Bayerischer Buchpreis

Jury-Arbeit auf offener Bühne

6. Juli 2015
Andreas Trojan
Der Bayerische Buchpreis ist gestern zum ersten Mal vergeben worden − eine Veranstaltung mit tollen Kandidaten und viel Verve, aber auch mit einem straffen Zeitkorsett.

Der Rahmen für den ersten Bayerischen Buchpreis hätte nicht schöner sein können: Die Premiere des "Corine"-Nachfolgers fand gestern in der Münchner Allerheiligen Hof-Kirche statt, die Anfang des 19. Jahrhunderts erbaut und vor rund zehn Jahren vollständig renoviert wurde.

Das hohe Gewölbe und die Marmorverkleidung in hellem Gelb und Rot sind auch eine gute Kulisse für Veranstaltungen ohne kirchlichen Hintergrund. Allzu erhaben jedenfalls sollte es bei der Buchpreisverleihung erklärtermaßen nicht zugehen. Öffentlich, vor geladenem Publikum, wollte die Jury, bestehend aus Denis Scheck (Redakteur Deutschlandfunk und Moderator des TV-Magazins "Druckfrisch") und den beiden Journalistinnen Franziska Augstein und Carolin Emcke, die Bücher der Kandidaten besprechen und die Gewinner in den Kategorien Belletristik und Sachbuch ermitteln.

An den Start gingen folgende Kandidaten:

  • In der Kategorie Sachbuch Andreas Bernard mit "Kinder machen. Neue Reproduktionstechnologien und die Ordnung der Familie" (S. Fischer), Ulrich Herbert und sein Buch „Geschichte Deutschlands im 20. Jahrhundert“ (C.H. Beck) und Josef H. Reichholfs „Ornis. Das Leben der Vögel“ (C.H. Beck).
  • In der Kategorie Belletristik waren nominiert: Nino Haratischwili mit "Das achte Leben (Für Brilka"“ (Frankfurter Verlagsanstalt), Thomas Hettche und sein Roman "Pfaueninsel" (Kiepenheuer & Witsch) und Thomas Kapielskis "Je dickens, destojewski! Ein Volumenroman" (Suhrkamp).

Für jede der beiden Kategorien gab es 30 Minuten Diskussionszeit, macht zehn Minuten pro Buch. Da darf man nicht erzählfreudig mäandern, sondern muss argumentative Punktlandungen machen.

Los ging es  mit der Kategorie Sachbuch. Carolin Emcke machte sich stark für Andreas Bernhards Buch über die Reproduktionsmedizin und die gesellschaftlichen Folgen. Es sei historisch abgesichert, zugleich durch Fallanalysen realitätsnah. Dem Urteil konnte sich Denis Scheck nur anschließen, Franziska Augstein allerdings nicht: "Ich wüsste nicht, wem ich dieses Buch empfehlen sollte."

"Ein Buch, das mit jedem deutschen Pass ausgegeben werden sollte"

Voll des Lobes waren alle drei für die Publikation "Ornis. Das Leben der Vögel" des Zoologen Josef H. Reichhold. Selbst wer sich bislang wenig für das liebe Federvieh interessiert habe, werde durch das Buch zum passionierten "Birdwatcher". Am Ende aber sollte der dritte Kandidat das Rennen machen: Der Zeithistoriker Ulrich Herbert und seine Publikation "Geschichte Deutschlands im 20. Jahrhundert". Herbert gelingt es, auf rund 1500 Seiten alle Facetten deutscher Geschichte seit 1890 zu skizzieren, in politischer wie ökonomischer Hinsicht und im Verhältnis zur jeweiligen Weltlage. Das Fazit von Denis Scheck lautete daher: "Ein Buch, das mit jedem deutschen Pass mit ausgegeben werden sollte."

In der Kategorie Belletristik mag es von Anfang an einen geheimen Favoriten gegeben haben, Thomas Hettche. Doch zunächst diskutierte die Jury ausgiebig über das breit angelegte Romanepos "Das achte Leben (Für Brilka)", in dem die aus Georgien stammende Autorin Nino Haratischwili die leidvolle Geschichte ihrer Heimat schildert. Genau hier wurde das enge Zeitkorsett zum Problem: Über Haratischwilis Buch diskutierte die Jury so lange – für den Zuhörer durchaus mit Gewinn!, dass Thomas Kapielskis "Je dickens, destojewski! Ein Volumenroman" danach etwas unter den Tisch fiel. Auch seine Prosaarbeit ist äußerst komplex – und die Zuhörer, die seinen Text nicht kannten, konnten sich nur schwer ein Bild davon machen.

Bei Thomas Hettches Roman dagegen gab es bei den Juroren beinahe völlige Übereinstimmung: Ein großer Roman, stilistisch wie sprachlich. Aus der Perspektive seiner Heldin, des kleinwüchsigen preußischen Hoffräuleins Maria Strakon, würden Gegenwartsfragen wie Außenseitertum und Toleranz gestellt. Damit gewann Hettche den Belletristik-Buchpreis.

"Wir können sicher noch geistreicher, spontaner, aphorismenträchtiger werden"

Insgesamt zeigte die für alle Beteiligten mit Verve geführte Ermittlung der Preisträger eines: In einem engen Zeitrahmen ist es leichter, punktgenaue Argumente für Sachbücher zu bringen als für Texte der Belletristik. Einerseits bleiben den Zuhörern durch den straffen Ablauf lange, ermüdende Diskussionsbeiträge erspart, andererseits wird in der Kürze nicht immer klar, welch vielschichtige Qualitäten die vorgestellten Bücher eigentlich haben. Die Jury versuchte, so deutlich wie möglich zu sein, aber etwas mehr Zeit pro Kategorie würden sicher mehr Raum für Detailargumente lassen, ohne dabei den Rahmen zu sprengen.

Der Ehrenpreis des Bayerischen Ministerpräsidenten ging an die Autorin und Literaturwissenschaftlerin Silvia Bovenschen. Sie hat mit ihrer Arbeit bei Themen wie Alter und Lebensmut literarisch-essayistische Meilensteine gesetzt – und doch ist sie nicht so bekannt wie sie sein sollte. Da kommt der Ehrenpreis gerade richtig, auch wenn er leider undotiert ist, während die Preisträger für Belletristik und Sachbuch jeweils 10.000 Euro bekommen.

Alles ist allem war es eine gelungene Premiere für den Bayerischen Buchpreis: "Wir können sicher noch geistreicher, spontaner, aphorismenträchtiger werden. Und dennoch bin ich auf die Entscheidungen der Jury sehr stolz. Der Weg, den der Bayerische Buchpreis eingeschlagen hat, ist der richtige", so das Fazit von Jury-Sprecher Denis Scheck.

Der Bayerische Buchpreis im Fernsehen: Am 1. Dezember 2014 um 23.45 Uhr Lesezeichen Extra im Bayerischen Fernsehen, Wiederholungen am 2. und 3. Dezember bei ARD alpha.

Zum Buchpreis

Der Bayerische Buchpreis 2014 wird veranstaltet vom Landesverband Bayern im Börsenverein des Deutschen Buchhandels und gefördert vom Bayerischen Staatsministerium für Wirtschaft und Medien, Energie und Technologie. Medienpartner sind der Bayerische Rundfunk und DIE ZEIT.