Nachwuchsparlament

Sandra Vogel ist neue Nachwuchssprecherin

19. Juli 2021
Redaktion Börsenblatt

Am 18. und 19. Juli tagte am Mediacampus Frankfurt das Nachwuchsparlament. 75 Auszubildende, Studierende, Volontär*innen arbeiteten in Workshops und diskutierten im Plenum über Themen von Problemen im Arbeitsalltag bis Zukunftswandel.

Bildungsdirektorin Monika Kolb erinnerte daran, dass es das Nachwuchsparlament seit nun 13 Jahren gibt und gegen mancherlei Widerstände durchgesetzt werden musste. „Wir brauchen die Stimmen der jungen Menschen gebündelt“, sagte Vorsteherin Karin Schmidt-Friderichs, die ebenso wie der künftige Hauptgeschäftsführer Peter Kraus vom Cleff nach Seckbach gekommen war. Sie wies darauf hin, dass die alten Führungsstrukturen an ihre Grenze kämen – „man kann so tun, als ob es sie noch gäbe, aber de facto lernen wir jeden Tag dazu.“ Karriere werde anders und vor allem von den jeweiligen Mitarbeiter*innen selbst definiert. Ebenso die Arbeitsweisen: „Auch der künftige Hauptgeschäftsführer wird nicht sieben Tage die Woche in Frankfurt sein, sondern zwischen Hamburg, Brüssel, Frankfurt und sonstwo pendeln. Es ist eine neue Zeit.“

Neue Nachwuchssprecherin

Karin Schmidt-Friderichs fiel auch die Aufgabe zu, die künftige Nachwuchssprecherin bekanntzugeben. Zuvor hatte Monika Kolb dem scheidenden Nachwuchssprecher Lennart Schaefer für sein großes Engagement gedankt: „Meine Hochachtung und Bewunderung!“ Als seine Nachfolgerin wählte das Nachwuchsparlament Sandra Vogel, die Volontärin im Lektorat für Internationale Literatur und Klassik bei dtv ist. Für ein weiteres Jahr wird an ihrer Seite die im vergangenen Jahr gewählte Jennifer Geneit (Schweitzer Fachinformationen, Boysen & Mauke in Hamburg) Nachwuchssprecherin sein.

Zukunftswandel und bleibende Grundbedürfnisse

Hermann Eckel, Co-Sprecher der IG Digital im Börsenverein, nahm die Nachwuchsparlamentarier heute mit in die Welt des Jahrs 2030 und zeigte die exponentielle Beschleunigung auf – die Entwicklungen werden immer schneller, die Leistung der Mikrochips werden alle zwei Jahre doppelt so schnell und doppelt so klein. „Das heißt, man kann immer auf den neuesten Entwicklungen aufbauen“, formulierte Eckel, Wissen und Forschung explodierten, die Zahl der Dissertationen habe sich verdoppelt „vielleicht nutzen wir in den nächsten fünf Jahren schon Quantencomputing“. Es gibt zudem eine Werkschöpfung mittels KI, automatisiert erstellte Spielberichte von Fußballspielen oder Börsennachrichten, man geht davon aus, dass kreative Werke erstellt werden – „oder wird es künftig mittels Polymerfäden eine Gehirn-Computer-Schnittstelle geben und man wird per Gedankenübertragung arbeiten? Elon Musk arbeitet daran.“

Auch personalisierte Hörbücher per Text-to-Speech sind eine Option, denn Stimmen können jetzt schon täuschend ähnlich imitiert werden - Testhörer konnten keine Unterschiede erkennen. Ebenso kann mittels eines 3D-Bildschirms kann bereits eine unglaubliche Nähe zur Lieblingsautor*in hergestellt werden –man sieht sich wie in echt. „Vielleicht kommen nicht alle Entwicklungen, vielleicht kommen sie anders, manche schneller“, meinte Eckel, „aber wir müssen uns darauf einstellen“. Auch die Bücherauslieferung mit autonomen Drohnen sei ein Thema, die Ware könne von dezentralen Lagern zu Buchhändlern und zu Kunden transportiert werden; die Schweizer Post macht es schon mit Lieferungen an Apotheken. Vielleicht gebe es auch mehr Lesezeit durch autonomes Fahren. „Für die Buchbranche bedeutet das Veränderungen: Sie wird zur Hightech-Branche, die innovative Lösungen suchen muss“, folgerte Eckel. „Das Schöne bei all dem ist aber: Menschliche Grundbedürfnisse bleiben bestehen. Wir als Buchbranche können einiges tun, um sie zu befriedigen.“ Oft seien es aber Branchenfremde, die agieren. Auch Buchhandlungen haben eine Zukunft, prognostizierte Eckel, wenn sie etwa zu Lern- und Begegnungsorten für Communities werden. Letztlich bedeutet es auch neue Jobprofile- und Jobanforderungen.

