Bastei Lübbe und Amazon haben laut eBuch die Unterwerfung abgelehnt, jeweils mit dem Hinweis, zum einen seien E-Books keine Bücher, zum anderen sei auch das Verschenken eines Buches kein Verstoß gegen Paragraf 3. Die eBuch werde daher mit dem heutigen Tag eine gerichtliche Klärung dazu einleiten.
Bestritten worden sei auch, dass Bastei Lübbe ein Mittäter sei. Alle Äußerungen aus dem Hause Bastei Lübbe ließen aber darauf schliessen, dass die Aktion zwischen Amazon und Bastei Lübbe abgesprochen war und weitere Aktionen in der Zukunft folgen sollten. Genau um dies zu verhindern, gehe die eBuch dagegen vor.
Bei Preisbindungsexperten bestehen große Zweifel, dass Sie mit Ihrer Klage gegen Amazon und Bastei Lübbe Aussicht auf Erfolg haben. Was passiert, wenn Sie mit der EinstweiligenVerfügung vor Gericht scheitern?
Dann würden wir uns den Grund des Scheiterns genau ansehen. Das wird aber nicht der Fall sein. Wir wollen geklärt haben, dass Paragraf 3 des Preisbindungsgesetzes ("Wer gewerbs- oder geschäftsmäßig Bücher an Letztabnehmer verkauft, muss den nach § 5 festgesetzten Preis einhalten.") das Verschenken von Büchern verbietet. Um es klar zu machen: Es geht in diesem Paragrafen nicht um den einzelnen Akt, bei dem entschieden werden kann: Verkauf oder Schenkung. Sondern: Wer überhaupt gewerbsmäßig Bücher verkauft, muss bei jedem einzelnen den festgesetzten Preis einhalten.
Verschenken, das darf jeder tun, der nicht gewerblich Bücher an Letztabnehmer verkauft, wer das aber tut, muss den Preis einhalten. Der Preis kann möglicherweise auch 0,00 Euro sein, das gilt dann aber für alle Händler und nicht nur für Amazon. Sollten wir erstinstanzlich unterliegen, gehen wir auf jeden Fall weiter bis zum Oberlandesgericht. Ich rechne aber viel eher damit, dass die Gegenseite unterliegt, das aber nicht akzeptieren würde - Bastei Lübbe vielleicht, Amazon nach unserer Erfahrung sicher nicht, da reicht eventuell noch nicht mal ein OLG-Urteil.
Hätte das nicht zur Konsequenz, dass unternehmerische Freiheiten beschnitten werden? Schließlich kann jedes Unternehmen seine Produkte kostenlos und ohne Gegenleistung anbieten. Viele Buchhändler machen ihren Kunden beispielsweise zu Weihnachten Buchgeschenke. Warum wollen Sie das unterbinden?
Das wollen wir gar nicht. Und hätten Bastei Lübbe und Amazon sich einfach an Branchenusancen gehalten, nämlich dass Rabatte auf Bücher (hier 100 Prozent) eben nicht für Werbung eingesetzt werden dürfen und deshalb generell verboten sind, dann hätten wir nicht auf Paragraf 3 pochen müssen. Wir werden solche Grenzfälle auf keinen Fall thematisieren, wollen aber unbedingt verhindern, dass Amazon oder andere Große, die sich das leisten können, solche Bauernfängerei regelmäßig zu ihren Gunsten betreiben.
Glauben Sie, dass das Preisbindungsgesetz dafür gemacht wurde, solche Freiheiten einzuschränken?
Nein, es wurde gemacht, um einen Wettbewerb – und da steckt ja auch das Wort Werbung mit drin – über den schieren Preis zu verhindern. Und genau das klagen wir jetzt ein und werden auch Recht bekommen, der Paragraf 3 gehört zu den klarsten und eindeutigsten Gesetzestexten, die mir je untergekommen sind.
Rezensionsexemplare oder Bücher, die zum Welttag des Buches verschenkt werden, könnten durch Ihr Vorgehen ebenfalls ins Visier der Gerichte geraten und möglicherweise unliebsame Entscheidungen zur Folge haben.
