Themen, die angegangen werden müssen
Das Image der Branche, Nachwuchsförderung, Lesemotivation und Teilhabe: Mit ganz unterschiedlichen Themen befassten sich die Teilnehmer:innen des Zukunftsparlaments von 14. bis 15. Juli in Frankfurt am Main.
Das Image der Branche, Nachwuchsförderung, Lesemotivation und Teilhabe: Mit ganz unterschiedlichen Themen befassten sich die Teilnehmer:innen des Zukunftsparlaments von 14. bis 15. Juli in Frankfurt am Main.
Intensiv befassten sich die 81 Parlamentarier:innen mit dem Image der Branche und der Nachwuchsförderung, diskutierten, entwickelten Ideen und Ansätze für die Umsetzung. Sie berichteten von ihren Erfahrungen, dass Lehrer und Berufsberater vom Arbeiten in Verlagen oder vom Studium der Buchwissenschaften abgeraten hätten mit dem Hinweis: "Da kriegt ihr eh keinen Job" - das demotiviere, und dabei "sind wir alle ziemlich froh, dass wir in dieser wunderbaren, kreativen Branche sind". Was sie den aktuellen Entscheider:innen aber zu bedenken geben wollen: Trotz des Fachkräftemangels werde der Nachwuchs nur in solchen Altersgruppen gesucht, die schon einiges an Lebenserfahrung aufzuweisen haben. In Realschulen etwa werde gar nicht auf das Arbeiten mit Büchern neugierig gemacht: "Man muss nicht volljährig sein, um eine Ausbildung zu beginnen, da gehen der Branche einfach Möglichkeiten verloren", brachte es eine Parlamentarierin in der Themenrunde zur Nachwuchsförderung auf den Punkt. Die Erwartungshaltung der Verlage und Buchhandlungen, vor allem auf Bewerber:innen mit sehr vielen Vorerfahrungen und teils selbst erworbenen Kenntnissen zu setzen, sei ungebrochen, konstatierte die Runde, und folglich drängte sich die Frage auf, wie lange sich die Branche das leisten könne. "Also: Warum nicht bei den Jüngeren ansetzen?"
Deutlich wurde auch, dass die Volontariate ihren Anteil am Image der Branche haben. Da es dafür keine Vorgaben gibt, sind sie oft sehr unterschiedlich strukturiert - einige sehen weder einen Ausbildungsplan noch eine Ansprechpartnerin vor, andere seien vorbildlich, so die Erfahrungen. Angeregt wurde, dass eine Gehaltstransparenz sinnvoll sei - "da liegen selbst bei großen Verlagen Welten zwischen den jeweiligen Vergütungen." Und im Social-Media-Zeitalter ist es irrig zu denken, dass das Volontariatsgehalt ein ungeteiltes Geheimnis sei. Wenn über mangelnde Diversität geklagt werde, stelle ein Volontariatsgehalt aber gerade einen Prüfstein dar: Wenn ein Volontariat nur mit finanzieller Unterstützung der Eltern absolviert werden könne, könnten es sich auch nur bestimmte Schichten leisten, die anderen würden ausgeschlossen. Hier sei ein wichtiger Hebel für mehr Diversität. "Und das häufig gehörte Argument 'Wir haben kein Geld' bedeutet dann häufig 'Deshalb nehmen wir gerne euch als sehr günstige Arbeitskräfte'." Die Teilnehmer:innen der Runde legten aber auch Wert darauf, dass Geld längst nicht alles sei, es gebe auch andere Formen der Unterstützung, Fortbildungsmöglichkeiten, ein Jobticket, Wertschätzung oder überhaupt, ein Volontariat als Form der Ausbildung zu begreifen. Daran sollten Firmen stärker arbeiten. Im Zukunftsparlament gründete sich eine Taskforce "Image der Buchbranche" - wer Interesse hat mitzumachen, kann sich bei Berufsbildungsreferentin Sabine Patzelt unter patzelt@boev.de melden.
Ein weiterer Aspekt war der Umgang mit KI. Im Workshop "KI in der Medienbranche" wurde deutlich herausgestellt, dass die Buchbranche nicht nur die Risiken, sondern viel mehr die Chancen von künstlicher Intelligenz sehen sollte. Verschiedene Tools wie Deep L oder ChatGPT böten nämlich viele Möglichkeiten, sich den Arbeitsalltag zu erleichtern. Dafür müsse aber allen das dazugehörige Know-How gegeben sein und hierbei mangele es bei vielen. Zu groß sei immer noch die Angst vor der KI und zu gering das Angebot an Weiterbildungen. Bei Buchhandlungen wurde kritisiert, dass hierfür zunächst einmal die digitale Grundausstattung verbessert werden müsste. Zudem äußerten die Parlamentarier:innen stark den Wunsch nach mehr KI-Schulungen, um ihre Möglichkeiten besser auszuschöpfen und um die Grenzen kennenzulernen. Sie betonten, dass die Branche mit dem Fortschritt gehen sollte. Dies sei wichtig für ihr Image.
