Über die Wirksamkeit von Jugendbuchblogs

Blögchen für Blögchen Qualität?

18. September 2015
Redaktion Börsenblatt
Bücher erfolgreich machen: Wer in der digitalen Welt Aufmerksamkeit erringen will, der braucht Empfehlungen auf Augenhöhe normaler Leser. Und die geben mehr und mehr die häufig geklickten Jugendbuchblogs im Netz und vor allem Booktuber auf YouTube. Ein Online-Beitrag zu unserem aktuellen Börsenblatt-Spezial "Kinder- und Jugendbuch".

Im Juli stellte die "Süddeutsche Zeitung" die erfolgreiche "Booktuberin" Sara Bow vor, ansonsten eher bekannt für Videos mit Kosmetikprodukten oder den neuesten Klamottenschnäppchen. Süffisant listete die "SZ" die Phrasen und Worthülsen auf, mit der sie auf YouTube nun auch ihre absoluten Mega-Lieblingsbücher vorstellt. Und damit Geld verdient: Zum einen, weil sie die Bücher als Rezensionsexemplar zur Verfügung gestellt bekommt (und sich zu Beginn der Videos auch artig bei den Verlagen dafür bedankt), zum anderen, weil sie über einen direkten Werbeklick zu Amazon am Verkaufserlös beteiligt ist – mit sechs bis sieben Prozent am jeweiligen Umsatz. Aber was tut sie da eigentlich? Ist das schon Literaturkritik? Oder nur fröhliches Buchvorstellen? Büchern zu Öffentlichkeit verhelfen, die anderswo nicht so beachtet werden? Sie selbst nennt es in ihren Videos Rezension, auch wenn sie die Hälfte der Zeit damit verbringt, das Cover zu beschreiben oder den Rückentext vorzulesen wie im Falle von Nina Blazons "Lillesang" (www.youtube.com/watch?v=g9AjMWUCx2s). Und was haben die Verlage davon?

Grundsätzlich gilt trotz aller Kritik: Booktuberinnen wie Sara Bow sind die unmittelbarste und aktuellste Form der Literaturblogs und damit des Empfehlungsmarketings, die es zu allen möglichen Genres und Lesevorlieben schon seit Jahren gibt. Nur wird in den Booktube-Videos nicht mehr über Bücher geschrieben, sondern direkt zum Leser gesprochen, wie einem der Schnabel gewachsen ist. Die Videos sind immer verbunden mit einer realen und sichtbaren Person, die man sympathisch finden kann. Oder auch nicht. Und deren zumeist positive Besprechungen beim Betrachter offenbar nicht selten in einen Kauf münden. Immerhin 20.066 Personen haben ihren Channel schon abonniert und werden regelmäßig mit neuen Videos über das Monatslesepensum, noch zu lesende Bücher oder Hauls, also den letzten Buchgroßeinkauf, versorgt.

Der richtige Clip zur richtigen Zeit

Entsprechend wichtig erachten die Jugendbuchverlage diese Gruppe der Meinungsbildner, im Digitalsprech auch Influenzer genannt. "Wir wollen für jedes Buch den richtigen Weg zum Leser finden", meint eine Pressesprecherin von Random House. Auf einem verlagseigenen Bloggerporta könne man sich mit seinem Blog anmelden und die Bücher anfragen, "die man gerne rezensieren respektive vor die Kamera halten möchte". Auch für Tomas Rensing von Coppenrath gilt: "Blogger sind ein fester Bestandteil der Pressearbeit." Doch deren Erfolg schränkt er ein: "Es gibt nur wenige, die einen echten Hype im Netz erzeugen - aber auch einige, die das Potenzial haben oder zur richtigen Zeit den richtigen Clip online stellen."

Der Carlsen Verlag spricht in seinem Pressebereich Blogger ebenfalls direkt an. Gerade "Titel aus dem Romantik und Fantasybereich, mit denen wir teilweise die herkömmliche Presse nicht erreichen, werden durch Blogger 'groß' gemacht", bewertet Hilke Schenck, Pressefrau von Chicken House, deren Wirkung. Und hat dafür konkrete Beispiele: "Die zahlreichen Besprechungen von Victoria Aveyards 'Die rote Königin' oder Jennifer Armentrouts 'Osidian' auf Blogs haben beispielsweise mit dafür gesorgt, dass diese Titel zu Bestsellern wurden."