Wir werden nur den oben genannten Punkt beklagen. Es geht uns nur um diesen einen Fall. Rezensionsexemplare oder die Welttags-Bücher kommen in unserer Klage nicht vor, das Gericht wird also darüber auch nicht entscheiden. Außerdem fällt die Stiftung Lesen nicht unter den Paragrafen 3, da sie nicht „gewerbsmäßig Bücher an Letztabnehmer verkauft“. Rezensionsexemplare solange auch nicht, wie der Verlag selbst kein Direktgeschäft betreibt. Und über den anderen Fall werden wir fein stille schweigen. Es täte uns sehr leid, wenn es da Probleme gäbe, aber wir hätten das nicht zu verantworten, sondern diejenigen, die meinten, man dürfe als gewerblicher Verkäufer Bücher als Werbeaktion gratis abgeben. Nein, darf man nicht.
Zwar kommen Rezensionsexemplare und Welttags-Bücher nicht in Ihrer Klage vor. Wird es nicht dennoch dazu führen, dass auch solche Usancen nicht mehr rechtssicher möglich sind?Wie schon gesagt, Verschenken darf jeder, der nicht gleichzeitig geschäftsmäßig Bücher verkauft, z.B. die Elektro-Firma, die ihren Mitarbeitern zu Weihnachten ein Buch schenkt, oder eben die Stiftung Lesen. Was die Weihnachtsgaben der Buchhändler angeht, da muss man schauen, ob die verschenkten Bücher überhaupt preisgebunden sind, d.h. einen Preis haben. Meistens sind das ja Sonderausgaben. Und sollten die trotzdem eine ISBN bekommen, dann ist es dem Verlag durchaus möglich, den Preis auf 0,00 € zu setzen. Dann darf das Buch auch gratis abgegeben werden. Im Übrigen wird von unseren Buchhändlern seit Jahren eine Weihnachtsgabe organisiert, die kein Buch ist. Falls irgendwer auf die unsinnige Idee kommt, Weihnachtsgaben in Form von Büchern beklagen zu wollen – wir werden das sicher nicht sein.
Wie schnell wird es gehen, bis Sie eine Entscheidung für oder gegen eine Einstweilige Verfügung haben?
Schwer zu sagen, es könnte bei diesem durch die Rechtsprechung noch nicht behandelten Thema auch eine mündliche Verhandlung geben, dann haben wir in drei bis vier Wochen eine Entscheidung. Ohne mündliche Verhandlung wird es ca. eine Woche dauern.
Wie schätzen Sie Ihre Erfolgsaussicht ein?
Das kann ich Ihnen sagen: Genau 100 Prozent, spätestens beim OLG, aber vermutlich schon erstinstanzlich. Der Gesetzestext ist nicht auslegbar und lässt da keinerlei Spielraum zu: Wer gewerblich Bücher verkauft, muss den Preis einhalten. Immer! Tertium non datur.
Wie finanzieren Sie die juristischen Auseinandersetzungen der eBuch?
Wir führen ca. 50 Verfahren im Jahr, mal Preisbindung, mal UWG, von denen wir glücklicherweise nur ganz wenige verlieren, zwei oder drei. Deswegen kostet das nicht viel, außer unserer Arbeitskraft. Natürlich werden wir auch mal Geld los, aber zum Ausgleich können wir manchmal kleinere Strafgelder einsetzen. Aus Genossenschaftsgeldern haben wir 2015 ca. 10.000 Euro dazugeschossen.
Üblicherweise wird das Strafgeld an das Sozialwerk oder andere gemeinnützige Organisationen gespendet ...
Das tun wir in Fällen, bei denen sich das richtig lohnt, in denen wir so eventuell eine längerfristige Auseinandersetzung vermeiden möchten – gerade Branchenmitglieder zahlen lieber ans Sozialwerk. Und bei Fällen, bei denen wir das Gefühl haben, hier ist es wichtig, dem Buchhandel etwas zurückzugeben, was ihm mit eventuell unfairen Methoden abgejagt wurde, z.B. wenn es um Preisbindungsverstöße von Amazon geht. Wenn aber ein Supermarkt einer Kette wieder mal preisgebundene Bücher rein lokal als Aktionsware bewirbt, weil der örtliche Betriebsleiter den entsprechenden Hinweis der Zentrale übersehen hat, dann freuen wir uns, das anfallende Strafgeld für andere Aktionen investieren zu können.
