Hier die Rezension im Wortlaut:
"Siegfried Lokatis, Professor der Buchwissenschaften an der Universität Leipzig, legt ein Buch vor, das gewissermaßen einer Sensation gleichkommt. Das Thema Zensur in der SBZ (Sowjetischen Besatzungszone) und in der DDR von 1945 bis 1990 war weitgehend unerforscht. Es gab einzelne Beiträge zu den verschiedenen Perioden, zu Autoren, zur Literaturpolitik, zum Einfluss der sowjetischen Besatzungsmacht und vieles mehr, nur eine einigermaßen komplette Darstellung und ein vollständiger Überblick über dieses Thema hat bisher komplett gefehlt – und wird nun vorgelegt.
Ausgehend von der Grundthese 'Der Autor ist feindlich' vom Politbüro des Zentralkomitees der SED stellt Lokatis hier dar, wie die Zensur während der Besatzungszeit von 1945 bis 1949 in der SBZ unter sowjetischer strengster Kontrolle durchgeführt wurde, welcher Einfluss auf die Verlagspolitik insgesamt genommen wurde, wie weit die Bibliotheken kontrolliert und beeinflusst und in ihrer Arbeit behindert wurden und sehr vieles mehr. Die Grundsatzfrage, wie modern die Buchzensur in der DDR war, wird umfassend behandelt im Vergleich zu den Zensurmaßnahmen in anderen Ländern und den zahlreichen Verboten. Lokatis behandelt das Verlagswesen in der SBZ und die Verlagspolitik zwischen Plan und Zensur, das Amt für Literatur- und Verlagswesen und die schwere Geburt des Literatur-Apparats der DDR. Er macht die Folge zentraler Literatursteuerung in der frühen DDR deutlich und zeigt, wie die Hauptverwaltung Verlage/Buchhandlungen funktionierte, die dem Ministerium für Kultur direkt unterstand, aber gleichzeitig von der Kulturabteilung des ZK der SED massiv kontrolliert wurden.
Damit wird ausführlich die antifaschistische Literaturpolitik und die Zensur in der frühen DDR, die Giftschränke im 'Leseland' und die Sperrmagazine unter besonderer Berücksichtigung der Deutschen Bücherei dargestellt. Lokatis beschreibt die Sonderrolle, die die Deutsche Bücherei gespielt hat, die weiterhin Gesamtarchiv des deutschsprachigen Schrifttums war und auch versucht hat, sämtliche deutschsprachigen Publikationen aus der Bundesrepublik, der Schweiz und aus Österreich zu erwerben und dass es immer wieder Maßnahmen gab, damit diese Literatur nicht komplett zugänglich gemacht wurde.
Anhand des Beispiels verschiedener Verlage, wie der Mitteldeutsche Verlag für die Literatur oder der Akademie-Verlag für die Wissenschaften, werden die Schwierigkeiten behandelt, die schon daraus erwuchsen, dass diese Verlage teilweise nicht von der Hauptverwaltung Verlage und Buchhandel kontrolliert wurden, sondern von der SED direkt. Ebenso unterstand der Dietz-Verlag direkt dem Zentralkomitee der SED.
Ein eigenes Kapitel ist der achtbändigen Geschichte der deutschen Arbeiterbewegung gewidmet, die unter Führerschaft von Walter Ulbricht entstanden ist und die maßgeblich für die Literaturvermittlung in der gesamten DDR und auch in den osteuropäischen Ländern wurde. Lokatis zeigt zudem die Auseinandersetzungen innerhalb des Verlags Volk & Welt mit einer weitergehenden Liberalität und dem Versuch, vor allem ausländische Literatur, die nicht den Vorstellungen der SED entsprach, doch herauszubringen, bis zur Rede von Christoph Hein 1987 über die Abschaffung der Zensur, die dann tatsächlich durch den Stellvertretenden Kulturminister Klaus Höpcke eingeleitet wurde.
Ein umfassender Apparat schließt die Arbeit ab und gibt Zugang zu allen behandelnden Personen und Sachgebieten sowie ein umfassendes Literaturverzeichnis. Die Veröffentlichung ist uneingeschränkt zu empfehlen und bietet einen hervorragenden Überblick."
Klaus G. Saur
Siegfried Lokatis: "Verantwortliche Redaktion. Zensurwerkstätten der DDR", Leipziger Arbeiten zur Verlagsgeschichte. Hrsg.von Prof. Siegfried Lokatis, Universität Leipzig, Institut für KMW/Buchwissenschaft, Hauswedell Verlag, 576 S., 78 €, ISSN 25124315, vol. 2 / ISBN 978-3-7762-1319-5