Das Statement im Wortlaut:
In den vergangenen Wochen haben viele Verlage verstärkt Remissionen nicht nur von KNV, sondern auch von Libri bekommen – teilweise "bislang unbekannten Ausmaßes". Gleichzeitig haben sich immer wieder Buchhändler und Endkunden bei Verlagen gemeldet, weil ein eigentlich lieferbares Buch über Libri als nicht lieferbar angegeben wurde. Auf Nachfrage teilten die zuständigen Libri-Einkäufer den betroffenen Verlagen mit, dass es einen Strategiewechsel gäbe und man das Lager von 1 Million auf 750.000 Artikel reduzieren würde.
Neben vielen Backlist-Titeln wurden alle Titel mit einem Ladenpreis von unter 4,90 Euro ausgelistet. Als Alternative bietet Libri an, die betroffenen Titel "über BOD drucken zu lassen. Hier besteht die Möglichkeit Titel auf Nachfrage sofort zu drucken und über Libri auch auszuliefern."
Eine offizielle Kommunikation zur neuen Strategie gab es bislang nicht, nichtsdestotrotz hat Libri mit den Auslistungen und Remissionen bereits seit mehreren Wochen Fakten geschaffen. Die betroffenen Verlage wurden weder über die Auslistungen noch über die anstehenden Remissionen vorab informiert.
Erste Novitäten wurden gar nicht mehr bestellt oder aktuelle Frühjahrsnovitäten nach wenigen Monaten ausgelistet. Die Auslistungen sind teilweise inhaltlich nicht nachvollziehbar: Da wurden Ferienbücher direkt zu Sommerferienbeginn ausgelistet oder aus einer zehnbändigen Reihe ausschließlich Band Nummer 4. Die Aussage von Libri, es handle sich dabei ausschließlich um unverkäufliche Titel, konnten die Verlage so nicht bestätigen.
Das Ausmaß der Auslistungen ist sehr unterschiedlich. Bei einigen wurde kaum ausgelistet, bei anderen bis zu 90 Prozent der Titel. Ebenso ist es mit den Remissionen: Teilweise bewegen sie sich im üblichen Rahmen, doch für einige Verlage ist die Höhe existenzbedrohend.
Natürlich kann Libri als Wirtschaftsunternehmen selbst entscheiden, welche Bücher es liefern möchte, aber wie die KNV-Insolvenz ist auch die Neustrukturierung der Lagerhaltung bei Libri durchaus systemrelevant. Die Auslistung von 25 Prozent aller Titel betrifft nicht nur die Verlage – überwiegend vermutlich die kleineren und unabhängigen –, sondern auch die stationären Buchhandlungen, die Libri als einziges Barsortiment gewählt haben bzw. über Libri ihren Webshop betreiben. Gravierende Auswirkungen hat es auch auf die meisten der rund 800 eBuch- bzw. anabel-Buchhandlungen sowie kleinere Online-Buchhandlungen wie Buch7, Fairbuch, Ecobookstore und Ecolibri, deren Titeldatenbank derzeit auf den bei Libri lieferbaren Titeln basiert. Auch das Barsortiment Könemann ist betroffen.
Durch die Libri-Auslistung verschwinden also Titel praktisch aus weiten Teilen des Sortimentsbuchhandels, obwohl sie bei anderen Barsortimenten und bei Auslieferungen lieferbar sind. Sie sind damit für die Kunden nicht mehr sichtbar – außer bei Amazon. Das macht es gerade den kleineren Verlagen künftig noch schwerer, im Buchmarkt zu bestehen. Auch hinterlässt es keinen guten Eindruck, wenn der stationäre Buchhändler dem Kunden sagt, ein Buch wäre nicht lieferbar, dieser aber feststellt, dass es bei Amazon vorrätig ist.
Der Sprecherkreis und Mitglieder der Interessengemeinschaft unabhängiger Verlage im Börsenverein (IGuV) möchten darum gemeinsam mit den betroffenen Sortimentern, Online-Buchhändlern und allen Barsortimenten nach Lösungen suchen. Hierzu ist auf der Frankfurter Buchmesse ein Gespräch geplant, zu dem zeitnah eingeladen wird.
Noch ein Wort zu dem Angebot, alternativ BOD zu nutzen: Das kommt für die meisten Verlage nicht in Frage. Aufwändiger ausgestattete Bücher sind sowohl kalkulatorisch als zum Teil auch technisch über BOD nicht machbar. Vielfach sind zudem noch größere Auflagen der jetzt ausgelisteten Titel vorrätig. Es ist wirtschaftlich und aus Umweltschutzgründen nicht vertretbar, diese zu vernichten, um sie künftig über BOD neu zu drucken – zumal die BOD-Produktion ökologisch ohnehin deutlich schlechter abschneidet als die klassische Buchherstellung. Außerdem berichten Verleger von untragbaren Lieferzeiten bei BOD im Weihnachtsgeschäft.
