Zukunftsparlament

Themen, die angegangen werden müssen

16. Juli 2024
von Börsenblatt

Das Image der Branche, Nachwuchsförderung, Lesemotivation und Teilhabe: Mit ganz unterschiedlichen Themen befassten sich die Teilnehmer:innen des Zukunftsparlaments von 14. bis 15. Juli in Frankfurt am Main.

Zukunftsparlament 2024: Workshop zu "Leseförderung: Welche Strategien kann man nutzen, um Bücher in der digitalen Welt sichtbarer werden zu lassen?"

Nachwuchs: Alter und Diversität

Intensiv befassten sich die 81 Parlamentarier:innen mit dem Image der Branche und der Nachwuchsförderung, diskutierten, entwickelten Ideen und Ansätze für die Umsetzung. Sie berichteten von ihren Erfahrungen, dass Lehrer und Berufsberater vom Arbeiten in Verlagen oder vom Studium der Buchwissenschaften abgeraten hätten mit dem Hinweis: "Da kriegt ihr eh keinen Job" - das demotiviere, und dabei "sind wir alle ziemlich froh, dass wir in dieser wunderbaren, kreativen Branche sind". Was sie den aktuellen Entscheidern aber zu bedenken geben wollen: Trotz des Fachkräftemangels werde der Nachwuchs nur in solchen Altersgruppen gesucht, die schon einiges an Lebenserfahrung aufzuweisen haben. In Realschulen etwa werde gar nicht auf das Arbeiten mit Büchern neugierig gemacht: "Man muss nicht volljährig sein, um eine Ausbildung zu beginnen, da gehen der Branche einfach Möglichkeiten verloren", brachte es eine Parlamentarierin in der Themenrunde zur Nachwuchsförderung auf den Punkt. Die Erwartungshaltung der Verlage und Buchhandlungen, vor allem auf Bewerber:innen mit sehr vielen Vorerfahrungen und teils selbst erworbenen Kenntnissen zu setzen, sei ungebrochen, konstatierte die Runde, und folglich drängte sich die Frage auf, wie lange sich die Branche das leisten könne. "Also: Warum nicht bei den Jüngeren ansetzen?"

Deutlich wurde auch, dass die Volontariate ihren Anteil am Image der Branche haben. Da es dafür keine Vorgaben gibt, sind sie oft sehr unterschiedlich strukturiert - einige sehen weder einen Ausbildungsplan noch eine Ansprechpartnerin vor, andere seien vorbildlich, so die Erfahrungen. Angeregt wurde, dass eine Gehaltstransparenz sinnvoll sei - "da liegen selbst bei großen Verlagen Welten zwischen den jeweiligen Vergütungen." Und im Social-Media-Zeitalter ist es irrig zu denken, dass das Volontariatsgehalt ein ungeteiltes Geheimnis sei. Wenn über mangelnde Diversität geklagt werde, stelle ein Volontariatsgehalt aber gerade einen Prüfstein dar: Wenn ein Volontariat nur mit finanzieller Unterstützung der Eltern absolviert werden könne, könnten es sich auch nur bestimmte Schichten leisten, die anderen würden ausgeschlossen. Hier sei ein wichtiger Hebel für mehr Diversität. "Und das häufig gehörte Argument 'Wir haben kein Geld' bedeutet dann häufig 'Deshalb nehmen wir gerne euch als sehr günstige Arbeitskräfte'." Die Teilnehmer:innen der Runde legten aber auch Wert darauf, dass Geld längst nicht alles sei, es gebe auch andere Formen der Unterstützung, Fortbildungsmöglichkeiten, ein Jobticket, Wertschätzung oder überhaupt, ein Volontariat als Form der Ausbildung zu begreifen. Daran sollten Firmen stärker arbeiten. Im Zukunftsparlament gründete sich eine Taskforce "Image der Buchbranche" - wer Interesse hat mitzumachen, kann sich bei Berufsbildungsbildungsreferentin Sabine Patzelt unter patzelt@boev.de melden.

Bibliothek als Ort für Demokratiebildung

Ein weiterer Schwerpunkt neben dem Umgang mit KI und Barrierefreiheit war der Themenkomplex"Lesemotivation und Teilhabe". Bibliotheken, wurde hervorgehoben, sind wichtige Orte für Demokratiebildung. Man solle auch an räumliche Verknüpfungen denken, etwa dass Büchereien mit anderen städtischen Ämtern im selben Gebäude sind, um Berührungsämgste abzubauen. "Oder einen Lesecontainer im Schwimmbad finden Kinder ganz toll, der wird gut angenommen." Bemängelt wurde, dass Vieles bis hin zu Vorlesestunden nur noch mit Ehrenamtlichen funktioniere. Auch hier wurde der Aspekt der Diversität aufgezeigt: "So ein Ehrenamt muss man sich auch leisten können - meist kommen die Ehrenamtlichen aus mittleren und oberen Gesellschaftsschichten, bestimmte Gruppen sind nie vertreten, was Auswirkungen auf Inhalte und Besucherhemmschwellen hat." Zu oft sei noch Lektüre in den Köpfen von Kindern und Jugendlichen mit dem Deutschunterricht verknüpft, sodass jegliche Anstrengung sinnvoll sei, um den Spaß am Lesen in den Vordergrund zu rücken.

Vom Footprint zum Handprint

Auf Diversität zahlt auch das Thema Barrierefreiheit ein; bis 28. Juni nächsten Jahres sind nach dem Barrierefreiheitsstärkungsgesetz BSFG viele Produkte und Dienstleistungen barrierefrei zu gestalten. "Das bedeutet, dass etwa Blinde und Menschen mit Farbbeinträchtigungen nicht ausgeschlossen werden, dass bei Fotos ein Alternativtext gepflegt werden muss, dass rote Schriften vermieden werden, weil der Farbkontrast zu gering ist, dass Tabellen und Grafiken vorlesbar gemacht werden und ein Suchfeld auf einer Website nicht nur optisch, sondern auch akustisch erkennbar sein soll", führte eine Teilnehmerin aus. Diskutiert wurde, ob ein Bilderbuch als E-Book unter den BSFG-Bedingungen noch Sinn macht.

Auch das Thema Nachhaltigkeit stand immer wieder im Fokus; unter dem Motto "Vom Footprint zum Handprint" hatte eine Gruppe überlegt, dass zu oft mit negativen Narrativen gearbeitet werde, was man alles vermeiden sollte, was alles schlecht ist usw. Zu wenig stehe die andere seite im Vordergrund: Welchen positiven Impact haben wir? Die Gruppe erarbeitete mit Schaubildern sehr klar, an welchen Stellschrauben man drehen kann, um Produkte sowohl nachhaltig als auch profitabel herzustellen.

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