Bastei Lübbe und Amazon haben laut eBuch die Unterwerfung abgelehnt, jeweils mit dem Hinweis, zum einen seien E-Books keine Bücher, zum anderen sei auch das Verschenken eines Buches kein Verstoß gegen Paragraf 3. Die eBuch werde daher mit dem heutigen Tag eine gerichtliche Klärung dazu einleiten.
Bestritten worden sei auch, dass Bastei Lübbe ein Mittäter sei. Alle Äußerungen aus dem Hause Bastei Lübbe ließen aber darauf schliessen, dass die Aktion zwischen Amazon und Bastei Lübbe abgesprochen war und weitere Aktionen in der Zukunft folgen sollten. Genau um dies zu verhindern, gehe die eBuch dagegen vor.
Bei Preisbindungsexperten bestehen große Zweifel, dass Sie mit Ihrer Klage gegen Amazon und Bastei Lübbe Aussicht auf Erfolg haben. Was passiert, wenn Sie mit der EinstweiligenVerfügung vor Gericht scheitern?
Dann würden wir uns den Grund des Scheiterns genau ansehen. Das wird aber nicht der Fall sein. Wir wollen geklärt haben, dass Paragraf 3 des Preisbindungsgesetzes ("Wer gewerbs- oder geschäftsmäßig Bücher an Letztabnehmer verkauft, muss den nach § 5 festgesetzten Preis einhalten.") das Verschenken von Büchern verbietet. Um es klar zu machen: Es geht in diesem Paragrafen nicht um den einzelnen Akt, bei dem entschieden werden kann: Verkauf oder Schenkung. Sondern: Wer überhaupt gewerbsmäßig Bücher verkauft, muss bei jedem einzelnen den festgesetzten Preis einhalten.
Verschenken, das darf jeder tun, der nicht gewerblich Bücher an Letztabnehmer verkauft, wer das aber tut, muss den Preis einhalten. Der Preis kann möglicherweise auch 0,00 Euro sein, das gilt dann aber für alle Händler und nicht nur für Amazon. Sollten wir erstinstanzlich unterliegen, gehen wir auf jeden Fall weiter bis zum Oberlandesgericht. Ich rechne aber viel eher damit, dass die Gegenseite unterliegt, das aber nicht akzeptieren würde - Bastei Lübbe vielleicht, Amazon nach unserer Erfahrung sicher nicht, da reicht eventuell noch nicht mal ein OLG-Urteil.
Hätte das nicht zur Konsequenz, dass unternehmerische Freiheiten beschnitten werden? Schließlich kann jedes Unternehmen seine Produkte kostenlos und ohne Gegenleistung anbieten. Viele Buchhändler machen ihren Kunden beispielsweise zu Weihnachten Buchgeschenke. Warum wollen Sie das unterbinden?
Das wollen wir gar nicht. Und hätten Bastei Lübbe und Amazon sich einfach an Branchenusancen gehalten, nämlich dass Rabatte auf Bücher (hier 100 Prozent) eben nicht für Werbung eingesetzt werden dürfen und deshalb generell verboten sind, dann hätten wir nicht auf Paragraf 3 pochen müssen. Wir werden solche Grenzfälle auf keinen Fall thematisieren, wollen aber unbedingt verhindern, dass Amazon oder andere Große, die sich das leisten können, solche Bauernfängerei regelmäßig zu ihren Gunsten betreiben.
Glauben Sie, dass das Preisbindungsgesetz dafür gemacht wurde, solche Freiheiten einzuschränken?
Nein, es wurde gemacht, um einen Wettbewerb – und da steckt ja auch das Wort Werbung mit drin – über den schieren Preis zu verhindern. Und genau das klagen wir jetzt ein und werden auch Recht bekommen, der Paragraf 3 gehört zu den klarsten und eindeutigsten Gesetzestexten, die mir je untergekommen sind.
Rezensionsexemplare oder Bücher, die zum Welttag des Buches verschenkt werden, könnten durch Ihr Vorgehen ebenfalls ins Visier der Gerichte geraten und möglicherweise unliebsame Entscheidungen zur Folge haben.