Interview: Christina Schulte
Und hier noch Argumentationslinien der eBuch-Anwälte sowie der eBuch:
Warum E-Books Bücher sind:
Das Gegenargument, E-Books seien keine Bücher, widerlegen die Anwälte der eBuch, die Berliner Kanzlei v. Nieding Ehrlinger Marquardt: Der vom Kabinett gebilligte Referntenentwurf sei juristisch nur eine Klarstellung ohnehin schon bislang geltenden Rechts und diene nur der Rechtssicherheit.
Und so argumentiert die eBuch: "Die Tatsache, dass die Branche sich bislang offenbar in völliger Einigkeit an die von den Verlagen festegesetzten E-Book-Preise gehalten hat, belegt eindrucksvoll, dass eben diese Branche E-Books schon immer als Bücher betrachtet hat, es ist uns kein Fall bekannt - bei immerhin bislang vermutlich 50-100 Mio. verkauften E-Books - bei dem versucht worden wäre, von diesem Preis um einen gewissen Rabatt nach unten abzuweichen. So fand man den betroffenen Titel auch während der Gratis-Aktionszeit in der Referenzdatenbank des VLB mit seinem richtigen Preis und dem wohlbekannten roten Referenzhäkchen, das ihn als gebundenen Preis und damit der Preisbindung für Bücher unterliegend kennzeichnet.
Warum es Gratis-Aktionen weiterhin geben darf:
Jeder Verlag kann, mit einer Vorlaufzeit von vier Wochen, den festgesetzten Preis ändern, ggfs. eben auch auf 0,00 €, und ihn Tage oder Wochen später wieder auf einen gewünschten Markt-Preis anheben. Dann allerdings muss jeder Händler, der das Buch oder E-Book ausliefert, diesen festgesetzten Null-Preis einhalten, eine Überschreitung wäre ebenso ein Verstoß gegen §3, wie jeder Rabatt es ist. Sicher ergeben sich noch andere Fragen in diesem Zusammenhang, aber der eBuch geht und ging es vornehmlich darum, Amazon eine Umgehung des Verbots der Werbung mit preisreduzierten Büchern zu verbieten, denn genau darum geht es im §3 der Buchpreisbindung, für deren genaue Einhaltung die eBuch sich immer eingesetzt hat."
In einer vorherigen Version wurde die Argumente der eBuch irrtümlich den Anwälten der eBuch zugeschrieben. Wir bitten dies zu entschuldigen.
@Branchenkenner: Was die Stiftung Lesen angeht - wie wäre es, wenn Sie Ihre Behauptung, meine Auslegung sei "fragwürdig", wenigstens mit einem kleinen und halbwegs plausiblen Argument unterfüttern würden? Denn der Verweis auf die Flüchtlingsdebatte und die Wörterbücher kann's ja wohl nicht sein, oder? Da gibt es ausreichend gemeinnützige Organisationen, denen man solche Wörterbücher spenden kann (=keine Letztabnehmer), und die sie dann auch verteilen - gar kein Verstoß gegen §3, logisch. Ganz anders hingegen - und das hatten wir neulich auf dem Tisch, wenn der Verlag solchen Organisationen im Direktvertrieb einen Mengenrabatt einräumt, den er dem Buchhändler nicht gewährt. Wir haben das still geklärt (oder haben Sie da irgendwas gehört?) und der Verlag hat nun ganz offizielle Rabattstaffeln, an denen eben auch der Buchhändler teilhaben darf.
Und bitte verraten Sie mir, welche Wahl der Mittel wir denn hätten haben sollten? Auslistung, wie das andere vorgeschlagen haben, halten ich im Sinne eines kundenorientierten Denkens für wirklich keine gute Alternative, aber wie verhindern wir, daß amazon irgendwann anfängt, "eBook-Gratis-Minuten" einzuführen? Also einfach erklärt, daß am Superfriday zwischen 10 und 10:15 alle ebooks "geschenkt" seien? Nur um im Sinne eines turbokapitalistischen Verdrängungswettbewerbs die anderen Anbieter, die nicht über stillhaltende Aktionäre und entsprechende Kapitalreserven verfügen, platt zu machen?
