Molly wirkte, tiefenentspannt, so, als sei er abgestellt, für gute Laune zu sorgen. Kanon ist family business, das wurde Cynybulk nicht müde zu betonen. Keines von der Art, wie es einer seiner Lieblingsautoren, Mario Puzo, in „The Godfather“ beschreibt, Cynybulk ist ja kein Pate – aber für seine erweiterte Familie, allen voran die Autorinnen und Autoren, die „Trostlosigkeit aufheben und Schärfe und Schönheit ins Leben bringen“ wollen, würde er wohl durch dick und dünn gehen. „Wer ernsthaft verlegt, sagt nein zum Nicht-Integren, zum Kitsch, zum Banalen, zum Brutalen und zum Weinerlichen.“
Wer ernsthaft verlegt, sagt nein zum Nicht-Integren, zum Kitsch, zum Banalen, zum Brutalen und zum Weinerlichen.
Gunnar Cynybulk
An diesem punktgenau getroffenen lauschigen Sommerabend waren sie alle da, geimpft, genesen, getestet und in Feierlaune: Die Autorinnen des ersten Programms, von der aus London eingeflogenen Katharina Volckmer („Der Termin“) bis zur in Berlin lebenden Amerikanerin Kirsty Bell („Gezeiten der Stadt“), ebenso wie die Schöpfer künftiger Programme aus Eisenach, Leipzig und Berlin. Dazu die Kanon-Gesellschafter, die „Kanonisten und Kanonistas“ – und schließlich all jene, die den Büchern auf die Welt und zu den Lesern verhelfen: Lena Renold (Rund ums Buch), die in Rekordzeit eine Vertretermannschaft aufgestellt hat, Gestalterin Anke Fesel, Typograf Marco Stölk, Hersteller Daniel Klotz (Die Lettertypen) – oder Ludwig Lohmann, „unser erster fester Verlagsmitarbeiter“, der „von Anfang an mit 12 Bällen jongliert hat“. Einen Extra-Tusch schenkte Cynybulk den Agentinnen, die „mir und Kanon ihr Vertrauen, wenn nicht geschenkt, so doch gegeben haben“.
Eine famose Idee, bei diesem Fest des Anfangs pars pro toto auf zwei Bücher besonders aufmerksam zu machen: „Deadline“, das verschollene Debüt des Bestsellerautors Bov Bjergs – und „Steine schmeißen“, der Erstling der 24-jährigen Sophia Fritz. Bevor „Auerhaus“ sechsstellig durch die Decke ging, hatte Bjerg 2008 nahezu unbemerkt mit einem schmalen Roman beim Mitteldeutschen Verlag debütiert, das Gros der 750er Auflage wurde damals beim LKG-Lagerbrand vernichtet. Nun erscheint die Geschichte erstmals für ein großes Publikum. Der jungen Sophia Fritz ist mit ihrem ersten Roman ein literarisches Silvesterfeuerwerk gelungen, das nicht in Hochregallagern verstauben wird. Nach viel Text gab es Klezmer-Punk von Di grine Kuzine, so mitreißend, dass es die Thujen im beschaulichen Steglitzer Komponistenviertel ordentlich auf links drehte. Wenn diesem Anfang kein Zauber innewohnt, ist uns nicht mehr zu helfen.