Nachwuchsparlament

"Künftig werden sich Unternehmen bei Ihnen bewerben"

19. Juli 2021
Redaktion Börsenblatt

Veränderungen in Arbeitsprozessen, den Mut zum Scheitern haben, New Work und die positiven Erfahrungen im Buchhandel nicht kleinreden: Das waren Themen in einer Diskussionsrunde zum Thema Zukunftsstrategien im Nachwuchsparlament.

"Digitale Zukunftsstrategien in der Buch- und Medienbranche" war das Thema der von Berufsbildungsreferentin Elena Appel lebendig moderierten Fish-Bowl-Diskussion beim Nachwuchsparlament. Die Kernfrage sei "Wie wollen wir künftig aufgestellt sein?", stieg Peter Kraus vom Cleff ein, Präsident der Europäischen Verlegervereinigung. Dabei müsse man im Blick haben, dass sich Wissen anders als früher in rasantem Tempo weiterentwickle, scheinbare Gewissheiten hielten nicht lange. "Ich finde nichts schöner als auszuprobieren", Fehler gehörten dazu: "Scheitern, aber wieder aufstehen." So werde sich die Art, wie wir arbeiten, verändern: "Ich verstehe mich als Führungskraft und nicht als Chef, ich koche mir meinen Tee selber". Lennart Schaefer, Veranstaltungs- und Projektmanager in der Verlagsgruppe Oetinger und zu diesem Zeitpunkt seit wenigen Stunden Ex-Nachwuchssprecher, sah es als wichtigste Aufgabe, "step by step digitaler zu werden". Da werde über neue Apps geredet und man wolle Daten und noch mehr Daten sammeln "- und die Daten, die es schon gibt, werden oft gar nicht richtig ausgewertet und am Ende noch in eine Excel-Tabelle eingetragen …." Tobias Groß, Auszubildender bei Thalia in Gotha, mahnte, bei allen digitalen Anstrengungen und bei aller KI das Persönliche nicht zu vergessen: "Wenn Digitalisierung, dann müssen wir alle Mitarbeiter mitnehmen."

Weiterbildung als A und O

Aus verschiedenen Disziplinen und Blickrichtungen zu schauen, riet Marie-Theres Stickel, Sprecherin der Taskforce "Nachwuchsblog", die gerade im Lektorat und Digitalmarketing der Büchergilde angefangen hat: "Das bedeutet auch, wir müssen unterschiedliche Berufsgruppen in die Buchbranche lassen." Bei den Veränderungen komme auch auf die Unternehmensgröße an: "Ein kleiner Verlag mit drei Schreibtischen arbeitet anders ein Konzernverlag, da gibt es ganz andere Ressourcen – das wird eine Herausforderung für die gesamte Branche werden." Hermann Eckel, Geschäftsleiter von Tolino Media, wies trotz allem Wandel auf Konstanten hin: "Junge Menschen sagen oft: Wenn ich schon ein Buch lese, dann ein gedrucktes – die Haptik zählt unverändert. Aber wir dürfen uns nicht nur als Buchverlag begreifen, sondern müssen den Blick weiten." Das A und O bei den Zukunftsstrategien sei Weiterbildung, meinte Eckel und erzählte den Dialog zwischen CFO und CEO: "Was machen wir denn, wenn wir bei uns alle weiterbilden und dann gehen die nachher zu anderen Unternehmen?" – "Und was machen wir, wenn wir nicht weiterbilden und die bleiben?" Touché.

"Unternehmen werden sich bei Ihnen bewerben"

Um die Branche für die Zukunft zu rüsten, müsse auch deren Verankerung in der Gesellschaft gesehen werden, sagte Kraus vom Cleff. "Es gibt eine neue Politikergeneration, die wir überzeugen müssen in Richtung Urheberrecht." Er erinnerte an die vielen politischen Lippenbekenntnisse, auf die aber nichts folge, Kulturstaatsministerin Grütters einmal ausgenommen. "Wenn wir sehen, wie der norwegische Staat Literatur fördert oder welchen Stellenwert Kultur in Frankreich hat, dann ist da noch viel Luft nach oben". Italien habe ein Programm, um Schulbibliotheken besser auszustatten, und italienische Verlage legten einen Euro drauf, wenn dafür gespendet werde. Wer den Blick in die Zukunft richten wolle, der müsse auch die Voraussetzungen dafür beachten: "Warum sind wir in der Buchbranche? Weil uns vermutlich jemand in der Kindheit Bücher vorgelesen hat und wir darin etwas entdeckt haben. Allerdings haben wir in Deutschland gar nicht wenige Analphabeten – und das wird so leicht vergessen." Von Isaac Asimov gebe es den Satz "Wer seiner Zeit voraus ist, muss oft an unbequemen Orten auf sie warten", aber gerade in der Pandemie habe man einen großen Digital- wie Transparenzschub erlebt. Letztlich hänge es davon ab, "welchen Managementtyp wir als Führungskraft haben, wie gestaltet wird – es geht nicht darum, Mitarbeiter zu beaufsichtigen." Kraus vom Cleff machte den Nachwuchsparlamentarier*innen Mut: "Künftig werden sich Unternehmen bei Ihnen bewerben, die werden Sie brauchen."

Den Buchhandel positiv vermitteln

Auch Lennart Schaefer empfahl, mehr Dinge auszuprobieren und stimmte Kraus vom Cleff zu: "Da wird über große Themen wird gesprochen und ein Fünftel der Leute kann nicht mitreden, weil sie nicht zusammenhängend lesen können – also muss die Leseförderung dringend gestärkt werden." Mit Blick auf die Auseinandersetzungen mit Amazon meinte Schaefer, dass die Branche auch schauen müsse, was sie von Amazon lernen könne: "Die Unternehmen müssen doch überlegen, wie sie Bedürfnisse der Kunden so effizient wie der Internetriese erfüllen können". Dabei müssten die Leistungen des Buchhandels viel öfter positiv vermittelt werden, ergänzte Stickel: "Wenn ich zuhause sitze und klicke, ist das doch ein ganz anderes Erlebnis, als wenn ich persönlich in einer Buchhandlung bin." Auch könne man aus den Pandemieerfahrungen lernen – "zum Beispiel, indem wir weiterhin hybride Veranstaltungen und gut kuratierte Instagram-Accounts machen". "Wir können auch stolz darauf sein, was wir als Buchbranche schon alles geschafft haben, das muss man auch mal sehen", stimmte Tobias Groß zu und folgerte: „Wir können selbstbewusster werden“. Dem schloss sich Kraus vom Cleff an und hob noch einmal den Willen zur Gestaltung hervor, indem er einen Satz von Ariadne von Schirach zitierte: "Die Zukunft wird werden, wie wir wollen, dass sie wird".

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