Im übrigen verstehe ich auch nicht, was das sein soll: Recht im Sinne der eBuch. Recht ist Recht, manchmal passt es dem einen, manchmal dem anderen nicht. Aber der Grundkonsens sollte doch sein, daß wir das Recht, wenn es denn gesprochen wurde, als solches als überparteilich und neutral akzeptieren, oder täusche ich mich?
LG Lorenz Borsche
Aus der formaljuristischen Situation dürfte daher schwer über eine inhaltliche Argumentation heraus zu kommen sein. Die Klage deckt sich auch mit dem Sinn des Gesetzes.
(Disclaimer: IMHO)
WOW....90%, ich wusste gar nicht, daß es schon so viele Verfahren wegen verschenkten e-books gab. Natürlich haben Sie nicht hingeschaut als Hugendubel das gleiche vor wenigen Wochen beim Tolino gemacht hat, natürlich haben alle anderen Händler in weiser Voraussicht die ständig vorhandenen Angebote (auch von Bastei-Lübbe) nicht wahr genommen, nur aus dem Grund, daß sie hier eine Einmaligkeit konstruieren wollen.
Herr Borsche, Sie sind in einer einmaligen Situation: wenn Sie tatsächlich durch alle Instanzen gewinnen sollten, ist es das Ende jeglicher Werbeaktionen, die es schon ewig bei e-books in dieser Art gibt, Hut ab, die Kundengewinnung wird dadurch für euch sicher erleichtert (Ironie aus).
Wenn Sie verlieren sollten, was sehr wahrscheinlich ist, haben Sie sich nicht zuletzt durch dieses süffisant-überhebliche Interview nebst Ihren Antworten hier ins Abseits der Lächerlichkeit geschossen.....win/win ist anders, oder?
@Besorgter Leser: Im obigen Interview gibt es keinen Hinweis darauf, daß es sich nur um eBook-Verfahren gehandelt haben könnte, wie Sie behaupten. Wer Lesen kann, ist klar im Vorteil.
Und was die Gewinnung von Kundschaft angeht: Schnäppchenjäger, die als Leser "besorgt" sind darüber, daß man ihnen das Gratisschnäppchen wegnehmen könnte, sind genau die Kunden, die man *nicht* gewinnen will. Man will diejenigen, die den Beratungsservice des Buchhändlers schätzen, die eine Gesellschaft schätzen, die mittelschichtsgeprägt und zentriert ist und nicht in Billigjobber (Paketfahrer, Lagerarbeiter) und andererseits wenige überbezahlten Manager zerfällt, die es schätzen, wenn sich in ihrer Innenstadt nicht nur leerstehende Läden mit Dönerbuden abwechseln, weil es noch einen vitalen Einzelhandel gibt, die wissen, daß das gesundeste Rückgrat der Geselschaft nicht die Großunternehmen sind, sondern die kleinen 1-15 Personenbetriebe, die die meisten und stabilsten Arbeitsverhältnisse schaffen.
Aber all das ist dem Schnäppchenjäger völlig unklar, soweit kann der gar nicht denken, die Stimulation seiner Amygdala durch das vermaledeite %-Rabattzeichen ist so übermächtig, daß alle sich daraus ergebenden negativen Entwicklungen ausgeblendet werden.
Das, lieber besorgter Leser, das sollte Ihnen Kopfzerbrechen machen, wenn Sie sich schon Sorgen machen wollen. Die Breite des Verteilungsnetzes und die Vielfalt der angeboteten "Produkte" (=Bücher/Titel) sind eine direkte Folge der Tatsache, daß das BuchPRG die brutalstmöglichen Dschungelgesetze durch die Herstellerpreisbindung soweit einschränkt, daß auch der Stadtteilbuchladen eine Chance hat. Und kein Ökonom dieser Welt wird mich - dank dieses existierenden Beispiels - davon überzeugen können, daß die Konkurrenz der Händler über den Preis (bei identischem Produkt) *gesamtgesellschaftlich* sinnvoll sei. Was nützt es mir, wenn das Joghurt 10 Cent billiger ist, wenn ich dazu mit dem Auto auf die grüne Wiese fahren muss? Aber es schadet mir, weil der fussläufig gelegene kleine Händler um die Ecke durch diesen Preiswettbewerb leider vernichtet wurde, ich also jetzt auf die Wiese fahren MUSS.
