Siljarosa Schletterer – die Lyrik-Liebende
Siljarosa Schletter lebt die Poesie: Sie ist Lyrikerin, Eventorganisatorin und Aktivistin. Sie ist beim #yeaward24 nominiert.
Siljarosa Schletter lebt die Poesie: Sie ist Lyrikerin, Eventorganisatorin und Aktivistin. Sie ist beim #yeaward24 nominiert.
Die Nominierung für den Young Excellence Award habe sie überrascht, sie müsse dafür „noch ein Wort finden“, sagt Siljarosa Schletterer. Nicht „Worte“, wohlgemerkt, sondern „ein Wort“ – sie ist eben keine Frau vieler Worte, sondern weniger, dafür umso eindringlicherer, ganz bewusst gesetzter.
Siljarosa Schletterer ist Lyrikerin mit Leib und Seele, sie will die Welt poetisieren. Und sie ist dabei sehr überzeugend: Wenn man sich eine Stunde lang mit ihr unterhält, möchte man einfach nur noch Lyrik lesen. „Ich nenne Lyrik gern das Wohnmobil unter den Literaturdomizilen. Ein Wohnmobil, mit dem man überall hinfahren kann und das sowohl Schlafzimmer als auch Dusche, Küche, Wohnzimmer ist. Man kann mit ihr die schönsten Reisen erleben.“ So wandelbar sei Lyrik. „Lyrik kann alles sein und alles aussagen. Man bekommt in einer Minute Lesezeit Stoff für mindestens eine ganze Woche Lebenszeit.“ Schletterers Wirken dreht sich darum, das zu vermitteln.
Ich nenne Lyrik gern das Wohnmobil unter den Literaturdomizilen.
Leider wird Lyrik manchmal schon Kindern in der Schule verleidet, da Poesie oft als elitär dargestellt wird und es nur um korrekte Interpretation geht. Siljarosa Schletterer ist überzeugt, „dass man Lyrik nicht primär nur verstehen, sondern zuerst kosten und genießen muss. Beim Verstehen liegt ja immer das Missverstehen sehr nahe. Wir transportieren in jedem Satz so viele Aussagen. Ich glaube, wenn wir den Zwischenzeilen und Zwischentönen auch im Alltag mehr Raum geben würden, gäbe es weniger Missverständnisse.“ Sie will die Angst nehmen und Klischees abbauen, die, wie sie sagt, „der Poesie nicht gerecht werden“.
Ich glaube, wenn wir den Zwischenzeilen und Zwischentönen auch im Alltag mehr Raum geben würden, gäbe es weniger Missverständnisse.
Der Dichterin Siljarosa Schletterer wurden vielfach Preise und Auszeichnungen verliehen, sie wird als „authentisch und wahrhaftig“ bezeichnet, als „Glücksfall für die Dichtung“ und ihre Poesie als „zeitlos und bedeutsam“ (Michael Stavarič).
In ihrem Gedichtband „azur ton nähe – flussdiktate“ (Limbus Verlag 2022) würdigt Schletterer die Pluralität von Gewässern, also neben großen Flüssen auch so manche Rinnsale, Bäche, Seen und Kanäle. „Ich denke, wir schreiben so oft an Wasserorten und werden davon auch inspiriert, aber wir geben ihnen zu wenig zurück. Es war mir ein Anliegen, die Gewässer zu Co-Autor:innen zu machen und ihnen eine Stimme zu geben. Deswegen hat jedes Gedicht den Namen des Gewässers und die genauen Koordinaten, wo diese Begegnung stattfand, als Titel.“
Lyrik kann man dank ihrer Kürze gut platzieren: in einem schriftlichen Porträt, in einem Social-Media-Posting oder auf Fahnen an den Brücken Innsbrucks. Letzteres hat Siljarosa Schletterer in ihrer Funktion als Vorstandsmitglied der IG Autorinnen und Autoren Tirol zum Welttag der Poesie 2024 mitkonzipiert. Ziel war, die Buntheit von Lyrik zu zeigen und die Texte im öffentlichen Raum zu feiern.
Neben dem eigenen Schreiben ist mir die Begegnung besonders wichtig, sonst herrscht Gedankeninzucht.
„Neben dem eigenen Schreiben ist mir die Begegnung besonders wichtig, sonst herrscht Gedankeninzucht; die Inspiration kommt ja aus der Begegnung mit dem Leben, mit Menschen, mit Wissen, mit Themenfeldern. Dies darf ich auch in der Lyrikvermittlungsarbeit erleben.“ Ein wichtiges Vermittlungsprojekt ist das Internationale Lyrikfestival W:ORTE, das sie mit Robert Renk und Gabriele Wild organisiert, und das nächstes Jahr zehnjähriges Jubiläum feiert. Das Festival 2024 findet aktuell statt, von 28. Mai bis 12. Juni, während Sie also dieses Porträt lesen, bringt Siljarosa Schletterer gerade Menschen Lyrik näher.