Enger Austausch mit einem eigenen Bloggerstamm

Die Zahl an Bloggern nimmt noch immer stetig zu, entsprechend wächst die Zahl derer, die auf Verlage zugehen und mit Material und Leseexemplaren versorgt werden wollen. "In unserer Blogger-Datenbank sind mittlerweile knapp 500 registrierte Mitglieder enthalten. Sie bekommen von uns regelmäßig das Angebot, bestimmte Bücher zu rezensieren, können an besonderen Aktionen, Veranstaltungen und Gewinnspielen teilnehmen und haben jedes Jahr auf der Messe die Möglichkeit, unsere Autoren exklusiv zu treffen", beschreibt Isabel Lottig von Boje/Baumhaus den Umgang. Im Gegenzug werden Spitzentitel in speziellen Bloggeraktionen beworben, an der nur ausgewählte Buchblogger teilnehmen dürfen. Eine Herangehensweise, die insbesondere bei digitalaffinen Imprints eine wichtige Rolle spielt, wie Donate Altenburger von Oetinger bestätigt: "Gerade für Oetinger34 sind die Blogger wichtige Ansprechpartner und Kommunikatoren. Die Auswahl der Blogger erfolgt für die verschiedenen Titel je nach Themenschwerpunkt des Blogs und auch auf Empfehlung unserer User."

Insgesamt gesehen ein erfolgreicher Weg. "Blogger sind untereinander sehr gut vernetzt und tauschen sich unentwegt über Social Media-Kanäle aus, auch privat. Das heißt, dass wir durch unsere Zusammenarbeit mit den Buchbloggern immer eine sehr starke Aufmerksamkeit für unsere Autoren und Titel erhalten", sagt Isabel Lottig. Diese enge Zusammenarbeit trägt bei Carlsen noch weitere Früchte und reicht über die Pressearbeit hinaus, wie Hilke Schenck beschreibt: "Die Redaktion unseres digitalen Imprints Impress steht im engen Austausch mit einem eigenen Bloggerstamm. Die E-Books werden vor allem auf Blogs besprochen. Und unter den Bloggern werden auch neue Autoren gefunden."

Bloggerin signiert Bücher

Wenn Bloggerinnen dann auf der Buchmesse Autoren treffen, kann das seltsame Blüten treiben. Auf der Frankfurter Buchmesse signierte Sara Bow im vergangenen Jahr zwei Dutzend Exemplare von Marissa Meyers "Wie Monde so silbern". Und sagt dazu: "Die Leser wollten ein Autogramm von mir, weil sie ja dank mir das Buch gekauft hatten." Eine eigenwillige Begründung, aber auch ein Beweis für die Wirksamkeit von Booktuberinnen.

Die Kritik an Sara Bow und ihrer Art, mit Literatur umzugehen, führte zu einer einmütigen Gegenreaktion im Netz. Eine ganze Bewegung bildete sich, mit eigenem Logo, T-Shirts und dem Hashtag #wirsindbooktube. Unter ihnen sind Aktive wie das Mutter-Tochter-Gespann Glimmerfee (www.youtube.com/user/Glimmerfee) mit den Leseschwerpunkten Fantasy, die auf immerhin 6.099 Abonnenten ihres YouTube-Channels kommt. Oder Shari von Alles Allerlei, die zumindest schon 1.183 Abonnenten hat. (www.youtube.com/channel/UCHp3Cw1BJi3T2h_gW5WSYtw), Sie beschreibt in ihrem Beteiligungsvideo an der #wirsindbooktube-Aktion aus ihrer Sicht, warum sie als YouTuberin Bücher vorstellt und wie viel Spaß ihr das macht – eben auch in Abgrenzung zur feuilletonistischen Literaturkritik.

Von daher fühlen sich die Booktuberinnen nur ein wenig auf den Schlips getreten. Denn sie wissen, dass sie mit der fröhlich-naiven Art, Leseerfahrung sichtbar zu machen, zumindest die Klientel der anderen Booktuberinnen erreichen. Und dass diese geschilderte Erfahrung für Buchinteressierte dieser Altersgruppe oftmals mehr Gewicht hat als eine germanistisch fundierte Literaturkritik.