Heute wurde die Hugendubel-Filiale am Münchner Stachus nach knapp fünfwöchiger Umbauphase wiedereröffnet. Das neue Konzept des Hauses verabschiedet sich von Gewohnheiten im Sortimentsbuchhandel: Die bisherigen Warengruppen wurden aufgelöst und durch fünf visuell inszenierte Lesewelten ersetzt.
"Warengruppen auflösen und Welten zusammenstellen reicht nicht"
"Warengruppen auflösen und Welten zusammenstellen reicht aber nicht. Wir haben über ein Jahr lang an dem Konzept gearbeitet und in großen Teams und in vielen Workshops die neuen Ideen entwickelt. Wir haben uns dabei nicht von anderen Buchhandlungen oder sonst vom Einzelhandel, sondern eher von Museen inspirieren lassen. Wir wollten wirklich etwas ganz Anderes machen“, sagte Nina Hugendubel, geschäftsführende Gesellschafterin, dem Börsenblatt.
Pssst: Handy-Verzicht in der Ruhezone
Zu den Innovationen zählt bei Hugendubel beispielsweise der Raum der Stille, der mit einem „Pssst“-Schriftzug gekennzeichnet und vermutlich ab sofort der stillste Platz am gesamten Stachus ist. „Wir wissen noch nicht, wie die Kunden darauf reagieren werden. Nehmen sie ein Buch mit hinein? Werden sie meditieren? Wir werden das Verhalten auswerten und entsprechend weiterdenken. Eine Abgabestelle für Handys ist jedenfalls schon eingeplant“, so Nina Hugendubel.
Filialstrategie: Für jede Größe gibt es ein eigenes Konzept - neue Läden in München und Berlin
Der Filialist Hugendubel ist mit über 150 Läden und 1.700 Mitarbeitern eines der größten Buchhandelsunternehmen Deutschlands. Weiterentwicklungen der Lektüreangebote werden von Hugendubel forciert. "Wir werden demnächst zwei Filialen neu eröffnen, eine an der Schwanthalerhöhe in München mit 350 Quadratmetern und eine in Berlin im Europacenter mit 900 Quadratmetern. Diese beiden Filialen werden wir von Anfang an mit diesem neuen Konzept ausstatten“, kündigt Nina Hugendubel an. „Wenn das alles gut funktioniert, dann haben wir für alle Größen, die in unserem Portfolio vertreten sind, die entsprechenden Modelle, dann können wir alle Buchhandlungen nach und nach umstellen. Aber bis Mitte des nächsten Jahres nehmen wir uns Zeit und werten erstmal die Ergebnisse und Reaktionen aus.“
Entdeckungen ohne Ende lesen, per WLAN digital stöbern
Hugendubel ist Mitinitiator der Tolino-Allianz für digitales Lesen und hat als konsequente Fortführung das so genannte „eFree-Angebot“ entwickelt. Sobald man die Filiale betritt kann man sich in das eigene WLAN-Netz einloggen. Solange man sich in der Buchhandlung aufhält, kann man sämtliche in Deutschland verfügbaren E-Books auf dem eigenen mobilen Endgerät lesen. Hugendubel: „Ab jetzt funktioniert das Stöbern in einer Buchhandlung auch digital.“
Buchhändler als Gastgeber und Lesensberater
Das Entdecken der neuen Themenwelten fällt leicht. Die Welten „abtauchen“, „leben, wohnen und genießen“, „lernen, spielen und machen“, „Fenster zur Welt“ und „Horizonte“ sind selbsterklärend, nicht zuletzt dank der opulenten Wandgrafiken und Fußbodenbeschriftungen. Dabei fungieren die Buchhändler als Gastgeber, die die Kunden dazu einladen, sich in den jeweiligen Welten treiben und inspirieren zu lassen. Eine große Rolle werden passend zu den jeweiligen Welten viele Veranstaltungen, interaktive Events, Kreativ-Workshops oder Kochshows spielen. „Unsere eigenen Kundenbefragungen mit 500 Lesern in ganz Deutschland haben ergeben: Die Menschen denken nicht in Kategorien wie Belletristik und Sachbuch, wenn sie zu uns kommen. Sie haben ihre konkreten Themen im Kopf und suchen dafür Inhalte. Genau das haben wir nun ernst genommen und konsequent umgesetzt“, erklärt der geschäftsführende Gesellschafter Maximilian Hugendubel,.
„Café des Lesens“ jetzt auch am Stachus, Wortspiel auf dem T-Shirt
Am Karlsplatz führte im Mittelalter die Salzstraße vorbei, die der Stadt München ihren Wohlstand sicherte. Buchstaben und Bilder sind hier das Salz von heute: Das hätte sich der Namenspatron des Platzes, Mathias Eustachius Förderl, der zu Beginn des 18. Jahrhunderts die Gastwirtschaft „Stachus“ betrieb, nicht träumen lassen. Wie er laden nun die Hugendubel-Buchhändler ihre Kundschaft zum Essen und Trinken ein. Das „Café des Lesens“ hat sich schon in der im vergangenen Jahr wiedereröffneten Filiale am Münchner Marienplatz bewährt. Die Buchhändler heißen hier am Stachus jetzt „Lesensberater“, was auch hinten auf den neuen schwarzen Poloshirts steht. Individuelle Beratung wird groß geschrieben: Kunden können ab sofort vorab gezielt Beratungstermine vereinbaren. Nina Hugendubel betont: „Wir wollen das Lesen für alle zugänglicher machen.“
... denn
1) Bücher gibt es in der "Buchhandlung der Zukunft" nun kaum noch - nur noch das, was man zum Bestseller hypen will. Winzige Regälchen anstelle gefüllter Bücherwände. Suche ich wirklich Showküche und Krimskrams in einer Buchhandlung? Nope... der Schwerpunkt ist hier eindeutig falsch gesetzt.
2) Man findet das Wenige, das es noch gibt einfach nicht mehr: Das Konzept setzt auf genervt herumirrende Kunden, denn "Abteilungen" oder wegweisende Schildchen über den Regälchen gibt es nicht mehr. So schiebt man sich genervt zwischen den winzigen Tischchen aneinander vorbei, sucht - nicht ein bestimmtes Buch, nein: so verwegene Vorstellungen gibt man schnell auf: eine Freude ist es schon, wenn man überhaupt rausfindet, ob diese "Buchhandlung der Zukunft" überhaupt noch ein unbeschriftetes Tischlein oder Regälchen mit Belletristik, Krimis, Fantasy oder was immer man gerne liest, im Angebot hat. Dabei permutiert die vollkommen willkürliche Anordnung auch noch regelmäßig, dass die Kunden beim nächsten Mal auch wieder verzweifelt herumirren können.
Eine Katastrophe zum Abgewöhnen. Hoffentlich macht in München mal wieder eine richtige Buchhandlung auf... wir haben dringend Bedarf!