Themen des Nachwuchsparlaments

In der Parlamentssitzung wurde der Wunsch laut, dass die Informationen und Angebote für den Nachwuchs viel stärker bekannt gemacht werden müssten. Oft liege es am Chef oder der Chefin, ob sie informierten, aber manche wüssten es gar nicht. Ein Vorschlag aus der Runde: Regelmäßge Infos an die Arbeitgeber für Angebote für die Nachwuchskräfte – und vielleicht könnte man Infos an die IHKs geben, die sie dann etwa bei Ausbilderlehrgängen weitergegeben könnten. Auch die Universitäten könnten stärker als Informationskanal genutzt werden – hier sind die Landesverbände immer wieder aktiv. Immerhin wurden in diesem Jahr die Hälfte der Parlamentarier*innen vom Arbeitgeber für die beiden Tage in Seckbach freigestellt, bei Studierenden erübrigte sich die Freistellung. Im Sortiment sei es oft nicht im Rahmen der Ausbildung vorgesehen, aber offenbar bessert sich die Situation.

Neben dem Dauerthema „Faire Entlohnung“ ging es auch um eine fairere Trennung von Ausbildung und Arbeit. Mehr als die Hälfte der Parlamentarier*innen fühlt sich als Mitarbeiter*in, die eine Vollzeitkraft ersetzt; nicht wenige lernen neue Mitarbeiter*innen an. Noch merkwürdiger sei es, wenn Auszubildende Auszubildende anlernen. Allerdings müssten die Azubis auch selbst stärker interventieren – schwierig sei nur, dass man meist ja gar nicht wisse, was man einfordern dürfe. Das führe dazu, dass unzählige Überstunden nicht bezahlt würden, weil sie nicht sein dürften und die Hälfte des Jahresurlaubs nicht genommen werde, weil immer etwas Wichtiges anstehe und dann das Weihnachtsgeschäft vor der Tür stehe. Parlamentarier*innen erinnerten daran, dass bei mehreren Auszubildenden mit Unterstützung des Betriebsrats auch eine Jugendauszubildendenvertretung (JAV) gegründet werden kann.

Das Parlament beklagte eine große Intransparenz, was die Bezahlung für dieselben Tätigkeiten betrifft, und es gebe unverändert ein Ost-West-Gefälle. Unbezahlte Pflichtpraktika sind ein Problem: Wer nicht von Haus aus Geld mitbringe, könne Unterkunft und Lebensmittel nicht bezahlen - letztlich könnten nur Privilegierte ein solches Praktikum machen, so die Meinung. Berufsbildungsreferentin Elena Appel erinnerte daran, dass der Förderverein Berufsbildung Weiterbildungen etc. finanziell unterstützt.

Im Gespräch waren auch die Inhalte der Ausbildung, im Sortiment müsse bei der Buchführung dringend mehr Know-how vermittelt werden. Eine Beobachtung von vielen: Social Media-Aktivitäten werden gerne an den Nachwuchs übergeben, aber es wird überhaupt keine Arbeitszeit dafür eingeplant, so als ginge das alles nebenbei. Eine Sorge war die künftige Arbeit von Buchhändler*innen: Es wird ja nur ein Teil der Azubis übernommen oder hat in anderen Buchhandlungen Chancen, eingestellt zu werden - wie viele Buchhändler*innen werden noch tatsächlich gebraucht? Was beflügelt: Die überwiegende Mehrheit der Sortimentsazubis hat seitens der Kund*innen eine große Dankbarkeit erfahren.

Großes Engagement zeigte das Nachwuchsparlament beim Thema Nachhaltigkeit. Wer, wenn nicht die Buchbranche, müsse Vorreiter sein beim klimaneutralen Produzieren sein? Wenn mehr und mehr Verlage im Cradle-to-Cradle-Verfahren herstellten, würde das auf lange Sicht auch günstiger. Auch im Buchhandel müsse viel mehr darauf geachtet werden, dass etwa unverschweißte Bücher verkauft würden.