Die Begründung der Jury
„Ein Polizist, der sich ohne eigenes Verschulden zum Verbrecher gestempelt sieht und damit selbst zum Objekt polizeilicher Ermittlungen wird. Ein Verfolgter, der vice versa selbst zum Ermittler wird, um seine Haut zu retten. Mit seinem Roman „Inspektor Kajetan kehrt zurück“ stellt Robert Hültner die Konventionen der Kriminalliteratur auf den Kopf – und die Fiktion auf die Füße, will sagen: auf den Boden der historischen Tatsachen.
Die Geschichte spielt vor dem Hintergrund jener bösen Zeit, in der sich nicht wenige Repräsentanten der bis dato noch demokratisch legitimierten Staatsgewalt bereits in den Dienst der barbarischen Ideologie gestellt haben, die wenig später noch bösere Zeiten einläuten wird. Hültners Protagonist ist in mehrfacher Hinsicht ein Grenzgänger. Er steht nicht nur auf der Schwelle zu einer Ära der Barbarei, er ist auch auf dem Sprung von Bayern nach Österreich, von der Verfolgung in die Freiheit. Aus der Großstadt München in die ländlichen Randzonen abgedrängt, erfährt er am eigenen Leib das Ausgeliefertsein, aber auch das Rettende: Menschen, die bereit sind, ihr eigenes Leben aufs Spiel zu setzen, um anderen das Überleben zu ermöglichen.
Dieser vielschichtige, zeitgeschichtlich geerdete und in der bayerischen Provinz verortete Kriminalfall ist akribisch recherchiert, dramaturgisch versiert inszeniert und sprachlich höchst anschaulich gestaltet. So sehr er auch die Konventionen des Genres über den Haufen wirft, so augenfällig ist er doch bester bayerischer Erzähltradition verpflichtet, für die Namen wie Lion Feuchtwanger und Oskar Maria Graf stehen. Vor allem die Dialoge sind geprägt vom Kolorit der Zeit, in der sie angesiedelt sind, in ihrer Lebendigkeit jedoch haben sie eine Vergegenwärtigung der Vergangenheit zur Folge, die bisweilen erschreckend wirkt. „Inspektor Kajetan kehrt zurück“ ist ein belletristischer Beitrag zur Geschichte des Nationalsozialismus, welche ihrer Natur gemäß eine Kriminalgeschichte ist. Robert Hültner erweist sich mit diesem Roman einmal mehr als literarischer Landvermesser mit kriminalistischem Spürsinn. Selten war Heimatkunde so lehrreich, so hintersinnig, so spannend.“
Der Jury des Tukan-Preises gehörten in diesem Jahr an: Daniel Brücher (Buchhandlung am Elisabethmarkt), Judith Heitkamp (BR/Literatur), Katrin Hillgruber (Literaturkritikerin), Prof. Dr. Annette Keck (Ludwig Maximilians Universität/Institut für Deutsche Philologie), Ulrich Klenner (BR/Hörbild und Feature) und Wilhelm Trapp (Literaturkritiker) sowie aus dem Stadtrat Dr. Ingrid Anker (SPD), Thomas Niederbühl (Bündnis90/RL), Marian Offman (CSU), Klaus-Peter Rupp (SPD) und Ursula Sabathil (CSU).