Der Kreis Gütersloh ist gerade ein Corona-Hotspot. Wie schützt sich die VVA gegen das Virus?
Glücklicherweise sind bei uns die Gegebenheiten so, dass in der Logistik in vielen Fällen ein erheblicher Abstand zwischen den Mitarbeitern möglich ist. Sie arbeiten an verschiedenen Stationen, so dass kein unmittelbares Ansteckungsrisiko besteht. Daher haben wir auch keine generelle Maskenpflicht, Masken müssen nur getragen werden, wenn der Mindestabstand von 1,5 Metern nicht eingehalten werden kann. In der Praxis haben wir bereits bei einer Unterschreitung von zwei Metern Maßnahmen wie die Installation großflächiger Plexiglasscheiben ergriffen. Bis vor kurzem hatten wir zudem nach Möglichkeit ein Mehrschichtsystem, aber jetzt, wo sich die Volumina wieder normalisiert haben, können wir diese dezidierten Trennungen nicht mehr vornehmen. Eine beispielhafte weitere Maßnahme ist der Einsatz einer zusätzlichen Kraft, die den ganzen Tag nichts anders macht, als Türgriffe zu reinigen. Das A und O ist und bleibt jedoch das individuelle Hygieneverhalten, das maßgeblich dazu beigetragen hat, dass wir bisher keinerlei Infektionsfälle hatten,
Mit Fahrern und Lieferanten kommen auch viele Externe auf Ihr Gelände. Wie gehen Sie hier vor?
Für die Zulieferer herrscht Maskenzwang, unsere Mitarbeiter*innen, die mit ihnen Kontakt haben, haben wir FFP3-Masken zur Verfügung gestellt, die auch den Träger schützen. Dienstreisen, Besuche und Messeteilnahmen haben wir stark reduziert beziehungsweise ganz verboten. Wir reagieren sehr flexibel auf die Situation, jetzt, wo sich die Lage hier im Umfeld verschlechtert hat, verschärfen wir einige Maßnahmen wieder.
Was passiert, wenn eine Verlagsauslieferung geschlossen werden müsste?
Wenn eine Verlagsauslieferung ausfällt, sind die Bücher der Verlage, die dort ausliefern, schlicht und einfach nicht länger lieferbar. Für VVA/VM bin ich davon überzeugt, dass eine solche Situation aufgrund der vorgenannten Maßnahmen nicht eintreten wird. Die Rahmenbedingungen sind doch sehr unterschiedlich zur Fleischindustrie. Gleiches müsste daher auch für unsere Wettbewerber gelten. Wir mussten uns übrigens zu Beginn der Krise auf zwei extreme Szenarien vorbereiten, die genau gegenläufig waren.
Mit welchen Szenarien hatten Sie gerechnet?
Ein Szenario war, dass unsere Mitarbeiter*innen krank werden und wir die Bestellungen nicht bedienen können. Das zweite war, dass wir keine oder nur wenige Bestellungen erhalten und zu viele Mitarbeiter*innen haben.
Eingetreten ist eher das zweite Szenario. Wie haben Sie darauf reagiert?
Trotz eines zeitweise deutlich geringeren Volumens konnten wir Kurzarbeit bisher praktisch vermeiden, weil wir Überstunden abgebaut und Betriebsferien angeordnet hatten. Auch gab es Bereiche, in denen sehr viel zu tun war, wie etwa in der Remittendenbearbeitung. Die kaufmännische Abteilung war ebenfalls sehr gut beschäftigt, weil Bestellungen storniert wurden oder nach längeren Zahlungszielen gefragt wurde.
Im gesamten Bertelsmann-Konzern sowie in jedem Unternehmen des Konzerns gibt es einen Krisenstab. Welche Aufgaben hat dieses Gremium bei der VVA?
Die Mitglieder des Krisenstabs sammeln wichtige Corona-Informationen, geben diese weiter und diskutieren über mögliche Sicherheitsmaßnahmen. Aus gegebenem Anlass beschäftigen wir uns z.B. gerade intensiv mit dem Thema Belüftung und Umluft. Mit im Stab sind beispielsweise die Betriebsärztin, Vertreter der Personalabteilung sowie des Betriebsrates. Die Erkenntnisse bzw. Ergebnisse müssen zeitnah in Richtung Belegschaft und z.T. auch Kunden kommuniziert werden. Kommunikation ist in der Krise besonders wichtig. Wir informieren regelmäßig, weisen auf neue Regeln oder Veränderungen hin. Schön ist, dass Betriebsrat und Geschäftsleitung dabei an einem Strang ziehen.
Was kostet Sie die Corona-Krise?
Die Hygiene- und Sicherheitsmaßnahmen gehen voll und ganz zu Lasten der Produktivität und damit des Ergebnisses. Wenn wir aus Gründen des Gesundheitsschutzes statt einer Stunde mit voller Kraft zwei Stunden mit halber Kraft fahren, hat das entsprechende Auswirkungen. Aber wir lagen im Juni mit unseren Volumina zum Glück bereits wieder über Plan und werden im Juli einen wichtigen neuen, internationalen Kunden bekannt geben, der mit einem großen Volumen zu uns kommt. So wachsen wir in der Krise gegen den Trend.
Wie sieht Ihre Bilanz dieses ersten, sehr turbulenten Halbjahres aus?
Ich wäre froh, wenn die ersten sechs Monate so nicht stattgefunden hätten. Wegen der höheren Kosten werden wir leider ein schlechteres Ergebnis haben. Viele Mitarbeiter und Führungskräfte haben deutlich mehr geleistet als unter normalen Umständen und unter dem Strich blieb dennoch weniger hängen – das ist schon bitter. Aber: Eine solche Krise ist zugleich ein wichtiger Test für unsere Prozesse. Wir konnten sehen, dass unsere Notfallkonzepte funktioniert haben und dass die Abläufe robust waren. Aber wir haben an der einen oder anderen Stelle auch Verbesserungspotenzial festgestellt. Beispielsweise konnten wir bei der Digitalisierung einen großen Sprung machen und gehen so an einigen Stellen auch gestärkt aus den vergangenen Monaten hervor. Erstaunt hat mich, dass E-Books keinen größeren Aufschwung genommen haben. Das physische Buch war vergleichsweise stark, obwohl die Beschaffungssituation für die Leser*innen deutlich erschwert war.