Mit Wolfgang Stapp tritt einerseits ein Vertreter der Gründergeneration ab, die die deutsche Buchbranche nach dem Zweiten Weltkrieg und den Berliner Buchhandel während der deutschen Teilung aufgebaut und zur Blüte gebracht hat. Andererseits verliert die Branche einen bis vor einigen Monaten noch trotz seines Alters vor verlegerischen Ideen und Aktivitäten sprühenden Unternehmer, der wie ein wesentlich Jüngerer mit E-Mails, Internet und anderen digitalen Errungenschaften umging, an die sich die meisten seiner Altersgenossen gar nicht erst herangetraut hatten.
Mit Wolfgang Stapps Erklärungen durch Berlin zu laufen oder mit ihm über die Geschichte Potsdams oder der Mark Brandenburg zu fachsimpeln, war ein wahrer Quell des Vergnügens. Nicht zufällig hat der Stapp-Verlag sein Programm auf Berolinensien und Brandenburgensien ausgerichtet, war der Verleger doch selbst einer der besten Kenner der Geschichte der Region. So beschränkte sich sein ehrenamtliches Engagement auch nicht bloß auf den Ferienhäuser-Verein des Börsenvereins. Vielmehr war Wolfgang Stapp über Jahrzehnte einer der Hauptaktivisten der Theodor Fontane-Gesellschaft sowie auch Gründer des Freundeskreises der Stadtbibliothek Steglitz-Zehlendorf. Seine Führungen durch die verschiedenen Stadtviertel und ihre Geschichte, die er regelmäßig für heimatpflegende Vereine anbot, waren in Berlin Legende.
Die Energie, mit der er sich seinen beruflichen und ehrenamtlichen Lebensthemen verschrieben hatte, hat Wolfgang Stapp immer wieder auch über persönliche Schicksalsschläge hinweggeholfen. Nach einem schweren Verkehrsunfall in den 60er Jahren, der eine Gehbehinderung verursachte, kämpfte er sich mit eiserner Disziplin und ohne jedes klagende Wort wieder zurück unter die Fußgänger. Und nach dem Verlust seiner Ehefrau vor einigen Jahren, mit der er als pater familias stets gerne Töchter, Schwiegersöhne und Enkel um sich scharte, unterstützte er die Gründung einer neuen Berliner Buchhandlung und stürzte sich trotz seines Alters wieder in neue, aufregende Verlagsprojekte zur Geschichte Brandenburgs und Berlins - denen nun posthum auch die Arbeit der von ihm gegründeten Stapp-Stiftung dienen wird.
Mir ist Wolfgang Stapp, der große Fontane-Freund, immer vorgekommen wie eine Figur aus einem Fontaneschen Roman. Schon sein charakteristisches Äußeres, die hoch aufgeschossene Gestalt mit den markanten schlohweißen Koteletten, seine Persönlichkeit mit Ecken und Kanten, aber dem Berlinerischen Herz auf dem rechten Fleck, hätten als Personnage für ein Buch Fontanes getaugt. Erzählstoff genug hätte sein bewegtes Leben in der Buchbranche sicherlich geboten, sei es die frühe Epoche als Vertriebsleiter bei S.Fischer, das langjährige Wirken als Vorstand der Korporation Berliner Buchhändler oder der Wiedererwerb seines 1953 gegründeten und zwischenzeitlich schon einmal veräußerten Stapp-Verlags. Man hätte dieses Buch gerne gelesen!
Kennen lernte ich Wolfgang Stapp, als ich 2006 als Vertreter des Börsenvereins in den Vorstand des Vereins "Ferienhäuser des deutschen Buchhandels" eintrat. Als Erster Vorsitzender dieses Vereins hat Wolfgang Stapp der Branche über 25 Jahre lang ehrenamtlich gedient. Dass nach Auflösung des Vereins vor drei Jahren ein Vereinsvermögen von über 94.000 Euro dem Sozialwerk des Deutschen Buchhandels übertragen werden konnte und nun für unverschuldet in Not geratene Kolleginnen und Kollegen und deren Angehörige zur Verfügung steht, war in erster Linie auf das unermüdliche Engagement seines Ersten Vorsitzenden zurückzuführen. Dafür wurde Wolfgang Stapp vom Börsenverein auf der Hauptversammlung 2014 geehrt.
In den Jahren, in denen wir, gemeinsam mit dem Berliner Verleger Dieter Beuermann als weiterem Vorstandsmitglied, den Rechtsstreit des Ferienhäuser-Vereins gegen die Treuhand – die dem Verein seine beste Immobilie in Usedom nach der Wende enteignet hatte – zu Ende führten, bin ich Wolfgang Stapp immer wieder persönlich begegnet. Diese Treffen waren menschlich für mich sehr bereichernd und es ist aus ihnen eine Verbundenheit hervorgegangen, die mich die Nachricht von seinem Tode, mag diese auch nicht ganz unerwartet gekommen sein, mit Schmerz empfinden lässt.