Wir werden nur den oben genannten Punkt beklagen. Es geht uns nur um diesen einen Fall. Rezensionsexemplare oder die Welttags-Bücher kommen in unserer Klage nicht vor, das Gericht wird also darüber auch nicht entscheiden. Außerdem fällt die Stiftung Lesen nicht unter den Paragrafen 3, da sie nicht „gewerbsmäßig Bücher an Letztabnehmer verkauft“. Rezensionsexemplare solange auch nicht, wie der Verlag selbst kein Direktgeschäft betreibt. Und über den anderen Fall werden wir fein stille schweigen. Es täte uns sehr leid, wenn es da Probleme gäbe, aber wir hätten das nicht zu verantworten, sondern diejenigen, die meinten, man dürfe als gewerblicher Verkäufer Bücher als Werbeaktion gratis abgeben. Nein, darf man nicht.
Zwar kommen Rezensionsexemplare und Welttags-Bücher nicht in Ihrer Klage vor. Wird es nicht dennoch dazu führen, dass auch solche Usancen nicht mehr rechtssicher möglich sind?Wie schon gesagt, Verschenken darf jeder, der nicht gleichzeitig geschäftsmäßig Bücher verkauft, z.B. die Elektro-Firma, die ihren Mitarbeitern zu Weihnachten ein Buch schenkt, oder eben die Stiftung Lesen. Was die Weihnachtsgaben der Buchhändler angeht, da muss man schauen, ob die verschenkten Bücher überhaupt preisgebunden sind, d.h. einen Preis haben. Meistens sind das ja Sonderausgaben. Und sollten die trotzdem eine ISBN bekommen, dann ist es dem Verlag durchaus möglich, den Preis auf 0,00 € zu setzen. Dann darf das Buch auch gratis abgegeben werden. Im Übrigen wird von unseren Buchhändlern seit Jahren eine Weihnachtsgabe organisiert, die kein Buch ist. Falls irgendwer auf die unsinnige Idee kommt, Weihnachtsgaben in Form von Büchern beklagen zu wollen – wir werden das sicher nicht sein.
Wie schnell wird es gehen, bis Sie eine Entscheidung für oder gegen eine Einstweilige Verfügung haben?
Schwer zu sagen, es könnte bei diesem durch die Rechtsprechung noch nicht behandelten Thema auch eine mündliche Verhandlung geben, dann haben wir in drei bis vier Wochen eine Entscheidung. Ohne mündliche Verhandlung wird es ca. eine Woche dauern.
Wie schätzen Sie Ihre Erfolgsaussicht ein?
Das kann ich Ihnen sagen: Genau 100 Prozent, spätestens beim OLG, aber vermutlich schon erstinstanzlich. Der Gesetzestext ist nicht auslegbar und lässt da keinerlei Spielraum zu: Wer gewerblich Bücher verkauft, muss den Preis einhalten. Immer! Tertium non datur.
Wie finanzieren Sie die juristischen Auseinandersetzungen der eBuch?
Wir führen ca. 50 Verfahren im Jahr, mal Preisbindung, mal UWG, von denen wir glücklicherweise nur ganz wenige verlieren, zwei oder drei. Deswegen kostet das nicht viel, außer unserer Arbeitskraft. Natürlich werden wir auch mal Geld los, aber zum Ausgleich können wir manchmal kleinere Strafgelder einsetzen. Aus Genossenschaftsgeldern haben wir 2015 ca. 10.000 Euro dazugeschossen.
Üblicherweise wird das Strafgeld an das Sozialwerk oder andere gemeinnützige Organisationen gespendet ...
Das tun wir in Fällen, bei denen sich das richtig lohnt, in denen wir so eventuell eine längerfristige Auseinandersetzung vermeiden möchten – gerade Branchenmitglieder zahlen lieber ans Sozialwerk. Und bei Fällen, bei denen wir das Gefühl haben, hier ist es wichtig, dem Buchhandel etwas zurückzugeben, was ihm mit eventuell unfairen Methoden abgejagt wurde, z.B. wenn es um Preisbindungsverstöße von Amazon geht. Wenn aber ein Supermarkt einer Kette wieder mal preisgebundene Bücher rein lokal als Aktionsware bewirbt, weil der örtliche Betriebsleiter den entsprechenden Hinweis der Zentrale übersehen hat, dann freuen wir uns, das anfallende Strafgeld für andere Aktionen investieren zu können.
Interview: Christina Schulte
Und hier noch Argumentationslinien der eBuch-Anwälte sowie der eBuch:
Warum E-Books Bücher sind:
Das Gegenargument, E-Books seien keine Bücher, widerlegen die Anwälte der eBuch, die Berliner Kanzlei v. Nieding Ehrlinger Marquardt: Der vom Kabinett gebilligte Referntenentwurf sei juristisch nur eine Klarstellung ohnehin schon bislang geltenden Rechts und diene nur der Rechtssicherheit.