Und allen, die das noch nicht so richtig realisiert haben, sei gesagt, daß amazon dort, wo das möglich ist, schon klar die gegenteilige Strategie fährt: Oh, Sie interessieren sich für ein Produkt? Und eben hat es noch 149.- Euro gekostet? Schade, Sie waren zu langsam, der Computer hat Ihr Interesse verzeichnet und - schwupps - den Preis auf 169.- Euro erhöht. Nein, das ist nicht Science fiction, das ist leider Realität. Auch vor solchem Beschiß könnte eine fixe Herstellerpreisbindung schützen - aber Ökonomen würden das natürlich niemals als Argument gegen freie Preise gelten lasse, die sind ja immer schlauer als alle anderen, glauben immer noch an den homo oeconomicus und deshalb gibt es ja auch keinerlei größere Wirtschafts- und Finanzkrisen ... ;-)
Sorry, aber das muste mal raus.
LG Lorenz Borsche
Ja, wir befinden uns tatsächlich "im Zeitalter des vermutlich aggressivsten Händlers, den die Branche jemals gesehen hat" und Amazons Verhalten hat auch durchaus Züge eines "turbokapitalistischen Verdrängungswettbewerbs", um Herrn Borsches bange Konstrukte zu rezitieren.
Aber das ist nunmal die heutige Wirklichkeit. Willkommen in der globalen, der echten Marktwirtschaft. Vorbei ist die Zeit des stiefmütterlichen Marktplatzgeschehens, welches den Buchhandel dank des BuchPrG und anderer althergebrachter Branchenprinzipien und Klüngeleien wohlbehütet und kaufmännisch hinreichend entlastet hat und zudem aber auch in einen wohligen Dornröschenschlaf versetzt hat, dem weite Teile des stationären Sortiments in den letzten Jahren nur mit viel Mühe entrissen werden konnten. Und viele sind ja bekanntlich aus diesem Schlaf erst gar nicht mehr aufgewacht.
Aber nicht Amazon macht den Buchhandel, wie wir ihn kennen kaputt, sondern die Kunden, die einfach völlig veränderte Bedürfnisse haben. Amazon ist ja schließlich nicht aus heißer Luft entstanden, sondern aus einer Geschäftsidee und Philosophie, für die sich breite Teile unserer Gesellschaft aufrichtig begeistern und kommende Generationen vermutlich noch in einem Maße begeistern werden, wie wir uns das jetzt kaum vorstellen können.
Warum ist das nur so schwer zu akzeptieren? Warum gestehen sich die klassischen Buchhandelsunternehmen nicht auch mal ein, dass sie allesamt in den letzten zehn Jahren massiv gepennt haben? Und dass es die Kunden, wie sie früher die Auslagen der Sortimenter alljährlich belagert haben, nur noch in höchst überschaubarer Anzahl gibt? Und warum konzentrieren sich ebenjene Sortimenter nicht jetzt ausschließlich auf den Wettbewerb vor der eigenen Haustür, statt immer wieder den hass-, angst- oder vielleicht doch neiderfüllten Blick auf Amazon zu werfen? Als wenn mit einer Klageflut gegen den gelben Riesen wirklich etwas zu gewinnen wäre, da ist man mit der Fokussierung auf Ideen wie buy local oder grundsätzlich gutes Standortmarketing weit besser beraten.
Soweit meine Meinung zu den der Debatte zugrunde liegenden Ursachen.
Zum eigentlichen Thema sei noch gesagt, dass es erst richtig spannend werden wird, wenn der EuGH von dem Fall Wind bekommt. Dann wird es nämlich ganz schnell vorbei sein mit unserer geliebten Preisbindung. Und alles nur, weil Herr Borsche darüber streiten will, ob ausgerechnet Amazon dem Kunden ab und zu mal was schenken darf (trotz artgleicher Vorgänge bei zahlreichen anderen Branchenteilnehmern) oder eben nicht. Dann soll es eben so sein.
Ist Ihnen schon mal eingefallen, dass es die unmittelbaren Lebensumstände bzw. existentiellen Notwendigkeiten sind, die für viele Menschen heutzutage das Jagen nach Schnäppchen zum obersten Gebot werden lassen?
