Leserbrief

"Welche Rolle wird der mittlere und kleine Buchhandel in Zukunft für Carlsen spielen?"

8. Oktober 2007
von Börsenblatt

"Mit Interesse durfte ich das Interview im letzten Börsenblatt Heft 40 vom 4.Oktober "Die Zeit nach Potter" verfolgen. Der gesamte Inhalt des Interviews zeigt meines Erachtens auf, von welchem "hohen Ross" nach unten regiert wird", schreibt Jörg Jahn-Meyer in einem Leserbrief.

Hier der Brief im Wortlaut:


"Zunächst wird im Intro des Interviews nach dem Gefühl gefragt "Retter des Weihnachtsgeschäftes" zu sein. Betriebswirtschaftlich wäre hier schon einmal anzumerken, dass neben Potter und Carlsen auch noch andere sehr gute Verlage und Publikationen am Markt sind. Meines Erachtens kann durch eine gute und gezielte Bewerbung aller guten Publikationen durch einen kleinen wie auch durch einen großen Buchhändler ebenfalls eine "Rettung des Weihnachtsgeschäftes" erzielt werden. Meiner Meinung nach wird ein Weihnachtsgeschäft nicht durch eine Einzelpublikation gerettet, sondern durch die persönliche Beratung am Kunden und zusätzlich durch die Empfehlung von Publikationen, die seinen individuellen Bedürfnissen entspricht.

In dieser Frage fordert Herr Humann indirekt dazu auf, einzelne Titel stärker zu inszenieren und Erstverkaufstage zu feiern. Dies ist bei großen Buchhandlungen die Hunderte von Exemplaren abnehmen ohne weiteres finanziell zu stemmen. Kleine Buchhandlungen auf dem Lande wie die meinige müssen sich solche »Inszenierungen« schon wohl berechnend überlegen. Gerade wenn Verlage wie Carlsen nur kalt lächelnd mit Werbematerialien sehr zurückhaltend reagieren. Als kleine Buchhandlung auf dem Lande rät mir daher der Kundendienst bei Carlsen meine bisher 30 Vorbestellungen für den siebten Potterband bei Libri zu bestellen. "Ausnahmsweise würde man mich in die Eulenpost aufnehmen."

So bekam ich zumindest meinen Abreißkalender für den Countdown. Man könnte daher vermuten, dass der neue Vermarktungsweg an Kleinstbuchhandlungen vorbei direkt an den Endkunden geht. Dies beweist vor allem die Frage an Herrn Kaufmann, ob man das Buch doch dem Handel nicht mehr wirklich verkaufen müsse. Ich verstand diese Frage in dem Tonus, das der Handel dieses Buch auch ohne große Außendienstaktionen annimmt und bestellt. Herr Kaufmann jedoch stellt eher die Zugriffe heraus, die auf die Internetpräsenz für den siebten Band erfolgt sind und 300.000 User über die Verlagsseite geleitet haben. Von den Besuchern nach dem Voting erst gar nicht gesprochen. Hätten nur 5% der über die Seite geleiteten den siebten Band dort bestellt, so wären 15.000 Exemplare am Handel vorbei verkauft worden. Macht jedoch auch Sinn: An Direktabnehmer braucht man keine Rabatte zahlen.

Ergo: Man muss das Buch dem Handel nicht verkaufen. Der Verlag macht es gleich an den Endverbraucher. In dem oben erwähnten Interview berichtet Herr Kaufmann weiterhin über die Übernahme von Nelson in Stuttgart. Die Mitarbeiter dieses Verlages werden angeblich bei Blue Ocean weiterbeschäftigt. Die Marke wird einfach nach Hamburg einverleibt. Diese Äußerung spiegelt meines Erachtens nach außen kein großes soziales Bewusstsein und Sensibilität. Jedoch spreche ich es mir meinerseits auch ab über solche Interna aus der Ferne zu richten. Die Äußerung hat meines Erachtens nur einen leicht faden Beigeschmack! Ferner kommt man auf die Idee neben der eigenen Marke PIXI als sogenannte "Premiummarke", Nelson im nicht-buchhändlerischen Bereich anzusiedeln. Aus diesen Worten kann man zweierlei deuten: Einerseits wird hierdurch die Klassengesellschaft propagiert andererseits zum zweiten Mal im Interview der nicht-buchhändlerische Bereich hervorgehoben. Kann man bei diesem Interview erahnen, welche Rolle der mittlere und kleine Buchhandel für Carlsen in der Zukunft spielen wird? Diese Frage wurde in diesem Interview nicht gestellt. Ich hätte sie jedoch gerne gelesen!

Jörg Jahn-Meyer
The Book Buchhandlung Stolzenau
The Book Buchhandlung Liebenau