Und so argumentiert die eBuch: "Die Tatsache, dass die Branche sich bislang offenbar in völliger Einigkeit an die von den Verlagen festegesetzten E-Book-Preise gehalten hat, belegt eindrucksvoll, dass eben diese Branche E-Books schon immer als Bücher betrachtet hat, es ist uns kein Fall bekannt - bei immerhin bislang vermutlich 50-100 Mio. verkauften E-Books - bei dem versucht worden wäre, von diesem Preis um einen gewissen Rabatt nach unten abzuweichen. So fand man den betroffenen Titel auch während der Gratis-Aktionszeit in der Referenzdatenbank des VLB mit seinem richtigen Preis und dem wohlbekannten roten Referenzhäkchen, das ihn als gebundenen Preis und damit der Preisbindung für Bücher unterliegend kennzeichnet.
Warum es Gratis-Aktionen weiterhin geben darf:
Jeder Verlag kann, mit einer Vorlaufzeit von vier Wochen, den festgesetzten Preis ändern, ggfs. eben auch auf 0,00 €, und ihn Tage oder Wochen später wieder auf einen gewünschten Markt-Preis anheben. Dann allerdings muss jeder Händler, der das Buch oder E-Book ausliefert, diesen festgesetzten Null-Preis einhalten, eine Überschreitung wäre ebenso ein Verstoß gegen §3, wie jeder Rabatt es ist. Sicher ergeben sich noch andere Fragen in diesem Zusammenhang, aber der eBuch geht und ging es vornehmlich darum, Amazon eine Umgehung des Verbots der Werbung mit preisreduzierten Büchern zu verbieten, denn genau darum geht es im §3 der Buchpreisbindung, für deren genaue Einhaltung die eBuch sich immer eingesetzt hat."
In einer vorherigen Version wurde die Argumente der eBuch irrtümlich den Anwälten der eBuch zugeschrieben. Wir bitten dies zu entschuldigen.
Sie haben es leider auf diesen Tag verschoben, schade, hätte ich Ihnen nicht zugetraut!
Gerne wird im Zusammenhang mit der amerikanischen Ökonomie das Gesetz des Dschungels angeführt, es herrsche nun mal auf einem freien Markt das Gesetz des Stärkeren und dagegen könne man leider nichts machen, der Branchenkenner bezeichnet das als die "echte Marktwirtschaft". Das allerdings ist grober Unfug, den die Zivilsationsleistung des Menschen besteht ja nun gerade darin, das reine Recht des Stärkeren zu Gunsten der Rechte einer ganzen Gruppe eingeschränkt zu haben. Warum sonst, lieber Branchenkenner, sollte denn Mord und Totschlag verboten sein? Und Raub und Diebstahl und Betrug und all das? Und genau das: nämlich die Errichtung von Gesetzen, die ein friedvolles Zusammenleben auch den Schwächeren ermöglicht, wurde ganz selbstverständlich auf die Wirtschaft ausgeweitet, nicht zuletzt um der unbegrenzten Ausbeutung Schwacher durch einzelne Starke Einhalt zu gebieten. Das ging nicht immer friedlich, die Bauernaufstände haben viel Blutvergiessen gefordert, die diversen Weberaufstände quer durch die Jahrhunderte hatten alle denselben ökonomischen Hintergrund: Verarmung durch unzureichende Löhne, Hunger und Not.
