Knut Cordsen im Gespräch

Die Klage über schlechte Jahrgänge ist etwas für Weinkenner

19. Oktober 2017
Andreas Trojan
Die Shortlist für den Bayerischen Buchpreis 2017 steht. Wie schwer ist es, die Auszeichnung von den anderen großen Buchpreisen abzugrenzen? Antworten des neuen Jury-Sprechers Knut Cordsen.

Neue Jury – bekannter Preis. Was werden Sie, Thea Dorn und Svenja Flaßpöhler anders machen als Ihre Vorgänger?
Franziska Augstein, Carolin Emcke und Denis Scheck haben den Bayerischen Buchpreis in drei Jahren Aufbauarbeit etabliert. Unsere Aufgabe wird sein, ihn durch eine lebendige, kontroversielle Diskussion als Institution zu festigen – auf unsere Weise. Ob's gelingt, wissen wir selber nicht. Proben dafür durften wir nämlich nicht.

Sie übernehmen ja dieses Jahr den Vorsitz der Jury. Muss man sich da Denis Scheck als Vorbild nehmen?
Denis Scheck ist ein verdienter Literaturvermittler. Zirkulationsagenten sind wir in gewisser Weise alle, auch wenn mancher sich gern noch die Literaturkritik als reine Lehre aufs Panier schreibt. Mein Ziel ist es, mit guten Argumenten und Witz für und über Bücher zu streiten. Und das immer schön selbdritt – nichts ist langweiliger als Monologe!

Deutscher Buchpreis, Öster­reichischer Buchpreis, Schweizer Buchpreis: Hat es da der Bayerische Buchpreis nicht schwer, seine Besonderheit herauszustellen?
Die Besonderheit besteht beim Bayerischen Buchpreis in der Preisfindung vor Publikum. Das ist ein reizvolles Alleinstellungsmerkmal. Gut, es gibt Klagenfurt. Da wird auch coram publico geurteilt, aber da geht es ja um noch unveröffentlichte Texte. Dass man uns bei der Arbeit zuschaut und dabei nicht einschlafen möchte, könnte uns anstacheln. Bei uns gibt es keine Vorabsprachen, auch gegen Blamagen ist keiner gefeit.

Es wird oft kritisiert, dass bei den Buchpreisen eine relativ kleine Auswahl von Neuerscheinungen im Fokus steht, viele andere Bücher fielen unter dem Tisch. Wie sehen Sie das? Hat die Jury bewusst nach anderen Titeln gesucht?
Ich bitte die Binse zu entschuldigen, aber: Die Geschmäcker sind gottlob verschieden. Ich kann nicht erkennen, dass unsere Nominierungen einem mutmaßlichen Mainstream-Geschmack folgen. Wir haben nach Büchern gesucht, die wir für relevant halten. Wenn sich unsere Nominierungen hier und da mit denen anderer Jurys decken, spricht das doch erst mal für das jeweilige Buch und kaum gegen die Jury.

Wie schätzen Sie und Ihre Jury-Kolleginnen den aktuellen Roman- und Sachbuchjahrgang ein? War es schwer, sich zu entscheiden – oder vielleicht auch ganz einfach?
Einfach war es nicht, aber das soll es in solchen Fällen bestimmt auch nicht sein. Es war ein reges Sichten und ein lebhafter Austausch, bis wir uns auf die Shortlist geeinigt hatten. Als sie dann stand, waren wir sehr froh darüber. Ich glaube, hier auch für Thea Dorn und Svenja Flaßpöhler zu sprechen: Wir freuen uns, drei starke Belletristik- und drei herausragende Sachbuchtitel nominiert zu haben. Davon abgesehen, halte ich die Klage über schlechte Jahrgänge für einen Sport, den meinetwegen Weinkenner pflegen sollen. Es gibt so viele interessante Bücher jedes Jahr, dass zumindest ich nicht nachkomme.

Thea Dorn hat gesagt: „Was ist das Glück, einen Preis zu erhalten, gegen das Glück, einen Preis vergeben zu dürfen?“ Teilen Sie diese Meinung?
Klingt ein wenig nach der Apostelgeschichte, oder? Geben ist seliger denn nehmen. Aber ja, stimmt, es ist ein Glück. Wer wäre ich auch, der Bibel und Thea Dorn zu widersprechen!

Bayerischer Buchpreis

Nominiert in der Kategorie Belletristik

  • Franzobel: "Das Floß der Medusa" (Zsolnay)
  • Petra Morsbach: "Justizpalast" (Knaus)
  • Klaus Cäsar Zehrer: "Das Genie" (Diogenes)

Nominiert in der Kategorie Sachbuch

  • Jürgen Goldstein: "Blau. Eine Wunderkammer seiner Bedeutungen" (Matthes & Seitz)
  • Gerd Koenen: "Die Farbe Rot. Ursprünge und Geschichte des Kommunismus" (C.H. Beck)
  • Andreas Reckwitz: "Die Gesellschaft der Singularitäten. Zum Strukturwandel der Moderne" (Suhrkamp)

Der Preis, vom bayerischen Landesverband des Börsenvereins vergeben und mit je 10.000 Euro dotiert, wird am 7. November in München verliehen, nach einer Jurysitzung auf offener Bühne; ein Plakat zur Shortlist liegt diesem Börsenblatt bei, mehr Werbemittel gibt es unter
www.boersenverein-bayern.de/756509/

Die Preisverleihung wird am 7. November ab 19.30 Uhr live vom Bayerischen Rundfunk im Internet übertragen (facebook.com/br.capriccio).