Die letzte Ausgabe des "Bücherjournals" (zur Website der Sendung) laufe voraussichtlich am 1. Dezember 2020 im NDR Fernsehen, bestätigt eine Sprecherin des Senders gegenüber Börsenblatt Online. Damit würde es in diesem Jahr noch vier Sendetermine geben: 9. Juni, 25. August, 27. Oktober und 1. Dezember (jeweils 45 Minuten lang). Moderiert wird das "Bücherjournal" aktuell von Julia Westlake.
Das "Bücherjournal" gibt es seit über 30 Jahren − zum Archiv in der NDR-Mediathek.
"Druckfrisch" soll es richten
Der NDR werde in den kommenden vier Jahren insgesamt 300 Millionen Euro einsparen müssen, begründet die Sprecherin die Entscheidung: "In einem Priorisierungsprozess wurden alle Formate bewertet, auch die unterschiedlichen Kulturformate." Vor dem Hintergrund, dass es in der ARD mit "Druckfrisch" ein Literaturmagazin gebe und Literatur keine regionalen Grenzen kenne, "sind wir zu dem Ergebnis gekommen, dass ein eigenes lineares Literaturmagazin im NDR Fernsehen in der herkömmlichen Form nicht zwingend notwendig ist."
Man sei stattdessen davon überzeugt, dass die Inhalte des "Bücherjournals" multimedial ausgespielt werden sollten und habe dafür bereits "etablierte Gefäße": vom "Kulturjournal" im NDR Fernsehen bis zu unterschiedlichen Rubriken in verschiedenen NDR Hörfunkwellen. "Wir erhoffen uns davon, die Inhalte der Literaturberichterstattung jenseits eines Sendeplatzes für mehr Menschen zeitunabhängig zugänglich zu machen", so die Sprecherin. Literaturberichterstattung finde weiter im NDR Fernsehen statt. Wir stellen regelmäßig Bücher im "Kulturjournal" vor: Sachbücher, Belletristik und jeweils das "NDR Buch des Monats". Weiterhin laufen werde die Off-air-Veranstaltungsreihe "Der Norden liest" mit zahlreichen Lesungen im Sendegebiet.
Im Jahr 2019 hatte das "Bücherjournal" im NDR Fernsehen laut Sprecherin im Schnitt einen Marktanteil von 2,5 Prozent. Das "Bücherjournal" wird recht spät ausgestrahlt, jeweils in der Nacht von Dienstag auf Mittwoch (die Sendung vom 1. April 2020 beispielsweise lief um 0:00 Uhr). Der Jahresmarktanteil des NDR Fernsehens habe 2019 7,8 Prozent betragen.
Zum NDR-Sparprogramm
Der NDR muss in den kommenden vier Jahren 300 Millionen Euro einsparen. Ausgaben für Personal, Produktion, Verwaltung und Programm werden gesenkt, teilte der Sender in einer Presseinformation mit. Bis 2028 will der NDR 10 Prozent seines Aufwands für Personal kürzen. Dafür werden über alle Bereiche hinweg mindestens 200 Planstellen nicht nachbesetzt. Betriebsbedingte Kündigungen habe der NDR bis 2024 tarifvertraglich ausgeschlossen. In der Produktion werden flächendeckend Standards gesenkt und auf Investitionen in Technik verzichtet, heißt es weiter.
Im Fernsehen werde es in erster Linie Einschnitte im Bereich Unterhaltung geben. Dies betreffe auch die Zulieferungen des Senders für die ARD. Zukünftig werde es weniger Tatorte, Unterhaltungsshows und Fernsehspiele vom NDR geben. Einige Sendungen wie "Inselreportagen" und "Lieb und teuer" werde es nicht mehr geben. "Zapp" und das "Kulturjournal" verlagern, auch mit Blick auf die veränderte Mediennutzung, ihre Inhalte zunehmend in Online-Angebote und digitale Verbreitung. Das Engagement des NDR für die Gemeinschaftseinrichtung ARD-aktuell in Hamburg (tagesschau, tagesthemen) behalte höchste Priorität. Die crossmediale Zusammenführung von Programmbereichen werde ausgebaut.
Im Hörfunk stärke der NDR die Information und senke gleichzeitig Kosten. Das Engagement des NDR bei Off-Air-Veranstaltungen wird deutlich verringert.
Der NDR Verwaltungsrat unterstütze den Intendanten Joachim Kunth und den NDR bei den schwierigen Einschnitten. Das Maßnahmenpaket sei notwendig, weil die für den NDR zu erwartenden Einnahmen aus dem Rundfunkbeitrag die allgemeinen Kostensteigerungen nicht auffangen könnten. Der Rundfunkbeitrag sei seit 2009 nicht gestiegen, sondern sank 2015 um 48 Cent auf 17,50 Euro. Die Folgen der Corona-Krise habe die Einsparnotwendigkeit für die nächsten Jahre noch einmal deutlich erhöht. Ein durch Asbestfunde in Hamburg notwendig gewordener Neubau belastet das Budget zusätzlich. Diese Sondereffekte zwingen den Norddeutschen Rundfunk zu den drastischen Ausgabenkürzungen.
