Die Sonntagsfrage

"Was kann Buchhandlungen in diesen Tagen Mut machen, Herr Woywod?"

22. März 2020
Redaktion Börsenblatt

Zwangsschließungen, Ausgehverbote, Liefereinschränkungen - die Corona-Krise macht Unternehmer*innen das Leben schwer, sehr schwer. Warum es trotz allem Grund zum Hoffen gibt, erläutert Torsten Woywod, gelernter Buchhändler und Zuständiger für Online-PR bei DuMont, in unserer Sonntagsfrage.

Torsten Woywod

Ich will ehrlich sein: Als mich am Freitag die Anfrage des Börsenblatts erreichte, ob ich einen Artikel darüber verfassen möchte, was Buchhandlungen in diesen Tagen Mut machen kann, habe ich einen Moment gezögert. Ich habe nicht etwa deshalb gezögert, weil mir nichts eingefallen wäre, sondern weil ich nicht Gefahr laufen wollte, irgendetwas zu verharmlosen. 

Deshalb sage ich es gleich vorweg: Es steht außer Frage, dass die Situation, in der wir uns momentan befinden, existenziell bedrohlich ist. In dieser Hinsicht möchte ich nichts beschönigen, zumal niemand von uns die Dauer sowie die tatsächlichen Folgen dieser Krise vorhersehen kann. 

Und dennoch: Es gibt durchaus Dinge, die selbst in dieser Phase Anlass zur Hoffnung geben. Aus diesem Grund habe ich mich letztendlich auch dazu entschlossen, diesen Artikel (doch) zu schreiben. Ein bisschen Mut und Zuversicht können wir schließlich alle vertragen. 

Ich möchte mit einem harten Fakt beginnen: einer Google-Auswertung

Innerhalb der Branche nimmt man Gesprächsthemen und deren Relevanz oftmals anders wahr als Außenstehende – deswegen sind Zahlen bzw. Daten im Zweifelsfall der untrüglichste Indikator, um Dinge neutral einordnen zu können. 

  • Wenn man eine Auswertung des Google-Suchbegriffs "Buchhandlung" vornimmt, kommt man dabei zu dem eindeutigen Ergebnis, dass seit Mitte der vergangenen Woche tagtäglich fast dreimal so oft nach Buchhandlungen gesucht worden ist wie im Durchschnitt.

  • Zur Einordnung: Wir befinden uns damit annähernd auf dem Niveau der letzten Tage vor Weihnachten 2019.  

Warum das so ist, leitet bereits zum nächsten Punkt über, der uns Mut machen sollte: 

Die gesamte Branche ist in den vergangenen Tagen immens zusammengerückt. 

  • Sowohl von Buchhandels- als auch von Autor*innen- und Verlagsseite ist vielfach und nachdrücklich dazu aufgerufen worden, den lokalen Buchhandel zu unterstützen, indem man die hiesigen (kontaktlosen) Bestell- und Liefermöglichkeiten nutzt. 

  • Auch die Medien haben mehrfach über Buchhandlungen und deren Services berichtet. 

  • Das Ergebnis dieser Solidarität spiegelt sich u. a. in dem gerade erwähnten Google-Trending wider. Und in der allgemeinen Aufmerksamkeit, natürlich. 

Ein weiterer, ganz wesentlicher Punkt sind die Buchhändler*innen selbst. Es nötigt mir den allergrößten Respekt ab, wie schnell, kreativ und engagiert die Händler*innen auf diese völlig neue Situation reagiert haben – und wie agil man in diesem Zusammenhang nicht nur Kommunikations-, sondern auch Verkaufswege angepasst hat. 

  • So bietet die Buchhandlung Lesezeichen in Germering jetzt individuelle Beratungen per Facetime an (direkt am Regal), 

  • die Buchhandlung Wortreich in Kerpen-Horrem hat eine Facebook-Lesegruppe gegründet und veröffentlicht außerdem täglich Video-Updates (die Reihe #LyrikGegenLangeweile inklusive), 

  • die Buchhandlung Heymann hat kurzerhand die Reihe »Behind the scenes« eingeführt, in der sie offen über Herausforderungen und Freuden dieser Tage berichtet 

  • die Buchhandlung Weltentdecker (Miesbach) hat über das stationäre Schaufenster eine direkte Anbindung in Richtung Webshop geschaffen 

  • die Buchhandlung Jakob aus Nürnberg stellt täglich eine Frühjahrs-Novität per IGTV vor 

  • die Buchhandlung geschichten*reich in Seligenstadt hat das Instagram-Format »Virtuelles Stöbern« kreiert 

  • und die Barbara Buchhandlung in Moers hat einen kleinen Trailer produziert, um den neuen, kontaktlosen Lieferdienst zu bewerben. 

 
Dies sind natürlich nur einige von vielen tollen Beispielen – denn wenn wir über die kurzfristige Einrichtung von Lieferdiensten sprechen (ganz gleich, ob per Auto oder Fahrrad), scheint es ganz so, als würde der gesamten Buchbranche so schnell niemand etwas vormachen können. 

Das ist ja alles schön und gut, könnte man nun sagen, viel “entscheidender ist aber doch, was am Ende dabei rumkommt.” Stimmt. Und auch diesbezüglich machen die jüngsten Rückmeldungen aus dem Handel durchaus Mut. Einige Buchhandlungen haben den eigenen Lieferdienst sogar schon ausbauen müssen. Viele, sehr viele Buchhandlungen erfahren eine ungeheure Solidarität und positiven Zuspruch von Seiten ihrer Kund*innen – und wenn man mitbekommt, mit wie viel Emotionalität dies mitunter vonstatten geht bzw. wie groß der Zusammenhalt ausfällt, dann bewegt einen das schon sehr. 

Ich gebe es gerne zu: Mir ist die vergangene Woche sehr, sehr nahe gegangen. Und sie hat mir abermals vor Augen geführt, wie viel mir diese Branche bedeutet. 

Schwierig bleibt es natürlich dennoch – allen positiven Signalen zum Trotz. Es wird ein harter Kampf. 

Wir werden gemeinsam versuchen müssen, die Aufmerksamkeit für das Medium Buch und die Relevanz des stationären Handels aufrechtzuhalten. Wir werden gemeinsam an schnellen Lösungen arbeiten müssen – ganz egal, welches Problem auch auftreten mag. Wir werden gemeinsam auf weitere Solidarität angewiesen sein. Wir werden gemeinsam einsehen müssen, dass es nicht nur um die eigenen, sondern um die Gesamtheit aller Bücher geht. 

Es geht um nicht weniger als darum, unsere großartige Buchbranche in all ihrer Vielfalt zu erhalten. Das ist ein hehres Ziel, ich weiß. Es ist vor allem aber ein Ziel, das uns alle betrifft. 

 

Die erste Woche ist rum. Die erste Woche war hart. 

Aber, und auch das zeichnet unsere Branche aus: Die Nachfrage nach dem Medium Buch und einer persönlichen Beratung ist viel stärker ausgeprägt als in anderen Branchen. Und die Bindung ist deutlich emotionaler. 

Deshalb möchte ich an dieser Stelle auch gerne die Gelegenheit nutzen, um allen zu danken, die dazu beigetragen haben, dass in der vergangenen Woche so viele Bücher ihren Weg zu den Leser*innen gefunden haben. Allen Umständen zum Trotz.

Torsten Woywod ist gelernter Buchhändler, Autor und seit Ende 2017 für die Bereiche Online-PR und Social Media bei DuMont zuständig. 2017 ist sein Buch "in 80 Buchhandlungen um die Welt" erschienen.