Natürlich kann man sich diese Frage stellen – das Pressegrosso macht uns die zentrale Belieferung ja bereits vor. Allerdings steckt, wie immer, der Teufel im Detail.
Schon jetzt gehen die Bücherwagendienste der Barsortimente allesamt gut beladen und streckenoptimiert auf die Reise. Wenn sich die Zahl der Fahrzeuge durch eine Kooperation nicht deutlich reduzieren lässt, hält sich der wirtschaftliche und ökologische Vorteil in Grenzen. Anders formuliert: Eine engere Zusammenarbeit sorgt nur dann für Entlastung, wenn noch Luft im Lieferwagen ist und statt 10 Fahrzeugen künftig nur 8 oder 9 unterwegs sind.
Auch die Idee, andere Produkte wie Blumen oder Medikamente mit an Bord zu holen, klingt besser als sie ist. Denn die Zeitfenster sind eng getaktet, wenn die Lieferwagen pünktlich an Ort und Stelle sein sollen. Genau das aber ist mit Blick auf die vielen Staus unkalkulierbar. Kurzum: Das Thema Kooperation ist komplex und hat viele Untiefen.
Gerade hat Zeitfracht wieder Mails verschickt mit dem Hinweis, bestimmte Titel nicht mehr auf Lager zu nehmen und man solle doch bitte Print on Demand mit ihnen machen.
Barsortimente, die ihre ureigene Aufgabe nicht mehr wahrnehmen, sind keine Barsortimente mehr. Wer aber seine Pflicht nicht erüllt, sollte auch seine (preisbindungstechnischen) Rechte und Konditionen entzogen bekommen.
Der Versuch das Problem den Verlagen in die Schuhe zu schieben ist mehr als lächerlich: Er ist eine Frechheit! Und alles in allem gehen die Ausflüchte des Zwischenbuchhandels an der Sache vorbei, denn so wie es zzt. aussieht verhält es sich so:
JA, es wird Buchhandlungen geben die nicht mehr über Nacht bestellen können.
und
JA, es wird Verlage geben, deren Bücher nicht mehr über Nacht bestellbar sein werden.
Konstatieren wir realistisch zum Zweiten, dass Presse etc. aus einer Verlautbarung gerne eine griffige Story mit griffigen Titeln machen, die nicht unbedingt immer etwas mit den tatsächlichen Gegebenheiten zu tun haben – warum auch immer, aber auch dies ist unsere Branche eigentlich schon gewohnt.
Wenn es jetzt aber heißt, dass dieses Medienereignis die Bemühungen des Börsenvereins konterkariert, dann ist dies die halbe Wahrheit. Ich mag daran glauben, dass man dort in dieser Causa inzwischen aktiv tätig ist, weil die Brisanz der Reaktionen unübersehbar geworden ist. Vergessen sollten wir trotz des aktuellen Aktionismus aber nicht, dass sich direkt zu Beginn des ganzen Desasters der Hauptgeschäftsführer des Börsenvereins, Peter Kraus vom Cleff, gegenüber der Funke-Mediengruppe mit einer Botschaft äußerte, die man buchhandelsintern nur als blind für das nicht mehr schwelende, sondern schon zündelnde Feuer halten muss.
Dies war wahrlich kein Ruhmesblatt, denn exakt dieses Sofortstatement hat aufgrund seiner Verbreitung und weitreichenden Zitierung die Arbeit des eigenen Verbandes schon vorab weiterer Bemühungen um das Einfangen falscher Darstellungen komplett konterkariert. Zwischen der Aussage, „man wolle zunächst nicht kommentieren“ (inklusive desaströser Zusatzerklärung) oder der möglich gewesenen Aussage, man werde alsbald kommentieren klafft die entscheidende Lücke. Besonders auch aus diesem Umstand sollte der Börsenverein, gerade auch die Führungsriege, sehr aktiv lernen, wie man bei entsprechenden Gegebenheiten schnell aktiv wird!
