Dort, wo sonst nur geflüstert wird, heizte ein Jazz-Trio ein. Ulrich Schneider, Direktor der Universitätsbibliothek Leipzig, diskutierte mit dem Medientheoretiker Wolfgang Ernst und Leipzigs frischgebackenem Kulturdezernenten Michael Faber über Vergangenheit und Zukunft von Buch-Orten; ein intellektuell anregender Disput, der zeigte, dass auch in Zeiten des World Wide Web kein Anlass für Schwanengesänge auf die Welt der Buchstaben besteht. Bedürfte es dazu noch eines Beweises, lieferte den die punktgenau zum Jubiläum im Wallstein Verlag erschienene Festschrift („Zeichen, Bücher, Wissensnetze“) – ein fast 400 Seiten starker Band, in dem Schriftsteller, Verleger und Historiker, Buchwissenschaftler, Kulturpolitiker und Medientheoretiker, aber auch Sammler und Web-Visionäre über das Buch und seine Zukunft nachdenken. Ein Band, der wohltuend auf Traditionshuberei und Nabelschau verzichtet und den Kopf für – mindestens – 125 weitere Jahre frei macht. Form follows function: Im Rückgriff auf einen Klassiker des Seitenlayouts von Jan Tschichold, dessen Nachlass das Leipziger Museum bewahrt, stellen die Gestalter die Seiten quasi auf den Kopf. Ein schönes Bild für ein Museum, in dem vor dem Umzug ins neue Domizil manches Kopf steht und sich auf eine neue Ordnung freut.
„Ich habe nicht mehr getan, als auf den Schultern von Riesen zu stehen“, entgegnete Isaac Newton, als man ihn einst auf seine Leistungen und Entdeckungen ansprach. Die engagierte Museums-Chefin Stephanie Jacobs machte sich in ihrer mitreißenden Rede, die so etwas wie das Credo der künftigen Arbeit formulierte, Newtons Satz zu eigen: Ohne die Leistungen der mehr als vier Generationen Männer und Frauen, die die Tradition des Hauses in guten wie in schlechten Zeiten mit Leben erfüllten, wäre das Heute nicht möglich. Im 125. Jahr seiner Gründung steht das Museum erneut an einer Wende – in doppelter Hinsicht: Das digitale Zeitalter erweitert seinen Themenhorizont, aber auch seine Arbeit als Dokumentationsstätte und Wissensnetz für die Buchkultur. 2010 wird das Museum im 4. Erweiterungsbau der Deutschen Nationalbibliothek eine neue mediengeschichtliche Dauerausstellung eröffnen, einen attraktiven Lesesaal und großzügige Magazine erhalten – in einer Zeit, in der landauf, landab Museen schließen oder mit Etatkürzungen kämpfen. Kern der Arbeit, „das Pfund, mit dem wir wuchern müssen“, daran ließ Jacobs keinen Zweifel, bleiben die einzigartigen Sammlungen: „Sie sind Wunderkammer und Zukunftswerkstatt zugleich.“ In Leipzig will man Erbe nicht nur in vollklimatisierten Magazinen verwalten: „Nur erschlossene und vernetzte Bestände sind sinnvoll nutzbare Bestände!“ Das Buch- und Schriftmuseum als Dreieinheit aus wissenschaftlicher Dokumentationsstätte, Bildungsinstitution und „Schaubude“ – wünschen wir den hoch motivierten Leipzigern, dass sie ihre Vision mit Leben füllen können.