Ein weiterer Schwerpunkt neben dem Umgang mit KI und Barrierefreiheit war der Themenkomplex"Lesemotivation und Teilhabe". Bibliotheken, wurde hervorgehoben, sind wichtige Orte für Demokratiebildung. Man solle auch an räumliche Verknüpfungen denken, etwa dass Büchereien mit anderen städtischen Ämtern im selben Gebäude sind, um Berührungsängste abzubauen. "Oder einen Lesecontainer im Schwimmbad finden Kinder ganz toll, der wird gut angenommen." Bemängelt wurde, dass Vieles bis hin zu Vorlesestunden nur noch mit Ehrenamtlichen funktioniere. Auch hier wurde der Aspekt der Diversität aufgezeigt: "So ein Ehrenamt muss man sich auch leisten können - meist kommen die Ehrenamtlichen aus mittleren und oberen Gesellschaftsschichten, bestimmte Gruppen sind nie vertreten, was Auswirkungen auf Inhalte und Besucherhemmschwellen hat." Zu oft sei noch Lektüre in den Köpfen von Kindern und Jugendlichen mit dem Deutschunterricht verknüpft, sodass jegliche Anstrengung sinnvoll sei, um den Spaß am Lesen in den Vordergrund zu rücken.
Auf Diversität zahlt auch das Thema Barrierefreiheit ein; bis 28. Juni nächsten Jahres sind nach dem Barrierefreiheitsstärkungsgesetz BSFG viele Produkte und Dienstleistungen barrierefrei zu gestalten. "Das bedeutet, dass etwa Blinde und Menschen mit Farbbeinträchtigungen nicht ausgeschlossen werden, dass bei Fotos ein Alternativtext gepflegt werden muss, dass rote Schriften vermieden werden, weil der Farbkontrast zu gering ist, dass Tabellen und Grafiken vorlesbar gemacht werden und ein Suchfeld auf einer Website nicht nur optisch, sondern auch akustisch erkennbar sein soll", führte eine Teilnehmerin aus. Diskutiert wurde, ob ein Bilderbuch als E-Book unter den BSFG-Bedingungen noch Sinn macht.
Auch das Thema Nachhaltigkeit stand immer wieder im Fokus; unter dem Motto "Vom Footprint zum Handprint" hatte eine Gruppe überlegt, dass zu oft mit negativen Narrativen gearbeitet werde, was man alles vermeiden sollte, was alles schlecht ist usw. Zu wenig stehe die andere Seite im Vordergrund: Welchen positiven Impact haben wir? Die Gruppe erarbeitete mit Schaubildern sehr klar, an welchen Stellschrauben man drehen kann, um Produkte sowohl nachhaltig als auch profitabel herzustellen. Als Lösungsvorschläge wurden die Reduzierung von Werbemitteln, Arbeiten mit QR Codes und Verteilen von nützlichen Goodies wie Tassen oder Kugelschreibern genannt. Vor allem aber müsse mithilfe von Studien zunächst klargestellt werden, was überhaupt tatsächlich nachhaltig sei und was nur als solches dargestellt werde – um auf dieser Grundlage zu entscheiden, wie man in Zukunft weiter agieren solle. Kooperationen mit Universitäten und Studierenden, die sich in ihren Masterarbeiten auf spezielle Themen wie "Apfelpapier als Recyclingpapier" spezialisieren, wären hier erste Schritte.
Darüber hinaus wurden die drei besten Essays gekrönt, die die Teilnehmer:innen zum Thema "Europas Zukunft mitgestalten" als Bewerbung für das Zukunftsparlament verfasst haben. Die bisherigen Sprecher Tobias Groß und Florian Noichl hatten als Jury die Aufgabe, aus 81 Essays die drei besten auszusuchen. Dazu gehörten Helena Koch, Volontärin bei Rowolth Berlin, Laura Hoffmann, Volontärin bei der Penguin Random House Verlagsgruppe, sowie Nöelle Lee, Assistentin der Dörlemann-Verlegerin. Als Anerkennung schenkte der Media Campus ihnen die Teilnahme am Seminar "Besser präsentieren"..
Mehr zum Zukunftsparlament und zu den neuen Sprecher:innen finden Sie hier.