Von Libri erwarten alle Geschäftspartner eine offene Kommunikation und eine transparente Information über die Kriterien, die ein Buch erfüllen muss (Umsatzmengen, Zeiträume, "Bewährungsfristen" für Neuerscheinungen), um von Libri ans Lager genommen zu werden. Bei zukünftigen Remissionen muss eine Vorabinformation an die Verlage erfolgen. Die Rückzahlungsziele für die Verlage sollen sich an den Zahlungszielen orientieren, die Libri für sich im Einkauf beansprucht. Im Libri-Katalog sind die Titelinformationen so zu formulieren, dass klar ersichtlich ist, dass, wenn ein Titel über Libri nicht lieferbar ist, er über andere Wege bezogen werden kann (evtl. auch als Bestelltitel).
Langfristig können alle Beteiligten – Verlage, Sortimenter und Zwischenbuchhandel – nur wirtschaftlich erfolgreich sein, wenn sie, trotz teilweise unterschiedlicher Interessen, im Umgang miteinander den Grundsätzen des guten Kaufmanns folgen und fair zusammenarbeiten.
Der Sprecherkreis der IGuV im Börsenverein
Der Vorstand der Kurt Wolff Stiftung
Steffi Bieber-Geske, Kinderbuchverlag Biber & Butzemann, Vorsitzende des Bücherzauber e.V.
Björn Bedey, Bedey Media
Karin Timme, Frank & Timme
Robert S. Plaus, Carpathia Verlag
Britta Jürgs, AvivA Verlag
Wolfram Alster, Main Verlag
Tristan Rosenkranz, Edition Outbird
Monika Fuchs, Verlag Monika Fuchs
Grit Richter, Art Skript Phantastik
Michael Haitel, p.machinery
Marion A. Müller – Periplaneta
Ines Rein-Brandenburg, Verlag Kern
Volker Surmann, Satyr Verlag
Claudia Gehrke, Konkursbuch Verlag
Barbara Jost, Kontrast Verlag
Cristina Henrich-Kalveram, HENRICH EDITIONEN
Annette Sievers, pmv Peter Meyer Verlag
Uwe Achterberg, Michael Neugebauer Edition
Klaus Jans, KUUUK Verlag mit 3 U
Hanns-Martin Rüter, AISTHESIS VERLAG
Gerhard Stange, Edition contra-Bass
Rolf Wagner, Prolibris Verlag
Reinhilde Ruprecht, Edition Ruprecht
Markus Schnurpfeil, Echt Jood Medien
Nora Frisch, Drachenhaus Verlag
Karen Grol-Langner, STORIES & FRIENDS Verlag
Jan Karsten & Zoë Beck, CulturBooks Verlag
Bastian Salier, Salier Verlag
Michael Kracht, Fehnland-Verlag
Alfons Theodor Seeboth, Wölfchen Verlag
Jürgen Eglseer, Amrun Verlag
Jessica Strang, Tagträumer Verlag
Nadine Reuter, Lysandra Books
Donata Kinzelbach, Kinzelbach Verlag
Holger Kliemannel, Edition Roter Drache
Jens Korch, Edition Wannebuch
Jens Bolm, JMB Verlag
Swetlana Neumann, Wiesengrund Verlag
Sigrid Pomaska, Pomaska-Brand-Verlag
Torsten Low, Verlag Torsten Low
Tobias Eisermann, Eisermann Verlag
Marc Hamacher, Leseratten Verlag
Peter Amsler, Erzählverlag
Sandra Vogel, piepmatz Verlag
Veronika Aretz, VA-Verlag
Ralf Jordan, Geschichtlicher Büchertisch
Bettina Ickelsheimer-Förster, Shadodex - Verlag der Schatten
Jana Reich, Marta Press
Mele Brink und Bernd Held, Edition Pastorplatz
Annika Kuhn, Pinipas Abenteuer
Peter Kern, KernVerlag
Georg Nies, OCM Verlag
Charlotte Erpenbeck, Machandel Verlag
Karim Pieritz, Verlag Karim Pieritz
Britta Schmidt von Groeling, World for Kids
Dietmar Noss, Merlin’s Bookshop
Elisa Carow, Carow Verlag
Karina Lotz, edition federleicht
Kai Falkenberg, Edition Falkenberg
Westarp Science Fachverlage und Westarp Verlagsservice GmbH
Christian Schmal & Tara Moritzen, Zauberfeder
Kristina Jelinski, Ahead & Amazing
Peter Gerlach, Hasenverlag
Christl Kiener, KIENER Verlag
Hajo Schörle, Buch & Bild Verlag Nagold
Sonia Lauinger, Lauinger Verlag
Helene Düperthal, Lebensweichen Verlag
Franz König, Verlag ratio-books
Michael Handwerk, Edition Pommern
Thorsten Zeller, Reimheim Verlag
Angelika Schulz-Parthu, Leinpfad Verlag
Brigitte Bülau, Hippocampus Verlag
Lutz Stellmacher, Sandstein Verlag
Sewastos Sampsounis, Größenwahn Verlag
Olaf Eimer, Verlag für Regionalgeschichte
Fred Pusch, Projekt Verlag
Claudia von Holten, Amiguitos – Sprachen für Kinder
Ingrid Maikath, amicus-Verlag
Inge Heuer-Kölpin, Pinkvoss Verlags GmbH
Marcus Mery, Ausbildungspark Verlag
Heike Birke, BALAENA Verlag
Patricia Hahne-Wolter, SchauHoer Verlag
Else Laudan, Argument Verlag mit Ariadne
Christina Schmitt, TRIGA
Annette Stroux, S T R O U X edition
Jörn Kobes, Computus Verlag
Wolfgang Neumann, Solibro
Sebastian Frenzel, homunculus verlag
Peter R. Hellinger, art&words
Vielleicht könnte der noch aktuelle Vorsteher hier seine Erfahrungswerte einbringen, da es sich tatsächlich um ein gravierendes Problem der gesamten Branche handelt.