Und eine Marktwirtschaft, wäre Sie denn so frei und ungebunden, hätte sicher auch keine Kartellgesetz, warum denn, soll doch der Größte und Stärkste obsiegen. Wirtschaft wird also immer in irgendeiner Form eingeschränkt und gebunden, um wenigsten den gröbsten Auswirkungen des Rechts des Stärkeren Einhalt zu gebieten - und das ist auch gut so. Wenn Sie wissen wollen, warum Sie in Los Angeles praktisch immer im Stau stehen, und sich dann fragen, warum der ÖPNV völlig unzureichend ist, dann landen Sie unweigerlich bei der Geschichte, wie die Ölkonzerne den Bau eines Strassenbahnnetzes wirksam unterbunden haben - in den 30iger Jahren. Die Stadt leidet noch heute unter diesem "Recht des Stärkeren". Und das existiert leider trotz aller Beschränkungen auch heute noch, wie Bertold Brecht prophetisch formuliert hat: "Was ist ein Einbruch in eine Bank gegen die Gründung einer Bank?" Wie wahr: Zuerst beklauen die Banken ihrer Kunden, indem sie ihnen Schrottpapiere verkaufen, dann sind sie auch noch "to big to fail" und müssen mit Steuergeldern gerettet werden, ist das nicht fantastisch? Sie sehen also: es gibt seeeehr gute Gründe, einzelne Wirtschaftsteilnehmer nicht zu groß werden zu lassen, denn sie werden ganz automatisch tun, was eben nur der Stärkere tun kann: Sie werden versuchen Konkurrenten zu vernichten, auszuhungern, um ihre eigene Position zu sichern und die ganz Schwachen, die Kunden, am Ende auch noch zu übervorteilen. Und, falls sie sich dabei verkalkuliert haben, mit Steuergeldern retten zu lassen.
Heute haben wir in Sachen amazon/Lübbe zwar die Sympathie der Gerichte auf unserer Seite, aber wegen unzureichender Formulierungen im BuchPRG leider nicht "Recht bekommen". Klar geworden ist damit aber auch, daß dieses Gesetz in sich widersprüchlich ist, und das müssen jene verantworten, die es geschaffen haben. Aber im Großen und Ganzen hat das BuchPrG sehr wohl seinen Zweck erfüllt: anders als in England oder Schweden mussten wir in Deutschland nicht das ganz große Buchhandlungssterben verzeichnen, und alle Branchenkenner sind sich einig, daß dies sowohl dem BuchPrG als auch der guten Arbeit der kleinen, lokalen Buchhändler zu verdanken ist.
LG LB
erst einmal Danke für den Kommentar. Sie haben in vielen Dingen Recht, gar keine Frage, allerdings (und das wissen Sie auch selbst) wird es zu einer Erhaltung des Ist-Zustandes nicht reichen nur gegen den bösen, großen vorzugehen, sondern sich auch bewusst machen, dass sehr wahrscheinlich die Anzahl der stationären Buchhandlungen nach unten gehen wird. Der Grund liegt klar auf der Hand: das Kaufverhalten hat sich in den letzten Jahren massiv verändert. Sicher, den größten Anteil am Kuchen bekommt amazon, das aber auch nicht so furchtbar unverdient, sind sie doch in Sachen Kundenzufriedenheit das Maß der Dinge, von Lieferzuverlässigkeit, etc., ganz zu schweigen.
Natürlich zahlt der Kunde einen zusätzlichen Preis in Form von Daten. Ihnen werden nun die Haare zu Berge stehen, wenn ich Ihnen sage, daß ich persönlich zielgerichtete Werbung durchaus schätze und schon so manche Neuerscheinung (Buch, DVD, BluRay) erst durch amazon gesehen habe.
Für mich, nehmen Sie das bitte nicht persönlich, ist diese Aktion verschwendetes Geld gewesen, sinnvoller wäre es eingesetzt in die Kernkompetenz des Buchhandels. Bauen Sie etwas Ähnliches, reden Sie darüber, lassen Sie die Kunden testen, das wird zwar nicht den stationären Handel stärken, aber (und das ist wichtig) sie werden den Gesamtumsatz nicht weg bröckeln lassen. Allemal sinnvoller als einen vollmundigen Prozess zu führen, der zwar Schlagzeilen bringt, schlußendlich aber ein Schuß in den Ofen war.
Zum Schluß sei noch angemerkt, daß Sie die sozialen Aspekte meiner Kommentare (Stichwort Schnäppchenjäger, sozial Schwächere) vollkommen ausgeklammert haben. Würde aber wahrscheinlich den Ramen hier sprengen, also auch abgehakt.
LG
Besorgter Leser
>Sie haben in vielen Dingen Recht, gar keine Frage,
das Kompliment kann/darf ich zurückgeben, und bei so manchem Argument muss ich sagen: Leider.
>dass sehr wahrscheinlich die Anzahl der stationären Buchhandlungen nach unten gehen wird.