Und gerade diese Schnäppchenjäger sind eben oft auch Leute, die in den kleinen 1-15 Personenbetrieben arbeiten und sich täglich fragen, ob es wirklich die stabilsten Arbeitsverhältnisse sind, wenn man lediglich vier Wochen Kündigungsschutz genießt, keine Betriebsräte gründen darf, haufenweise unbezahlte Überstunden macht, unpünktliche Lohnzahlungen in Kauf nehmen muss, bei Insolvenz keine Chance auf irgendwelche Übergangslösungen hat und zudem noch oft direkt mit völlig willkürlich aggierenden Chefs mit Allmachtsphantasien konfrontiert ist.
Aber das alles würde es dann ja in der gutbürgerlichen und mittelschichtsgeprägten Welt Ihrer Träume natürlich nicht mehr geben.
Dann stellt vermutlich auch die FDP den Bundeskanzler und der Buchhandel bekommt sein eigenes Gesetzbuch. Sorry, aber dann wandere ich aus, wie wahrscheinlich viele andere frei denkende Menschen auch.
Sie werden es nicht für möglich halten, aber es gibt mehr als genug Menschen, die abhängig sind von den "vermaledeiten" Rabattzeichen, sie könnten sich ihr Leben sonst nicht leisten. Das ist in der Tat ein Umstand, der mir Kopfzerbrechen bereitet. Ihre Vorstellung von belebten Innenstädten mit Fachhändlern des Mittelstandes, geprägt von Kompetenz und Beratungsqualität ist schon alleine durch die immensen Kosten in den Innenstädten mehr Wunsch als Realität.
Der Wettbewerb ist nunmal da, kein Städtchen, was nicht eine "Shopping-Mall" in der Nähe hat mit Discountern und entsprechenden Preisen, alles unter einem Dach, kostenlos Parken...eben die ganze Palette, was Kunden wichtig ist. Daneben gibt es den stetig wachsenden Online-Handel, was die Frage aufwirft, ob die momentane Anzahl an Buchhandlungen überhaupt noch benötigt werden oder es nicht viel zuviele sind. Die Schließungen der letzten Jahre scheinen darauf hinzudeuten.
All das kann die Buchpreisbindung nicht ändern, im Gegenteil: Ihr Lieblingsfeind Amazon verkauft stetig mehr Bücher mit einer garantierten Marge, das ist doch Klasse eine Cash-Cow im Sortiment zu habe, oder? Der Kritikpunkt an der Klage hier ist doch eher, dass Sie mit zweierlei Maß messen, derlei Gratis-Aktionen sind vollkommen normal, nur von es der Große macht ist es böse. Wie Klaus Kluge schon schrieb: "Wöchentlich gebe es vier Preisaktionen, an dem auch die stationären Buchhändler teilnehmen könnten („bislang mit nicht allzu großer Resonanz“)." Offenbar scheut sich der Verlag nicht JEDEN möglichen Kunden zu bekommen (auch den Minijobber, Schnäppchenjäger und Paketboten), ist ein guter Mann mit Weitsicht.
Und Schuld am Elend der Welt ist ohnehin der Kunde, dieser geizige Schnäppchenjäger, welcher der Marge des gebeutelten 1-15 Mitarbeiter-Mittelstands einen Strich durch die Rechnung macht.
Wenn ich mich im Buchhandel so umschaue, den Tolino lieblos in der Ecke platziert, den 999. Mankell (Gähn) neben dem 1001. Band Harry Potter (Doppelgähn) zentral in der Auslage platziert, kommt mir der infame Gedanke, dass der Buchhandel auch ein wenig Mitschuld trägt an seinen wirtschaftlichen Schwierigkeiten. Da werden ihn auch seine liebgewonnen Privilegien nicht retten. Und auch kein Ankläffen der Konkurrenz.
Aber das soll nicht heissen, daß ich das auf den Sankt Nimmerleinstag verschieben werde. Ich hoffe, die Kommentarfunktion zu diesem Artikkel steht auch über den Tag hinaus zur Verfügung und wird nicht, wie beim SPON irgendwann beendet.
Schönes WE, LG LB