Ingeborg-Bachmann-Preis 2017

Ferdinand Schmalz gewinnt

10. Juli 2017
Holger Heimann
Gestern sind in Klagenfurt die 41. Tage der deutschsprachigen Literatur zu Ende gegangen, besser bekannt als Bachmann-Wettlesen. Den Hauptpreis erhielt der österreichische Dramatiker Ferdinand Schmalz.

Ferdinand Schmalz trat in Klagenfurt – perfekt abgestimmt – mit schwarzem Hut, dunklem Anzug und schwarzer Krawatte auf. Der Mann hat Bühnenerfahrung, das war augenfällig, er ist erfolgreicher Dramatiker. Aber nicht nur der Auftritt war makellos, die Lesung war es auch: "Mein Lieblingstier heißt Winter", sein verdientermaßen mit dem Ingeborg-Bachmann-Preis (25.000 Euro) ausgezeichneter Beitrag, ist ein Text mit viel drive und Gefühl für Sprachrhythmus. Im Mittelpunkt steht ein Bofrostmann, der Tiefgekühltes ausliefert. Einer seiner Kunden überrascht ihn mit einer außergewöhnlichen Bitte: Der Krebskranke will sich umbringen, indem er in die Kühltruhe steigt. Der Tiefkühlprofi soll die Leiche abtransportieren und auf einem Berg ablegen, damit sie in der Morgensonne wieder auftauen kann. "Mein Lieblingstier heißt Winter" ist ein komischer, sprachlich genau gearbeiteter Text, aber es geht um nicht weniger als den Tod. Aus dieser Spannung schlägt er literarische Funken.

Ferdinand Schmalz, der eigentlich Matthias Schweiger heißt, war dabei erst der dritten Einladung der Jurorin Sandra Kegel, Redakteurin bei der FAZ, nach Klagenfurt gefolgt. Zuvor sei er zu stark mit Theaterprojekten eingebunden gewesen. Jetzt, so kündigte er an, will er parallel zur Theaterarbeit mit der Prosa weitermachen. 

Weitere Preise

Manche in Klagenfurt hatten auf einen anderen Gewinner getippt. Der US-Amerikaner John Wray, bereits ein erfolgreicher Romancier in seiner Heimat, von dem es bei Rowohlt einige auf Deutsch übersetzte Romane gibt, schien anfänglich der aussichtsreichste Kandidat zu sein. Glücklicherweise werden in Klagenfurt mehrere Preise vergeben: Wray erhielt schließlich den erstmals vergebenen Deutschlandfunk-Preis (12.500 Euro).

Ein US-Amerikaner aus Brooklyn bei den Tagen der deutschsprachigen Literatur – allein das war bemerkenswert und einmalig. Tatsächlich ist Wray das Deutsche jedoch nicht ganz fremd, denn er hat eine österreichische Mutter. Sein Klagenfurt-Beitrag "Madrigal" war dennoch der erste literarische Text, den er auf Deutsch verfasst hatte. Das Schreiben in der Sprache seiner Mutter falle ihm schwerer, verriet er.

Seinem Beitrag war die Mühe nicht anzumerken. "Madrigal" beginnt und endet mit dem Telefonat zweier Geschwister, die Schriftsteller sind. Aber das Gespräch der beiden ist nur der Rahmen. Wray hat in seine Erzählung eine ganze Reihe von Geschichten gepackt – sein kunstfertiger Beitrag erzählt von Vögeln, einer Regenwaldexpedition und – wer wollte – konnte sogar Donald Trump darin wiederfinden.

Während in den Vorjahren die Frauen dominierten, war es in diesem Jahr umgekehrt:

Auch die dritte Auszeichnung, der mit 10.000 Euro dotierte Kelag-Preis, ging an einen Mann – an Eckart Nickel – und das völlig zu Recht. Nickel war einmal Mitglied des popliterarischen Quintetts "Tristesse Royal". In Klagenfurt las er einen Text mit dem Titel "Hysteria" – und die Überschrift war nicht von ungefähr gewählt. Erzählt wird von einem Mann mit übergenauer Wahrnehmung, der mehr und mehr in eine Paranoia abgleitet – und all das nur, weil mit den Himbeeren etwas nicht stimmt, die er kaufen will.

Es gab einige Beiträge in Klagenfurt, die von Flüchtlingen handelten, von gefährdeten Existenzen – also ganz nah am Zeitgeschehen waren. Der 3sat-Preis (7.500 Euro) wurde für einen solchen Text an die Schweizerin Gianna Molinari vergeben. In "Loses Mappe" fällt ein Mann aus dem Flugzeug, ein blinder Passagier.

Den per Internetvotum bestimmten Publikumspreis (7.000 Euro) erhielt die in Wien lebende Schriftstellerin Karin Peschka für "Wiener Kindl". In ihrem endzeitlichen Wien sind ein Kind und ein Rudel Hunde die letzten Überlebenden. Peschka, die von den Juroren nicht für die Endrunde der besten sieben von 14 Autoren nominiert worden war, verriet offenherzig, sie habe sich schon in ihr Notizbuch notiert: "Ich gehe leer aus." Den Eintrag musste sie gestern korrigieren.