Damit ist zu rechnen, und ja, das tun wir auch, wir sind nicht blauäuig ;-)
>Der Grund liegt klar auf der Hand: das Kaufverhalten hat sich in den letzten Jahren massiv verändert. Sicher, den größten Anteil am Kuchen bekommt amazon,
da allerdings täuschen Sie sich, das ist keineswegs so. Leider erweckt die Presse seit Jahren den Eindruck, es gäbe keinen anderen Buchhändler mehr als amazon. Tatsache ist aber, daß über amazon ca. 20% des Marktes fleissen (ich spreche vom Umsatz mit Büchern, und zwar dem marktgängigen Umsatz, also ca. 5+x Milliarden €). Die Schätzungen schwanken da, aber 20% dürften ein sinnvolles Maass sein.. Ähnlich groß ist Thalia, und Sie sollten den Umsatz der nächstkleineren Ketten nicht unterschätzen (Hugendubel, Mayersche, Schweizer Sortiment, Osiander, Rupprecht etc.) und dann noch die mehreren tausend "normalen" Buchhandlungen. Von denen sind etwa 20% bei uns, und wir haben mit dem Anabel-Zentrallager letztes Jahr zum ersten Mal die 100 Mio € Grenze (VK) durchstoßen. Diese Marktteilnehmer alle zusammen sind also immer noch ca. 4 mal größer als amazon, auch wenn der normale Buchkäufer das nicht glauben mag. Wie gesagt, Presse halt....
>sind sie doch in Sachen Kundenzufriedenheit das Maß der Dinge, von Lieferzuverlässigkeit, etc., ganz zu schweigen.
Hier leider ein: Ja, das ist so. Und übrigens meine Rede (intern und extern) seit anno Tobak.
>Natürlich zahlt der Kunde einen zusätzlichen Preis in Form von Daten. Ihnen werden nun die Haare zu Berge stehen, wenn ich Ihnen sage, daß ich persönlich zielgerichtete Werbung durchaus schätze und schon so manche Neuerscheinung (Buch, DVD, BluRay) erst durch amazon gesehen habe.
Warum sollten mir die Haare zu Berge stehen? Allerdings berichten genau das auch ganz normale Buchkäufer im Laden. Nicht umsonst hat ja Jeff Bezos, oh Wunder, neulich ganz unvermutet das "physical browsing" entdeckt - man könnte fast meinen, er hätte es erfunden ;-) - und baut jetzt Läden.
>Bauen Sie etwas Ähnliches, reden Sie darüber, lassen Sie die Kunden testen,
Lieber besorgter Leser, ich schätze gute Ratschläge, insbesondere, wenn sie fordern, was wir seit langem tun. Daß so etwas nicht einfach ist, können Sie sich vorstellen, denn anders als amazon haben wir keine von Aktionären prall gefüllte Geldbörse zur Verfügung. Das Einsammeln von Investorengeld verursacht die größten Marktverzerrungen, die man sich denken kann. Egal, welches Projekt Sie anschauen, wirklich Innovatives aus den ganz normalen Gewinnen, die auch in anderen Branchen selten mehr als 1-3% des Umsatzes betragen (Ausahme: Apple), zu stemmen, ist sehr, sehr schwer und dementsprechend ein langwieriges Geschäft.
Wäre der scheinbare Erfolg von Tesla erklärbar ohne daß Elon Musk Megatonnen an Geld im Zweifelsfall auch straflos verbrennen darf? Ich will die Leistung von Bezos wirklich nicht kleinreden, aber dieses Wachstum hätte er ohne Investorenmillionen niemals schaffen können. Nun aber zu uns: vor mehr als zwei Jahren haben wir das Projekt "genialokal" auf die Schiene gesetzt, einen übergreifenden Shop für viele hundert Buchhändler. Ja, sagen Sie, aber das gibt es doch schon lange, Libri-Shop, buchkatalog.de, buchhandel.de.... Nun, schauen Sie es sich an, dann können wir darüber reden, was den Unterschied dieser Shops zu genialokal ausmacht. Wenn das Konzept (alle unter einem Dach = eine Adresse, Flächendeckung, Abholung am selben Tag, falls im Regal - Bestände werden angezeigt - oder am nächsten Morgen etc.pp) funktionieren soll, müssten aber möglichst viele mittun. Da hilft die Konkurrenz durch den Börsenverein per Buchhandel.de natürlich nicht wirklich weiter. Es ist wie in den Bauermkriegen: die Bauern haben verloren, weil sie nicht einig waren, weil sie persönliche Eitelkeiten gepflegt haben, statt im Sinne aller vereint zu kämpfen. Und glauben Sie bloß nicht, dieses Phänomen wäre auf Interessengruppen untereinander beschränkt...