"Andruck" im DLF gibt es auch schon nicht mehr, zumindest nicht am gewohnten Sendeplatz.
:-(
NDR auf dem Weg zur Selbstliquidierung
Mit dem „Aus“ für das »Bücherjournal« zum Dezember 2020 legt der NDR die Axt an die Wurzel seiner Legitimation. Was den Öffentlich-Rechtlichen Rundfunk vom Privatrundfunk unterscheidet, ist sein Bildungs- und Kulturauftrag. Die Realisierung dieses Auftrages sichert dem Rundfunk über die Gebührenzahlung der Bürgerinnen und Bürger seine Existenz.
Öffentlich-rechtlicher Rundfunk wird im Auftrag der Gesellschaft veranstaltet. Die Bürgerinnen und Bürger sind es, die mit ihren Gebühren den Rundfunk finanzieren, damit er seinen Auftrag erfüllt. In seinem Urteil vom 4.11.1986 hat das Bundesverfassungsgericht erneut eine essentielle Funktion des Rundfunks für das kulturelle Leben in der Bundesrepublik festgestellt. Es ist also nicht der Rundfunk, der aus seiner Aufgabe heraus eine Mäzenatenfunktion wahrnimmt, sondern, wenn überhaupt, ist es die Gesellschaft, sind es die Bürgerinnen und Bürger, die sich einen öffentlich-rechtlichen Rundfunk leisten. Programme, wie sie der öffentlich-rechtliche Rundfunk zur Wahrnehmung seines Kulturauftrages veranstaltet, sind also keine freiwilligen Leistungen eines Mäzens, sondern eine Pflichtleistung im Auftrag der Gesellschaft.
Der Verfassungsrechtler Prof. Dieter Grimm hat bereits 1983 in einem Vortrag zum „Kulturauftrag im staatlichen Gemeinwesen“ exemplarisch für den Rundfunk folgendes ausgeführt: „Aus der Zugehörigkeit des Rundfunks zur Kultur folgt die Notwendigkeit einer kultur-rechtlichen Interpretation der Rundfunkfreiheit....Als kulturelle Freiheit bezieht sich Rundfunkfreiheit auf das Programm und seine spezifisch publizistische Ausdrucksform. Dagegen sind kulturelle Freiheiten weder wirtschaftliche Freiheiten noch garantieren sie regelmäßig private Strukturen. Eine den kulturrechtlichen Anforderungen entsprechende Rundfunkordnung muss ein kulturell angemessenes Programm gewährleisten. Dazugehört sowohl die Vermittlung kultureller Grundlagen von Person und Gesellschaft als auch ein zugänglicher Anteil kultureller Sendungen im engeren Sinne“.
Der Literaturwissenschaftler, Schriftsteller und auch ehemalige Rundfunkredakteur Hans Mayer hat in weit über 100 Literatursendungen des NDR zum kulturellen Profil des Senders wesentlich beigetragen. Neben dem literarischen Lebenswerk als Autor und dem pädagogischen Lebenswerk als Hochschullehrer kann man die rundfunkpolitische Tätigkeit als drittes Lebenswerk Hans Mayers bezeichnen.
Im Dezember 1991 hat Hans Mayer zur 150. Veranstaltung der Traditionsreihe »Autoren lesen im Funkhaus«, als Jubiläumsredner gesprochen. Fast vorausschauend formulierte er zum Schluss seiner Rede sinngemäß über den Zerfallsprozess der einstmals produktiven Kulturen in Deutschland: der Adelskultur, die sich bereits im neunzehnten Jahrhundert in Relikten verlor; der jüdischen Kultur, die nach 1933 vertrieben und vernichtet wurde; der proletarischen Kultur, die sich nie von den Schlägen erholte, die Hitler ihr zufügte; schließlich der bürgerlichen Kultur, die teils zustimmend, teils ohnmächtig ihre Selbstzerstörung erlebte und deren letzte Reste unter den heutigen Bedingungen einer Wegwerfgesellschaft kaum noch kenntlich sind.
In einem Brief an den Intendanten des Norddeutschen Rundfunks, Joachim Knuth fordert Heinrich Bleicher-Nagelsmann, der Vorsitzende der Hans-Mayer-Gesellschaft, diesen auf, von der Abschaffung des »Bücherjournals« Abstand zu nehmen.
Heinrich Bleicher-Nagelsmann HMG
vorstand@hans-mayer-gesellschaft.de
Andererseits kosten doch gerade diese Sendungen nicht viel Geld, genausowenig wie das "philosophische Quartett" oder das "Nachtstudio" im ZDF. Stattdessen Kochsendungen und Zoosendungen bis zum.......
Also wenn ich Geld sparen müßte, würde ich wohl kaum diese sehr günstig zu produzierenden Sendungen streichen.
Mit jeder Streichung dieser Kultursendungen wird die Legitimation für einen Rundfunkbeitrag dünner und dünner.