Jens Bartsch – Buchhandlung Goltsteinstraße in Köln
Die Idee eines Workshops ist sehr gut, ich hoffe dass es nicht schon zu spät ist. Wenn sich strukturell nicht grundlegend etwas verändert wird es spätestens nach einer Mindestlohnerhöhung auf 14 € für sehr viele kleine und mittlere Buchhandlungen nicht mehr weiter gehen, oder hinein ins Thalia-Partnermodell, wie es schon jetzt immer häufiger im Börsenblatt zu lesen ist.
Ich würde übrigens sehr gerne an einem möglichen Workshop teilnehmen. Einen Debattengeist in der Branche zu initiieren wie bei der Diskussion um die 55 Thesen bei der Zukunftskonferenz auf dem Mediacampus 2011 wäre toll.
Vielleicht mögen Sie, lieber Herr Brausch, sich selber erstmal ein Bild von Ihren Sparten-Repräsentant*innen und deren Unternehmenshintergründen machen, denn Ihre Behauptung legt zumindest nahe, dass Sie weder mit Ihren gewählten Kolleg*innen im Ausschuss für den Sortimentsbuchhandel, noch mit deren Funktion, Arbeit oder dem Wirken der IG Unabhängiges Sortiment (IGUS) sonderlich vertraut sind.
- https://www.boersenverein.de/boersenverein/bundesverband/ausschuss-fuer-den-sortimentsbuchhandel/
- https://www.boersenverein.de/interessengruppen/ig-unabhaengiges-sortiment/
PS: Iris Hunscheid, Sprecherin der IGUS, hat übrigens aktuell ebenfalls ein Interview zur Thematik gegeben, vgl.https://www.boersenblatt.net/news/zwischenbuchhandel-news/die-verlage-halten-den-entscheidenden-hebel-der-hand-314597
so sehr ich sonst auf der Seite des Börsenvereins stehe, aber dieses Mal würde ich es wirklich gearde angesichts des Ernstes der Situation für "kleine" Buchhandlungen und Verlage für schweirig, für den Workshop wieder nur auf die ohnehin bekannten Gesichter des SoA zurückzugrefiefn, die wahrescheinlich ohnehin nicht von der Aktion von Zeitfracht betroffehn sind. Und gerade der Hinweis auf Frau Hunscheid wirkt hier eher kontraproduktiv - jemand, der Buchhandlungen unter 30 TEURO Barsortimentsjahresumsatz quasi die Existenzberechtigung abspricht, qualifiziert sich eher nicht als Sprecherin des kleinen Sortiments - wir z. B. haben unter 30TEURO Jahresumsatz bei Zeitfracht (ohne zweites Barsortiment), betreiben aber eine wissenschaftliche Versand- und Exportbuchhandlung, die natürlich NICHT beim Barsortiment einkauft, sondern direkt bei den Verlagen. Zudem generieren wir einen großen Teil unseres Umsatzes über das Antiquariat - sind wir aus beiden Gründen keine "Buchhandlung" im Sinne von Frau Hunscheid, obwohl wir doch ebenso wie andere auch unseres Jahresbeitrag an den Börsenverein und die Landesverbände überweisen (und auch nicht ungern, denn ich weiß um den Einsatz der Kollegen im Ehren- und Hauptamt) ? Vielleicht sollte der Börsenverein wirklich die Vertretung gerade auch der kleineren Sortimente und Verlage wieder gezielter ins Auge fassen - dies hielt ich bisher für eine Kernaufgabe unseres Verbandes, weil diese sich eben gerade nicht eine Rechtsabteilung und politische Vertretung leisten können, wie Thalia, Osiander u. a....
Meiner Meinung nach sollten gerade die Buchhandlungen im Workshop vertreten sein, die nicht zu den großen gehören, sondern zu denen, die von Aktionen wie von Zeitfracht direkt betroffen sind.