Insa Wilke nutzte dann die Gelegenheit ihrer Dankesrede, ihre „15 Minuten Ruhm“, wie sie es formulierte, für eine gewaschene Kritik der Literaturkritik. „Deutschland muss Haarausfall haben“, so fing sie an. „Dramatischen, unerklärlichen, beängstigenden, selbstverständlich Gegenmaßnahmen fordernden, scheußlichen Haarausfall.“ Anders sei nicht zu erklären, „warum so eifrig Locken auf Glatzen gedreht werden“. Scheindebatten wie die über die Kraftlosigkeit der Gegenwartsliteratur oder darüber, wie dick ein Roman heute sein dürfe, erteilte Wilke eine Absage. Auch an den Feuilleton-Betrieb hatte die Preisträgerin eine kritische Frage: „Wie soll man, frage ich Sie, eine gute Kritikerin werden, wenn man kaum Aufträge bekommt, sich also nicht in der tatsächlichen Reibung mit der Öffentlichkeit entwickeln kann? Wenn die Artikel, die man dann mal schreiben darf, maximal 2.500 Zeichen umfassen dürfen?“, fragte Wilke. Trotz solcher Widrigkeiten geht Insa Wilke ihren Weg einer unabhängigen und bereits weithin geschätzten Kritikerin. Börsenblatt-Chefredakteur Torsten Casimir überreichte ihr die Urkunde und verlas die Begründung der Preisjury, in der Wilke auch für ihre Bereitschaft gelobt wird, „Nebenwege“ einzuschlagen und Autoren „jenseits des Mainstreams“ Gehör zu verschaffen.