Joachim Kaufmann zur 4-Tage-Woche bei Carlsen

"Wir vertrauen auf Eigenverantwortung"

28. März 2024
Sabine van Endert

Am 1. April startet Carlsen in Hamburg ein Pilotprojekt zu einer reduzierten Arbeitszeit. Alle Mitarbeiter:innen können ihre Arbeitszeit auf 80 % der bisher individuell geregelten Arbeitszeit reduzieren - bei 90 % ihres bisherigen Gehalts. Wer macht mit? Wie läuft die Evaluierung? Und was verspricht sich der Verlag davon? Antworten von Carlsen-Geschäftsführer Joachim Kaufmann.

Woher kam der Impuls für die 4-Tage-Woche?

Aus einem Buch, wie sollte es in unserer Branche auch anders sein. „Die 5-Stunden-Revolution“ von Lasse Rheingans aus dem Campus Verlag hat mich inspiriert. Ich habe dann weitere Bücher und Studien zum Thema gelesen, wir haben in der Geschäftsleitung darüber diskutiert, auch mit dem Autor und Unternehmer Rheingans, und uns in der Bonnier-Gruppe und Holding abgestimmt. Und wir lassen das Projekt wissenschaftlich von dem Arbeitsmarktexperten Prof. Alexander Spermann begleiten. 

Wie sieht das Modell genau aus?

Alle 250 Mitarbeiter:innen können ab April bis zum Jahresende ihre Arbeitszeit auf 80 % der bisher individuell geregelten Arbeitszeit bei 90 % ihres bisherigen Gehalts reduzieren. Wir haben viel über das richtige Modell diskutiert, welches fair für alle ist. Wir glauben, ein einheitliches Modell macht nicht alle glücklich, deshalb haben Mitarbeitende die Wahl, entweder wie bisher weiterzuarbeiten, ihre tägliche Arbeitszeit zu reduzieren oder auf eine 4-Tage Woche (Freitag frei) zu wechseln.

Der Belegschaft etwas Gutes tun, Attraktivität als Arbeitgeber stärken… Welche Ziele verfolgen Sie mit der (probeweisen) Arbeitszeitreduzierung?

Wir haben uns schon vor Corona mit New Work beschäftigt und wir investieren in noch attraktivere Büros, damit unsere Mitarbeitenden einen Mehrwert darin sehen, in den Verlag zu kommen. Das neue Arbeitszeitmodell ist nur eine Maßnahme von vielen, alle haben ein Ziel: Unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sollen gern und motiviert zur Arbeit kommen.

Mentale Gesundheit, eine gute Balance zwischen Arbeit und Freizeit, ist der jungen Generation wichtig. Denken Sie beim neuen Arbeitszeitmodell auch an die Gewinnung von Mitarbeitenden?

Es ist eine gute Entwicklung, wenn man die Balance hinbekommt zwischen Work und Life, gerade in einer Branche, in der sehr engagierte Menschen arbeiten, die bei der Arbeit oft nicht so genau auf die Uhr schauen. Wir wollen mit diesem Pilotprojekt ein Modell gestalten, dass für uns passt und nicht den Entwicklungen auf dem Arbeitsmarkt hinterherhinken. 

Wie ist die Resonanz bei den 250 Carlsen-Mitarbeiter:innen?

68 machen mit, quer über alle Abteilungen. Ich hatte mit vielleicht 30-50 gerechnet, bin also sehr zufrieden mit dem Ergebnis. Man muss bedenken, dass wir fast 40 % Teilzeitmitarbeitende haben, die ihr individuelles Modell schon gewählt haben und für die eine weitere Reduzierung oft nicht in Frage kommt.

Arbeitszeitverkürzung um 20 Prozent bei 90 Prozent des bisherigen Gehalts – erwarten Sie 80, 90 oder hundertprozentige Produktivität?

Die Produktivität in einem Verlag lässt sich nicht anhand eines Parameters messen. Wir gehen davon aus, dass wir mit besserer Arbeitsorganisation einiges erreichen können. Prozesse und Meetingkultur überprüfen, Chancen von KI ausloten, Schnittstellen effizient gestalten, es gibt viele Möglichkeiten, effizienter und effektiver zu arbeiten. Am Ende geht es nicht darum, dasselbe in weniger Zeit zu arbeiten, sondern darum, dass alle wirklich wichtigen und wertschöpfenden Dinge gemacht werden. Und da vertrauen wir auf unsere tollen Kolleginnen und Kollegen. 

Wie sorgen Sie dafür, dass die Arbeitszeitreduzierung nicht zu Lasten von Vernetzung, Smalltalk und Austausch geht?

Wir vertrauen auf die Eigenverantwortung der Mitarbeiter:innen.

Was passiert am Jahresende, wie wird das Projekt evaluiert?

Wir begleiten das Projekt mit Befragungen von Führungskräften und Mitarbeitenden und freuen uns über permanentes Feedback. Ein Indiz ist auch, wie viele der 68, die das neue Modell gewählt haben, dabei bleiben, sie können immer zum Monatsende auch wieder aussteigen, wenn es für sie nicht funktioniert.

Wie hoch sind die Investitionskosten für das Arbeitszeitmodell?

Die begleitenden Maßnahmen, wie Schulungen, Workshops und vieles mehr für alle Carlsens, egal, ob sie am Piloten teilnehmen oder nicht, sowie die wissenschaftliche Evaluation lassen wir uns schon etwas kosten, aber wir glauben das ist gut investiertes Geld in unsere Zukunft als Arbeitgeber.

Kommen die „Carlsens“ eigentlich gern ins Büro? Wie ist das Verhältnis von Office zu Homeoffice?

Ja, sie kommen gern, einige auch jeden Tag. Bei uns gilt die Regel: 50 % der monatlichen Arbeitszeit besteht Anwesenheitspflicht im Verlag, 50 % kann ortsunabhängig gearbeitet werden. Weit über 80 % sind mit dieser Regelung zufrieden. Fast alle Arbeiten ließen sich auch remote erledigen, doch wir glauben, dass für die Bindung an das Unternehmen und für unseren langfristigen Erfolg Begegnung wichtig ist, vor allem auch abteilungsübergreifend.