Sie können sich nicht vorstellen, wie viel Umsatz durch diese falschen Infos bei Kleinverlagen (und letztlich auch bei Buchhandlungen!!) ständig verloren geht, wie viel Werbung im teuren Nirwana versinkt, wie viel fehl informierte Kunden frustriert die Buchhandlung verlassen ... (Vom einen oder anderen erhalte ich dann mal eine E-Mail und Nachfrage, ob ich als Kleinverlegerin das Buch noch liefern kann, doch das scheint die Ausnahme zu sein.)
In das VLB schien mir schon seit Jahren keiner mehr hereinzugucken. Jetzt rückt es endlich mal wieder etwas mehr in den Blick der Buchhandlungen, wenn es um
Titelrecherchen geht, und das ist gut so. Das VLB bildet die Menge der lieferbaren Titel viel adäquater ab als eine Firma wie Libri!!!
Ich wünsche mir, dass in der gesamten Buchbranche und nicht nur in diesem kleinen Forum alle um diesen "systemimmanten Fehler" wissen und dementsprechend gründlicher nach Titeln von kleinen Indies recherchieren, die ja oft aktiv von Kunden nachgefragt werden.
ich verstehe Ihren Kommentar nicht. Es geht doch darum, dass, wenn der Kunde*in ein Buch bestellen will und es sich nicht im Bestand der Großhändler befindet, er/sie dieses online zunächst nur bei Amazon findet. Ob ein Sortimenter*in das Buch anschafft und sich in den Laden stellt unterliegt noch einmal anderen Kriterien.
Die Erfahrung Ihres Tests liegt schlicht und ergreifend daran, dass einige Buchhandelsketten so gar kein Interesse daran haben, die selbst oder beim unmittelbaren Zulieferer nicht gelisteten Titel überhaupt besorgen zu wollen, weil dies im Sinne deren Geschäftsmodells zu aufwändig ist. Frau Pekrul deutete dies schon an und auch wir haben hier durchaus Erfahrung mit Falschaussagen aus den Kreisen größerer Sortimenter.
Ob nun dumme, geizige (kein VLB), faule (keine saubere Recherche) Buchhändler, die Nichtlistung bei Libri oder die sich teils der kompletten Lieferbarkeit verweigernden Buchhandelsketten ursächlich für wesentliche Probleme sind, diese Frage ist schon fast hinfällig, wenn man diese ganze Geschichte in unserer Branche mal aus der Vogelperspektive bis zu ihrer ganz bitteren Pointe weiterdenkt:
Bei der Begründung der Buchpreisbindung in Deutschland heißt es zum Zwecke des Gesetzes unter Paragraph 1: „Das Gesetz dient dem Schutz des Kulturgutes Buch. Die Festsetzung verbindlicher Preise beim Verkauf an Letztabnehmer sichert den Erhalt eines breiten Buchangebots. Das Gesetz gewährleistet zugleich, dass dieses Angebot für eine breite Öffentlichkeit zugänglich ist, indem es die Existenz einer großen Zahl von Verkaufsstellen fördert.“
Wie lange der letzte Teil angesichts möglicher Internetorder noch trägt, kann keiner ernsthaft voraussehen. Aber es wäre schon juxig, wenn sich ausgerechnet das Unternehmen aus Seattle neben einigen wenigen sehr ambitionierten Sortimentsbuchhändlern vermittels der Sichtbarmachung und willentlich angebotener Besorgungsfähigkeit auch wirtschaftlich weniger rentabler Titel als letzter Gralshüter des Erhalts der deutschen Buchpreisbindung entpuppt – es ist zum Lachen und zum Weinen zugleich.
Ja, es wäre in der Tat gegeben, dass der Börsenverein mal drüber nachdenkt, inwieweit er hier bei den unterschiedlichen Interesselagen, aber angesichts der uns alle betreffenden Entwicklungen, vermittelnd tätig werden kann. Sonst endet es eventuell wirklich so, wie Matthias Ulmer es geschildert hat.
Jens Bartsch – Buchhandlung Goltsteinstraße in Köln