>das wird zwar nicht den stationären Handel stärken,
Doch, das ist *ein* Ziel: mit lokaler Kompetenz (Beratung + physical browsing ;-) global, d.h. erstmal landesweit, zu glänzen
>aber (und das ist wichtig) sie werden den Gesamtumsatz nicht weg bröckeln lassen.
Und das ist natürlich erst recht ein Ziel, genau darum geht es hauptsächlich.
>Allemal sinnvoller als einen vollmundigen Prozess zu führen, der zwar Schlagzeilen bringt, schlußendlich aber ein Schuß in den Ofen war.
Man muss das eine tun (genialokal), aber deswegen das andere nicht unbedingt lassen. Es gibt hier eine große Rechtsunsicherheit. Wenn amazon ein eBook für 0,00 Euro anbietet, aber gleichzeitig in der Referenzpreisliste der - von einem OLG-Urteil bestätigt - bundesweit unbedingt gültige Preis von 9,99 Euro verlangt werden *muss*, dann haben wir ein Problem. Und das geht nicht weg, nur weil man den Kopf in den Sand steckt. Wer hindert amazon daran, jederzeit und solange, bis alle anderen eBook-Portale ausgehungert sind, jeden Freitag von 11-12 alle ebooks für den Kindle kostenlos anzubieten? Wenn Sie dann vor der Entscheidung stehen, einen Tolino oder einen Kindle zu kaufen, gibt es da noch eine freie Entscheidung? Genau das war der Hintersinn des Preisbindungsgesetzes: diesen Markt einmal nicht den Größten und Stärksten zum Fraß vorzuwerfen, damit auch - im Sinne der Vielfalt - die Kleinen eine Chance haben - und damit sind nicht nur Buchhandlungen gemeint.
>Zum Schluß sei noch angemerkt, daß Sie die sozialen Aspekte meiner Kommentare (Stichwort Schnäppchenjäger, sozial Schwächere) vollkommen ausgeklammert haben.
Ja, das hatte ich. Sie werden allerdings wenige (ökonomische) Studien finden, die beweisen, daß "Schäppchenjagd" funktioniert, denn gesamtwirtschaftlich muss das immer irgendwie bezahlt werden. Oft genug (bei anderen Produkten) durch mindere Qualität, die dann letzen Endes doch teurer kommt. Und allzu oft finden Sie das Paradoxon, daß gerade sozial Schwächere häufiger als Andere gar nicht wirklich günstig einkaufen (z.B. gerne die Kippen und den Schnaps an der Tanke) bzw. einen gesamtwirtschaftlich "teuren" Lebensstil pflegen (Fertigpizza und Chips => Übergewicht => Diabetes 2) - die Statistken hierzu sind leider eindeutig.
Last-not-least: was war zuerst: Henne oder Ei? Der unterbezahlte Billigjob beim "Schnäppchenanbieter" oder das Verschwinden normaler Jobs durch die Konkurrenz eben jenen "Schäppchenanbieters"? Das Verschwinden "normaler" Läden auf den Einkaufsmeilen, in deren Lücken dann Luxus-Ketten und Dönerläden gestoßen sind - oder die ungebremst und übelst ausbeuterischen Ladenmieten durch gierige Vermieter? Wo können Sie heute nochin Ihrer Einkaufsstrasse Schrauben und Haken und Ösen kaufen, ganz normalen Alltagskram also, ausser auf der grünen Wiese im Riesenbaumarkt? Ich kenne noch einen solchen Laden, da können Sie eine Unterlegscheibe oder einem Dichtungsring hinlegen, und der Verkäufer zieht eine seiner hunderttausend Schubladen auf und präsentiert Ihnen das passende Stück in neu. Und verkauft Ihnen das gewünschte Federchen, den Schrankknauf oder was es auch ist, einzeln! Les temps perdu....
Darüberhinaus: Schäppchenjagd ist nicht per se ein "soziales" Thema, aber leider ein zutiefst neuro-psychologisches. Bekanntermaßen löst, Hirnscans beweisen das, schon alleine der *Anblick* des %-Zeichens ein Belohnungsgefühl aus. Was die Werbestrategen leider genau wissen.
Und was Bücher angeht: das billigste Buch ist immer noch das in der Bibliothek ausgeliehene. Seltsamerweise sind die Nutzer öffentlicher Leihbüchereien auch gleichzeitig die fleissigsten Buchkäufer, und zwar mit großem Abstand! Erklären Sie mir das ;-)
LG LB