Kolumne von Sarah Omphalius

Studierende auf dem Abstellgleis

12. Mai 2021
Redaktion Börsenblatt

Keine Praktika, keine Möglichkeiten, branchennah Geld zu verdienen, kein Austausch: Sarah Omphalius studiert Buchwissenschaften in Mainz - und das schon im 3. Semester im Lockdown. Den Student*innen machen die Studienbedingungen zu schaffen, aber auch die Buchbranche würde verlieren, zum Beispiel die Möglichkeit, wissenschaftliche Arbeit zu inspirieren, meint Omphalius. Sie wünscht sich vom Börsenverein einen Leitfaden für Online-Praktika.

Wie für viele Studierende studiere ich bereits das 3. Semester im Lockdown, das bedeutet ein weiteres ohne Bibliothek, Struktur und Perspektive. Wie sehr die Student*innen insgesamt unter den stark eingeschränkten Studienangeboten leiden, kann man diversen AStA-Umfragen entnehmen. Psychische Belastung, fehlende finanzielle Unterstützung und das Gefühl von Aussichtslosigkeit sind die häufigsten Folgen. Als Studentin der Buchwissenschaft kann ich für meinen Fachbereich diese Beobachtungen nur bestätigen. Es ist an der Zeit, dass die Buchbranche beginnt, auch den studentischen Nachwuchs zu unterstützen.

Es ist an der Zeit, dass die Buchbranche beginnt, auch den studentischen Nachwuchs zu unterstützen.

Vor allem wertvolle Erfahrung geht verloren

Während die Buchhandelsauszubildenden vielfach mit Arbeit überlastet sind (siehe Brandbrief der Azubis), bleibt den Studierenden oft der Blick in die Arbeitswelt verwehrt. Und: Durch die Lockdowns konnten die meisten Veranstaltungen in der Literaturszene nicht stattfinden. Dadurch haben viele Student*innen ihre Nebenjobs verloren und somit vielfach die Grundlage für ihr Studium. Nicht wenige nahmen Studienkredite auf und verschuldeten sich oder mussten unter der finanziellen Last ihr Studium abbrechen.

Nicht bei allen waren die Folgen so dramatisch, aber dennoch gab es Einschränkungen, die sich negativ auf den Lebenslauf auswirken. Bei mir sind 2020/21 beispielsweise alle Messejobs weggefallen. Ich hätte zum ersten Mal sowohl auf der Leipziger und Frankfurter Buchmesse, als auch auf der Drupa arbeiten können. Neben dem Verdienstausfall, ist mir vor allem wertvolle Erfahrung verloren gegangen.

Die Buchbranche verliert zunehmend die Möglichkeit, wissenschaftliche Arbeit zu inspirieren.

Wie sollen wir das Modul "Praktikum" abschließen?

Praxis ist besonders in Form von Praktika notwendig, um ein Studium erfolgreich abschließen zu können. Die meisten Praktika aber wurden während der Pandemie frühzeitig beendet, abgesagt oder gar nicht erst ausgeschrieben. Um einen Abschluss zu ermöglichen, bietet meine Uni beispielsweise Arbeit im Bereich der Leseförderung als Alternative an.

Dadurch kann zumindest ein Teil der Studierenden das Modul „Praktikum“ abzuschließen. Die Arbeitserfahrung, das Ausprobieren und Herausfinden, in welche Richtung man sich entwickeln möchte, fallen leider häufig weg. Hier geht also eine frühe Form der Spezialisierung verloren, da es nicht mehr zu Kooperationen zwischen Unternehmen und Studierendem für die Abschlussarbeit kommt. Die Buchbranche verliert so zunehmend die Möglichkeit, wissenschaftliche Arbeit zu inspirieren.

Verlage sollten sich stärker für ihren Nachwuchs engagieren

Einige zögern den Abschluss hinaus, weil sie den Kontakt zu Verlagen, persönliche Gespräche mit ihren Betreuern und offenen Zugang zu Bibliotheken nicht während dieser wichtigen Zeit missen möchten. Andere melden sich nur deshalb zum Master-Studiengang an, weil sie zu wenige Chancen auf Einstellung oder Volontariat sehen. Die Angst ist groß, welche Verlage und Unternehmen die Pandemie überstehen werden.

Gegen das Gefühl des „Steckenbleibens“ in der Pandemie hilft mir mein Ehrenamt bei den Jungen Verlags- und Medienmenschen. Der Verein bietet auch eine Menge Online-Kurse, die dafür sorgen, dass man mit der Branche in Kontakt bleibt. Dies ist nur eine der Möglichkeiten, wie sich Studierende kreativ ausdrücken und fortbilden. Doch der Elan und die Kreativität, die sich seit über einem Jahr aufstauen, geht so der Buchbranche verloren. Daher ist es zentral wichtig, dass sich die Verlage und Unternehmen selbst stärker für ihren Nachwuchs engagieren.

Ein Leitfaden für Online-Praktika könnte auch kleinere Unternehmen ermutigen, Studierende auszubilden.

Wünschenswert wäre ein Leitfaden des Börsenvereins für Online-Praktika

Die Situation während der Pandemie ist für alle schwierig. Das Zögern der Verlage, neue Mitarbeiter*innen einzustellen, ist verständlich. Trotzdem ist es aus meiner Sicht unabdingbar, dass die Buchbranche nicht den Kontakt zu den Studierenden verliert. Auf jeden Fall sollten Verlage Praktika anbieten, die im Notfall auch online stattfinden könnten.

An dieser Stelle würde ich mir die Unterstützung des Börsenvereins wünschen, der einen Leitfaden für Online-Praktika erarbeiten könnte, um auch kleinere Unternehmen zu ermutigen, Studierende auszubilden. Das Kursangebot des Börsenvereins könnte um entsprechenden Content erweitert werden. Themen wie Technische/digitale Infrastruktur, New Leadership und Projektmanagement bleiben auch nach der Pandemie essenziell.

Unsere Kolumnistin

Sarah Omphalius ist 22 Jahre alt und studiert seit 2018 Buchwissenschaft und Komparatistik an der Johannes Gutenberg-Universität in Mainz. Während eines Auslandssemesters an der Universidad Complutense de Madrid verschaffte sie sich außerdem Einblicke in den Studiengang der Mediendokumentation. Sie engagiert sich aktiv bei den Jungen Verlags- und Medienmenschen. Dort moderiert Sarah Omphalius inzwischen das Team des jährlich stattfindenden Weiterbildungstags.