Gastspiel von Markus Klose

In diesem Sinne: Prost!

19. Oktober 2023
Markus Klose

Markus Klose hat einen Rheingauer Winzer getroffen und mit ihm etliche Ähnlichkeiten zwischen Buch- und Weinhandel herausgearbeitet. Die perfekte Verschmelzung der Genussmittel erfolgt auf der Buchmesse.

Markus Klose ist Berater und Inhaber von Die gute Agentur

Ist es wirklich nur ein Zufall, dass sich der östlichste Weinberg des Rheingaus, der gleichzeitig der einzige Weinberg innerhalb der Stadtgrenzen Frankfurts ist, in der unmittelbaren Nachbarschaft des mediacampus befindet? An den Hängen des Lohrbergs liegt das zentrale Ausbildungszentrum der Buchbranche. Symbolischer geht es kaum.

Nachgerade logisch, dass das größte Bücherfest der Welt auch in Frankfurt stattfindet. Wein gehört zu den gern angebotenen Getränken an den Ständen, auf den Empfängen und Feiern und in den heimeligen Bars der Hotels.
Weiter im Westen des Rheingaus liegt das Weingut Allendorf, in Oestrich Winkel nämlich. Dem Winzer, Max, begegnete ich vor Kurzem zufällig auf einem Weinfest, wir begannen beim Genuss seines Cuvee Blanc über die Herausforderungen des Weinhandels und der Vergleichbarkeit zum Buchhandel zu disputieren. Und uns wurde, spätestens nach einer Flasche Winkeler Hasensprung Riesling, völlig klar: Wir, die Buch­lesenden stehen vor den gleichen wie die Rebenlesenden.

Buchlesende und Rebenlesende stehen vor den gleichen Herausforderungen

Der Umsatz des Gesamtmarktes geht zurück, die Menschen kaufen weniger Wein und Bücher. Einher geht diese bedauerliche Tendenz mit Konzentrationsprozessen. Kleine Winzer geben auf oder werden von großen Kellereien übernommen, kleine Weinhandlungen verlieren Marktanteile an große Onlineversender. Der Vertrieb sucht nach stabilen Handelsstrukturen, das Key-Account-Management gewinnt an Bedeutung, der ­regionale Vertrieb findet stetig schwieriger seine Kunden. Weintrinken und Lesen: zwei sehr bewährte und im Grunde konservative Kulturtechniken, die an Attraktivität verlieren. Es bedarf also neuer Kommunikationswege, wenn auch – das muss man sagen – BookTok existiert, VineTok aber nicht.

Die folgende Flasche Assmannshäuser Spätburgunder brachte weitere Parallelen: Fachkräfte fehlen in beiden Branchen, Menschen lesen weniger Reben und Bücher. Welcher junge Mensch will sich mit dem beschäftigen, was im Markt weniger gefragt ist? Es braucht Wachstum. Nun ist die Wirkung von Wein und Buch abhängig auch von der Menge. Aber: Pixi-kleine Weinverkäufe nützen den Winzern so wenig wie Piccolo-Buchumsätze den Verlagen.

Weingenuss verlangt Trinkkompetenz. Buchgenuss verlangt Lesekompetenz. Bildung also ist der Schlüssel zu beiden Branchen, rief Max, in der Hand einen Quercus Pinot Noir 2020. Die Buchmesse ist fraglos der perfekte Moment, um beide Branchen zu neuer Blüte zu bringen. Zum Frühstück einen Sekt, um elf ein leichtes Glas Weißwein zum Salzgebäck, danach ein Liquid Lunch am Stand, schon ab 15 Uhr die ersten Happy Hours, die fließend in die Abendgestaltungen über­gehen. Und: keine Schokolade an den Ständen, sondern Weingummi! Schon sind reichlich Synergien hergestellt.

Buch und Wein vereint im Übrigen noch ein möglicher ­Effekt, da waren Max und ich uns nach einer Flasche Rüdesheimer Roseneck Spätlese sicher. Julius Campes Onkel erkannte das schon im 18. Jahrhundert: »Lesesucht ist die ­unmäßige, ungeregelte, auf Kosten anderer nötiger Beschäftigungen befriedigte Begierde zu lesen, sich durch Bücherlesen zu vergnügen.« Hier gilt es nur wenige Begriffe zu tauschen, und man hat auch seinen Sinnsatz zur Trinksucht gebastelt.

Aber nein, so weit soll es nicht gehen. Wein- und Buchkompetenz beinhalten beide immer auch die der Entscheidung, im richtigen Moment aufzuhören und sich um andere »nötige Beschäftigungen« zu kümmern. Entsprechend rufen Max und ich bei einem, wirklich allerletzten Glas Cuvee Prestige Brut nun aus: »schöne Messe!«