Der Deutsche Übersetzerfond, der seit 20 Jahren die Arbeit von literarischen Übersetzern fördert, hatte sich mit der Feier seines Jubiläums selbst beschenkt. Es ist ja nicht ausgemacht, dass die eingeladenen Redner und Bühnengäste halten, was sich eine Festversammlung von ihnen verspricht. Gestern, im Literarischen Colloquium am Wannsee war es – gemessen am Applaus – so.
Kulturstaatsministerin Monika Grütters lobte die „Schöpferkraft von Übersetzern“, die ganz maßgeblich darüber entscheide, „welche Autoren Weltliteraturgeschichte schreiben“. Grütters erhob das Übersetzen sogar zu einer „eigenen Sparte der Dichtkunst“. Diese verdiene entsprechend eine angemessene Förderung. Die CDU-Politikerin klagte über bis heute „magere Honorare“ und versprach, sich für eine Aufstockung der Mittel für die Übersetzungsförderung einzusetzen. Das war ganz im Sinne von Thomas Brovot. Der Vorsitzende des Deutschen Übersetzerfonds befand: Die Stipendien seien ein Segen, aber mehr davon auf jeden Fall nützlich.
Die vielfach prämierte, viel gereiste und viel übersetzte Schriftstellerin Felicitas Hoppe glänzte mit einer Rede, die im eigentlichen Sinne selbst Literatur war. Hoppe sprach vom „höllischen Respekt“, den sie vor Übersetzern habe, einer „Mischung aus Achtung und Angst, genährt von der Ahnung, das sie (fast) alles besser wissen als ich“. Sie sei angewiesen auf Experten, die sie aus dem „Käfig der eigenen Sprache in einen Sprachraum befreien“.
Und Felicitas Hoppe wurde – nach einem sprachspielerischen Ausflug vom Dolmetscher über den alten Tolmetsch bis hin zum Tölpel, dem Vogel wohlgemerkt – konkret: Sie erzählte von der weltweit ersten Übersetzung eines ihrer Bücher: „Picknick der Friseure“, das im Niederländischen den Titel „Kappers in het gras“ trägt, also schlicht und einfach „Friseure im Gras“. Ihr Kommentar dazu: „Was für eine Erlösung, wenn endlich der Übersetzer die Bühne betritt, um im Haushalt meines verworrenen Schreibens für eine neue, einfache Ordnung zu sorgen.“
Hoppes Übersetzerlob kam mithin anders – schwebender und verschmitzter nämlich – daher, als das bei offiziellen Lobreden gemeinhin üblich ist. Zuletzt erzählte sie vom chinesischen Übersetzer Lin Shu, der hunderte Klassiker der westlichen Literatur übertragen hat: Shakespeare, Cervantes, Goethe, Tolstoi, Balzac, Ibsen. Der Chinese war keiner der Ausgangssprachen mächtig. Er ließ sich, so Felicitas Hoppe, die Texte der Großen von einem Assistenten vorlesen, um das Ganze dann möglichst nah an der Vorlage ins Mandarin umzuschreiben. Manch ein Meisterwerk sei so länger, ein anderes kürzer geraten. Aber sei nicht das künstlerische Schaffen insgesamt ein Bündel aus Versuch und Versagen?
Musik kommt ohne Übersetzung aus. Die Sizilianerin Etta Scollo und die in Kalifornien geborene Susanne Paul performten am Ende aller Reden grandiose Musik- und Sprechduette. Die textliche Vorlage lieferte einmal der Name des französischen Philosophen Derrida, ein andermal zwei Einwürfe aus dem Publikum: „Morgens um sechs steht unser Hund vorm Bett“ und „die Melodie der Tölpel“.
Über den Festabend hinaus zu sehen ist eine kleine, aber aufschlussreiche Ausstellung. „Urbans Orbit“ feiert den 2013 verstorbenen Übersetzer Peter Urban. Dieser hat zuvörderst die großen Russen ins Deutsche gebracht, allen voran und immer wieder Tschechow. Von der Ausstellungsmacherin Marie Luise Knott war zu erfahren, dass Peter Urban gern an verschiedenen Schreibtischen arbeitete. Es heißt sogar, er habe für jeden Autor einen anderen Arbeitsplatz gehabt.
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