#frauenzählen: Studie zur Männerdominanz im Literaturbetrieb

It's a man's world

1. Oktober 2018
Redaktion Börsenblatt
Autoren und Kritiker dominieren den literarischen Rezensionsbetrieb maximal: Zwei Drittel aller Besprechungen beschäften sich mit Werken von Autoren, so die Pilotstudie „Sichtbarkeit von Frauen in Medien und im Literaturbetrieb“ des Buchbranchenprojekts #frauenzählen. Die Studie wird am 10. Oktober auf der Frankfurter Buchmesse vorgestellt. Die wichtigsten Kennzahlen.
  • Zwei Drittel aller Besprechungen würdigen die Werke von Autoren
  • Männer schreiben überwiegend über Männer
  • Männern steht ein deutlich größerer Raum für Kritiken zur Verfügung

So lauten drei gleichermaßen ernüchternde Hauptergebnisse der Pilotstudie „Sichtbarkeit von Frauen in Medien und im Literaturbetrieb“ des Buchbranchenprojekts #frauenzählen in Kooperation mit dem Institut für Medienforschung an der Universität Rostock.  

Die Studie, die bereits unter www.frauenzählen.de einsehbar ist, wird am 10. Oktober auf der Frankfurter Buchmesse vorgestellt. Zu Gast auf dem Podium ist die Grimme-Preisträgerin Maren Kroymann.  

Um zu untersuchen, in welchem Umfang Autorinnen in der Literaturkritik dargestellt werden, hat das Projekt #frauenzählen zusammen mit dem Institut für Medienforschung der Universität Rostock die Pilotstudie zur Sichtbarkeit von Frauen in Medien und im Literaturbetrieb erhoben. Die Quellenbasis: Im Laufe des Monats März 2018 wurden dazu 2036 Buchbesprechungen in 69 deutschen Medien in den Bereichen Print, Hörfunk und TV statistisch erhoben und sozialwissenschaftlich ausgewertet.

#frauenzählen - die wichtigsten Ergebnisse:

Auf eine Autorin kommen zwei Autoren. Zwei Drittel der rezensierten Bücher sind von Männern verfasst worden. Eine Ausnahme bildeten nur Frauenzeitschriften.

Kritiker schreiben vor allem über Männer.  Drei Viertel aller von Männern besprochenen Werke sind von Autoren verfasst. Kritikerinnen besprechen ausgewogener, doch auch überwiegend Männer.

Die größten Ungleichgewichte: Das Sachbuch und das Krimigenre. Im Bereich Sachbuch ist lediglich jedes fünfte durch einen Mann rezensierte Buch von einer Frau verfasst. In der Kriminalliteratur liegt der Anteil noch darüber: In diesem Genre rezensierten mit 82% Männer am liebsten Männer.

Die von Kritikern verfassten Besprechungen sind deutlich ausführlicher als die von Kritikerinnen.

TV als Domäne von Autoren: Für den TV-Bereich lässt sich eine eklatant deutlichere Sichtbarkeit von Autoren feststellen: Die durchschnittliche Sendezeit zu Werken von Männern übertrifft um knapp 40 Prozent jene von Autorinnen. Im Radiobereich dagegen wurden Autorinnen zwar seltener, aber dafür etwas länger präsentiert. 

„Aus den Studienergebnissen lässt sich ein struktureller Bias in den Medien ableiten, dem allerdings nicht nur Männer, sondern mitunter auch Frauen unterliegen“, sagt Nina George, Koordinatorin des Projekts #frauenzählen: „Die Überrepräsentanz des männlichen Blicks auf die Welt ist kein unbekanntes Symptom. Die Ergebnisse decken sich mit jenen anderer Studien zur Sichtbarkeit von Frauen in Medien. So vertiefen sich überkommene Bilder: Die Frau, das andere, das zweitklassige Geschlecht. Hier müssen wir in fortlaufenden Analysen untersuchen, welche Strukturen sich wiederum hinter diesem Ergebnis verbergen: was haben zum Beispiel Veröffentlichungsraten, Verlagswahl, Themen oder sogar literarische Bilder von Frauen damit zu tun?“

Carlos Collado Seidel, Generalsekretär des PEN-Zentrums Deutschland, stimmt ihr zu: „Autorinnen sind nicht nur im Rezensionsbetrieb unterrepräsentiert. Das betrifft auch Literaturpreise, Stipendien usw. Hier muss weiter nach den Ursachen geforscht werden. Gleichermaßen müssen sich aber auch die Verantwortlichen im Literaturbetrieb und in den Redaktionen in ihrem Selbstverständnis hinterfragen. Geschlechtergerechtigkeit ist eine Frage der Integrität unserer Gesellschaft.“