Ein Themenschwerpunkt bei W:ORTE 2024 ist der Sound der Lyrik: Bei vielen Lesungen werden Musik und Text in Beziehung gesetzt. Überhaupt profitiere Lyrik von Verklanglichung. Lyrik kommt ja vom Wort „lyrikos“, das übersetzt bedeutet „zur Lyra (einem antiken Saiteninstrument) gesungen“. Schletterer sagt: „Bei der Lyrik können wir sehr viel vom Musikhören lernen. Wir drehen ja auch nicht das Radio auf und sagen: ‚Oh, jetzt musst du aber ‘ne harmonische Analyse machen, beispielsweise die zweite Umkehrung des Akkords erkennen …‘“ Wichtiger sei das Hinhören und Hinfühlen: „Wir hören zu viel, aber wir hören zu wenig hin.“ Diese Parallele von Klang und Poesie beschäftigt Siljarosa Schletterer schon lange – sie komme eigentlich aus der Musik, sagt sie über ihren Lebensweg. So hat sie sowohl im Musik- wie auch Literaturbereich gearbeitet – bereits neben ihrem Literatur- und Musikwissenschaftsstudium.
Von den Beteiligungen am Verkauf von Poesiebänden kann man mal essen gehen.
Auch als Moderatorin, als Interessensvertreterin, als Lyrikaktivistin und Lyrik-Marketingfrau (wie sie andere gern bezeichnen) ist Schletterer zu erleben, und sie sendet in den Sozialen Medien unter „@lyrisch_letter_er_si_l“ lyrische Briefe und Hinweise in die Welt. Sie ist überzeugt, Lyrik brauche besonderes Augenmerk und besondere Bühnen. Als Aktivistin setzt sie sich auch für Fairpay ein, um die Aufmerksamkeit auf diese Problematik zu lenken. Denn vom Dichten allein zu leben, das sei nur zeitweise möglich. Von den Beteiligungen am Verkauf von Poesiebänden „kann man mal essen gehen. Also je nachdem sehr luxuriös, aber eigentlich nur einmal. Meist bleibt es dann doch eher bei Pommes!“
Schletterer erhielt diverse Stipendien, zum Beispiel das Große Literaturstipendium des Landes Tirol. Derzeit schreibt sie am neuen Buch. Es geht um Epigenetik, Trauma und Sexualität, darum, was sich einschreibt in unsere Körper, die Organe und die Anatomie. Welche Worte finden wir für diese Themen? Der Band soll nächstes Jahr zweisprachig erscheinen, in Kunstdialekt und Schriftsprache. Wie gut, dass Siljarosa Schletterer, ihr Lyrikaktivismus und die Lyrik im Allgemeinen durch die Nominierung für den Young Excellence Award von der Branche und im Buchhandel noch mehr gesehen werden.
1991 | geboren, Wurzeln in Tirol, Niederösterreich, Schweiz |
2010/11 | erste Vertonung ihrer Gedichte und erste öffentliche Lesung |
2013 – 2019 | Studium Literatur und Musikwissenschaft in Innsbruck |
Seit 2015 |
Mitorganisation des Internationalen Lyrikfestivals W:ORTE |
2015 | Praktikum am Forschungsinstitut Brenner-Archiv |
Seit 2016 | freiberufliche Autorin |
2016-2019 | Mitarbeit in der Universitätsbibliothek Innsbruck |
Seit 2018 | Vorstandsmitglied der IG Autorinnen Autoren Österreichs und Tirols |
2018-2019 | Mitarbeit in der Wagner’schen Universitätsbuchhandlung |
Mitkonzeption und Gestaltung von „wortflAIR – die Lyrikradiosendung | |
2021-2022 | Großes Literaturstipendium (Sparte Lyrik) und Startstipendium Kulturmanagement |
Seit 2021 |
(Schreib-)Workshopleiterin für Lyrik |
2021-2023 | angestellte Literaturvermittlerin am Literaturhaus Vorarlberg |
2022 | Erscheinen des Debütbandes „azur ton nähe – flussdiktate“ |
2023-2024 | Stadtschreiberin in Radstadt, Salzburg |
Der Börsenblatt Young Excellence Award wird jährlich von den Unternehmen der Börsenvereinsgruppe vergeben. Im Juni stellt die Börsenblatt-Redaktion alle Nominierten und ihre Arbeit mit persönlichen Online-Porträts vor – ein Kennenlernen mit den Kandidatinnen und Kandidaten gibt es zudem im Live-Format auf dem Instagram-Kanal des Börsenblatts. Die future!publish unterstützt den #yeaward24 als Partner.
Die Entscheidung, wer den #yeaward23 erhält, fällt im Zeitraum vom 01.07. bis 14.07.2024 bei der öffentlichen Publikumswahl auf www.boersenblatt.net.
Alle Informationen zum Wettbewerb unter: www.young-excellence-award.de